Verschiedene Trainingsansätze: wo fängt aversives Training an und wie findet man seinen eigenen Weg?

  • Er duckt sich dann oft weg, legt die Ohren an und klemmt die Rute ein, hört aber auch sofort auf Interesse an den Blättern zu haben. Ist dann das körperliche Stoppen das richtige, weil sofort ein Erfolg zu sehen ist?

    Und hier würde ich eben ganz klar sagen: Es kommt drauf an.


    Hat der Hund WIRKLICH verstanden dass es da gerade um die Blätter ging? Zeigt er sich auch meidend den Blättern gegenüber (läuft ggf sogar einen Bogen beim nächsten Mal)? Muss ich so eine Korrektur im besten Fall nur EINMAL machen für ein LANGFRISTIGES Ergebnis? - dann okay. Einmal Stress für den Hund lebenslang Ruhe mit dem Thema, gehe ich persönlich völlig fein mit.


    Anders sieht es eben aus (und das kommt halt eben auch vor), dass der Hund überhaupt nicht weiß was gerade abgeht oder wofür er bestraft wurde und was er denn tun soll. NATÜRLICH unterlässt er dann erstmal das Jagen der Blätter wenn die Strafe intensiv genug war, er hat ja in dem Moment ganz andere Sorgen. Aber hat er verstanden worum es ging? Oder ist er jetzt seinem Besitzer ggü. meidend weil von dort die Strafe kam und er nun befürchtet gleich wieder eins aufn Deckel zu bekommen? Auch ziemlich unschöne Fehlverknüpfungen sind möglich und echt schwierig wieder auszubügeln. Aber auch ist es möglich den Hund immer weiter abzustumpfen wenn die Strafe nicht gepasst hat und wenn ich ihn 10 Mal am Tag für die gleiche Sache korrigieren muss kann irgendwas nicht stimmen und nachhaltig würde ich das ganze dann auch nicht bezeichnen.


    Bei letzterem kann ich mir deutlich mehr vorstellen, dass ein aversiver Ansatz hilft. Ihn dauerhaft bei jedem Fußgänger abzulenken ist jedenfalls keine Lösung für uns.

    Und genau darum geht's eben gar nicht beim positiven Training. Das was du da beschreibst ist höchstens Management und durchaus valide, aber beim pos Training geht's eben nicht darum seinen Hund ein Leben lang mit Leckerli ablenken zu müssen ;-) das denken sehr viele, ich weiß.


    Ja es wird u.U. viel kleinschrittiger gearbeitet und man muss da auch erst die richtige Methodik finden für sich, dafür kann es aber eben auch unfassbar nachhaltig sein und v.a. macht es (mir persönlich zumindest) auch einfach sehr viel Spaß.


    Wenn dein Hund sich von einmal aversiv "lass das" und Pfoten runterdrücken beeindrucken lässt (als Beispiel) dann go for it, wäre mir manchmal auch lieber wenn das bei uns ginge das sag ich ganz ehrlich.


    Ihr findet Euren Weg da bin ich mir sicher 😊



  • Hundekumpels hat er keine. Wir haben ihm die Option mehrmals gegeben, aber andere Hunde interessieren ihn wenig. Da wird sich beschnuppert und dann dreht sich Barry weg als ob er es nicht nötig hätte, mit anderen zu spielen. :beaming_face_with_smiling_eyes:

    redest du hier von Fremdhunden, die man beim spazieren gehen trifft? Oder von Situationen, wo die Hunde länger Zeit verbringen ohne Leine (zB im Garten)

  • Was sind denn die Themen, an denen Ihr arbeiten möchtet?

    Naja, Barry ist ja ein Junghund und dementsprechend gibt es noch diverse Themen, an denen wir arbeiten.


    Das größte Thema ist das Laufen an der lockeren Leine, aber dabei bin ich mir sicher, dass Druck nicht hilft. Andere Themen sind Bewegungsreize oder das Anspringen von (teilweise sogar fremden) Menschen. Bei letzterem kann ich mir deutlich mehr vorstellen, dass ein aversiver Ansatz hilft. Ihn dauerhaft bei jedem Fußgänger abzulenken ist jedenfalls keine Lösung für uns.

    Ich hab da erstmal, vermutlich leicht ähnlich wie Limetti , eine etwas andere Herangehensweise. Blätter verfolgen, hohldrehen bei fremden Menschen und wegschießen bei Außenreizen sind ja quasi nur „Symptome“. Müsste ich da grundlegende Themen benennen, wäre das „trotz Aufregung ansprechbar für mich bleiben, Nerven behalten und Hirn einschalten vor Action.“


    Für mich gibts zum Thema Gehorsam bzw. Ansprechbarkeit allgemein erstmal die Basis, dass der Hund sich auch für das interessiert, was ich ihm sage bzw. von ihm will - und dass er es versteht. Ergo sorge ich über Erfüllung seiner Bedürfnisse einerseits und Verlässlichkeit für ihn andererseits dafür, dass ich ihm wichtig bin. Und ich beobachte ihn, versuche, klar zu sein in dem, was ich will, damit wir eine gute kommunikative Basis haben (das setzt übrigens voraus, dass man sich auch selbst klar ist, was man vom Hund eigentlich will, jenseits von Hundeschulanforderungen und Trainingsphilosophien. Was nicht selbstverständlich ist, weil man ja permanent Anforderungen Anderer an das ausgesetzt ist, was Hund können muss. Erstmal suche ich also die Linie für mich selbst :smile: ). Mein erstes Ziel ist also, den Hund davon zu überzeugen, dass er mit mur das große Los gezogen hat.


    Und das mache ich zum allergrößten Teil positiv. Außer beim Abbruch, der wird beim Nichtbefolgen klar sanktioniert. Aktuell habe ich eine Junghündin, die sowohl auf Leckerchen als auch auf Spiel und Lob völlig abfährt und super kooperativ ist. Ist genial, macht mir das Leben schön einfach :smile:


    Dann schaue ich mir meinen Hund an und gucke, wie er so drauf ist, was er jann und was er gerade überhaupt leisten kann. Da hilft Hundeerfahrung natürlich sehr. Aber auch als Newbie kann man viel reißen, finde ich, wenn man seinen Hund beobachtet und sein Verhalten und seine Reaktionen wahrnimmt. Also erstmal wirklich nur (soweit wie möglich aus Hundeperspektive) beobachtet, nicht sofort wertet, um den Hund kennen und seine Signale erkennen zu lernen. Und zu verstehen, was er braucht, um das leisten zu können, was ich erwarte. Und um gegebenfalls auch meine Erwartungen an die hündische Realität anzupassen.


    Und dann mache ich mir einen Plan, was ich angehe. Gewichtet nach „eilig / nicht eilig“ und „Pflicht / Kür“. Mogeln ausdrücklich erlaubt und Hauptsache viel Spaß miteinander :smile:


    Ich tue mir immer etwas schwer mit dem Begriff „Bauchgefühl“. Aber mit einem gutem Verständnis für den Hund und vor allem sich selbst einerseits und guter theoretischer Kenntnis von Hundeverhalten, Lerntheorie und Körpersprache andererseits entwickelt man eine gute Entscheidungsgrundlage für die verschiedenen Situationen mit Hund. Mir zumindest hilft das mehr als feste „Trainingsphilosophien.“ Ich kenne die gar nicht detailliert und von dem, was ich kenne, picke ich mir das heraus, was ich situativ gut gebrauchen kann.


    Um damit zu Deiner Ausgangsfrage zurück zu kommen: Was „aversiv“ ist, ist ja sachlich gut definiert :smile: Strittig ist glaube ich eher die eigene moralische/Ideologische Bewertung.


    Da bin ich eher nüchtern, ich nutze das, was ich kann, was situativ gut funktioniert, was mir nicht widerstrebt und was meiner Einschätzung nach auch nicht das Risiko birgt, uns den Spaß aneinander zu verderben und unser Verhältnis zu trüben. Und das ist auch mal eine Strafe. Allerdings eher selten, was einfach daran hängt, wie Hunde und ich ticken.


    Mir persönlich geht Gezänk unterschiedlicher Trainingsphilosophien gegeneinander amtlich auf den Zeiger und ich mag auch ideologisch basierte Worthülsen wie „Wattebauschwerfer“ überhaupt nicht. Jedes Mensch-Hund-Team muss sein eigenes individuelles Gleichgewicht finden. So lange das Tierwohl nicht gefährdet ist (was aber natürlich eine massive Auslegungssache ist :smile: ) und das Ganze im rechtlich einwandfreiem Rahmen bleibt, halte ich es für überflüssig, den Weg moralisch zu werten. Wichtiger ist zu gucken, ob er funktioniert und alle zum gewünschten guten Ziel bringen kann.


    An Deiner Stelle wäre jetzt mein erster Schritt, mich zu fragen: „Was braucht mein Hund, um das zu tun, was ich von ihm erwarte?“

  • Das größte Thema ist das Laufen an der lockeren Leine, aber dabei bin ich mir sicher, dass Druck nicht hilft. Andere Themen sind Bewegungsreize oder das Anspringen von (teilweise sogar fremden) Menschen. Bei letzterem kann ich mir deutlich mehr vorstellen, dass ein aversiver Ansatz hilft. Ihn dauerhaft bei jedem Fußgänger abzulenken ist jedenfalls keine Lösung für uns.

    Das würd ich zb ganz anders lösen: Der Bogen um fremde Menschen ist groß genug, daß er gar nicht anspringen kann, gar nicht so aufgeregt wird. Je mehr man selbst ein Thema aus Dingen macht und das dann auch ständig im Kopf hat, ist man nur noch am Trainieren, aber nicht am miteinander leben.

    Die Gesamtheit Deiner Probleme hat ja was mit Erregung zu tun, vieles wird ihm zuviel, er kann gar nicht mehr anders. Klar kann man diese Symptome unterdrücken, aber dann denke ich, öffnet sich ein anderes Ventil, weil er mit dem, was er leisten können muß, wohl nicht zurecht kommt. Wirkt zumindest so

  • "LIMA" Fraktion

    Was bedeutet das?

    Das ist zb eine Zusammenfassung die ich gerade gefunden hab und mit der ich konform gehe:


    LIMA steht für „Least intrusive, minimally aversive“ und beschreibt das Ziel, den Hund, im Training, so wenig wie möglich einzuschränken, die größtmögliche Kontrolle zuzugestehen und auf Strafen und Druck zu verzichten. Um dies zu erreichen, folgt das Training einem systematischen Ansatz, in dessen Mittelpunkt der individuelle Hund und die Auswirkungen der Maßnahmen auf ihn stehen.

  • Hey Sophia. Ich bin gerade auf deinen Thread gestoßen, weil ich gerade an einem ähnlichen Punkt stehe. Meine Hündin wird im April 3 Jahre jung. Sie ist ein RR-Schäferhund-Mix. Wir hatten auch schon vier Trainerinnen, wobei erst die letzte uns wirklich helfen konnte. Aber auch nicht bei allem. Umorientieren lobe ich auch. Schon seit 2 Jahren. Erreicht habe ich bisher, dass sie auf Distanz Hundebegegnungen an der Leine aushält. 10 m sind machbar, in Abhängigkeit vom Gegenüber. Darunter wird es schwierig. Hier unterscheidet sie, wann sie einen anderen Hund blöd findet. Vor allem große Hunde die sie anschauen. Je näher desto aufgeregter wird sie.


    Ich hatte vor ein paar Monaten schon die Erfahrung gemacht, dass sie andere Hunde doof finden kann und habe seitdem darauf geachtet, sie nicht mehr zu fremden Hunden zu lassen. Nun ist das im Freilauf mittlerweile gut möglich. Da ist sie auch abrufbar, wenn andere Hunde in Sicht kommen. Sie schafft es dann mittlerweile sogar, auch ohne Leine neben mir zu laufen, wenn ich einen ausreichend großen Bogen um den fremden Hund mache. Da an der Leine im Wohngebiet die Möglichkeit nicht immer gegeben ist einen Bogen zu machen, ist jede Begegnung ein Überraschungsei.


    Ich mache aber immer dasselbe. Ich nehme sie beiseite, lobe jeden Blick zu mir während ich zügig aber nicht hektisch an dem anderen Hund vorbeilaufe. Schafft sie es bei mir zu bleiben belohne ich sie. Da sie aber noch immer nicht jeden Hund aushält und sie wie gesagt schon andere Hunde doof fand, machte ich mir Gedanken. Die Zeit rast und sie wird jetzt schon drei und seit 2 Jahren mache ich dasselbe und sie ist trotzdem noch mega aufgeregt.


    Gestern hab ich dann einen Bekannten HH mitsamt seines Mali getroffen, der bestens erzogen ist. Ursprünglich sollte er in den Schutzdienst. Seiner ist natürlich kein Maß mit dem ich messen sollte, der Hund ist halt mega ausgebildet und das KnowHow des Halters überschreitet meines bei weitem. Nun lief er mit uns durch den Park, sonst sehen wir uns im Feld mit den Hunden im Freilauf. Bei der Gelegenheit gestern zeigte icv ihm, was ich ihm im Feld oft erzähle. Der Weg war ungefähr 3m breit, ein mittelgroßer Hund kam uns entgegen. Ich bat den Bekannten zu schauen, wie er die Situation einschätzen würde. Als der Hund auf unserer Höhe war, bellte meine aufgeregt und wollte auf die andere Seite. Ich blockte sie indem ich sie am Geschirr festhielt ohne anzuhalten. Der Bekannte meinte dann, ich solle als erstes mal ein Halsband nehmen anstatt ein Geschirr. Dann sagte er, ich solle das Halsband zur Korrektur nehmen, indem ich es in der Sekunde BEVOR sie ausflippt senkrecht hochziehe. Da ich aber auch Probleme habe aversive Techniken zu nutzen und mich das am Geschirr festhalten anfangs schon "traurig" machte, tat ich mich schwer.


    Der Bekannte hatte eine kleine Leine dabei, die er zum Halsband umfunktioniert an meine Maus festmachte. Derselbe Hund kam uns wieder entgegen und er machte diese Korrektur bei ihr. Danach kam uns ein Border Collie entgegen den sie immer doof findet. Da ist es keine Überraschung für mich wenn sie bellend in der Leine hängt und ich drehe immer um. Aber dieses Mal blieb meine Kleine bei mir und lief entspannt an meiner Seite an ihm vorbei (ca.3-5m):flushed_face:


    So. Nun stehe ich da. Wollte unter keinen Umständen etwas aversives machen, sah aber den direkten Unterschied. Heute probierte ich es im Park aus. Mein Timing stimmt aber noch nicht. IdR warte ich nämlich, ob sie es schafft, um sie dann zu loben. Dass sie es aber nicht immer schafft, hat mich genau hierhin geführt. Ich werde diese Sekunde vorher genau studieren müssen, damit ich sie nicht unnötig hochziehe. Trotzdem habe ich Bedenken, dass ich mir etwas versauen könnte mit ihr. Andererseits haben zwei Jahre umorientieren mit nur positiver Verstärkung nicht den Effekt gehabt, wie eine geübt ausgeführte Korrektur mit dem Halsband. Deshalb kommt mir dein Thread sehr gelegen und icv schließe mich deiner Fragestellung an 😀

  • Blöde Frage, warum nicht schon in der Situation loben? Also schon bei Annäherung, während des Vorbeigehens, bis zum Ende. Man muß doch nicht warten, bis die Situation "vorbei" ist, man darf alles loben und bestätigen, was der Hund gut macht.

    Zur Ausgangsfrage, aversiv ist alles, was dem Hund unangenehm ist. Was das genau ist, entscheidet der Hund, das kann auch ein sich über den Hund beugen sein. Auf jeden Fall definiert das nicht jeder für sich, "aversiv" ist klar definiert.

  • Darüber hinaus: Aversives Arbeiten benötigt viel Know-how, Vertrauen und eine kompetente Anwendung von Korrekturen.

    Sich das von irgendeinem Bekannten "mal kurz" zeigen zu lassen (und dann auch noch am eigenen Hund!) ist ganz, ganz großer Mist. Das einzige, was dein Hund dabei lernt, ist, dass du ihn irgendeiner x-beliebigen Person in die Hand drückst, die ihm dann Schmerzen zufügt. Du kannst wirklich froh sein, dass dein Hund da scheinbar nett ist - meiner hätte sich bei so einer Aktion ganz schnell zu deinem Bekannten umgedreht und sich das nicht gefallen lassen.

    Was mindestens genauso großer Mist ist: Da ohne einen konkreten Plan an Timing und Intensität "rumzuprobieren". Damit machst du definitiv mehr kaputt als du gewinnst. Wenn die Intensität und das Timing falsch sind, verliert dein Hund Vertrauen in dich. Er versteht dann ja gar nicht, was er falsch macht, sondern nur, dass du ihm plötzlich weh tust. Was - das möchte ich nochmal betonen - absolut nicht der Sinn vom Einsatz aversiver Methoden ist. "Aversiv" ist nicht gleichzusetzen mit Gewalt, Leinenrucks, Zwicken oder sonst was, das geht auch sehr viel fairer, humaner und freundlicher.

    Wenn du den aversiven Weg gehen möchtest, lass dir mal von einem gescheiten Trainer eine richtige Korrektur zeigen (die dem Hund nicht wehtut).

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