Kind mit geistigen und motorischen Beeinträchtigungen und Hund?

  • Erstmal die wichtige Begriffsunterscheidung: - ein Assistenzhund lebt dauerhaft im Haushalt und übernimmt bestimmte Aufgaben für eine behinderte Person. Bei Minderjährigen und geistig stark eingeschränkten Personen in Form einer Triade (also Assistenznehmer/Betreuer/Hund). Um einen Hund wirklich als Assistenzhund zu führen, muss er eine langwierige und kostenintensive Ausbildung bei einem zertifizierten Trainer absolvieren und eine Prüfung ablegen.


    - ein Therapiehund, Therapiebegleithund, Besuchshund oder wie immer man es nennen will (das ist in Deutschland nämlich im Gegensatz zu Österreich nicht offiziell geregelt) kommt stundenweise mit seinem Halter zu Besuch und hilft, je nach Einsatzbereich, bei therapeutischen/spielerischen Einheiten oder ist halt einfach nur zum Kuscheln und Liebhaben da


    Ich habe 2 Assistenzhunde und kenne durch meine Hundetrainerausbildung und mein Netzwerk unzählige Teams, Ausbilder und Prüfer. Es gibt Familien mit behindertem Kind, denen ein Assistenzhund das Leben unglaublich bereichert und bei denen das Leben für einen Assistenzhund auch wirklich ganz großartig ist - mit genug Ruhe, Zeit einfach nur ein Hund zu sein und artgerechter Auslastung. Gerade autistische Kinder reagieren oft sehr lieb und sanft auf Tiere und mit komischen Lauten und Bewegungen lernt ein Assistenzhund in seiner Ausbildung umzugehen.


    ABER: ich setze die klare Grenze da, wo das Zusammenleben für den Hund schmerzhaft und/oder gefährlich wird. Auch der allerliebste, bestausgebildete Hunde der Welt kann und wird bei dauerhafter Überschreitung seiner Grenzen aggressiv oder zumindest extrem meidend reagieren. Zu hartes Anfassen, am Fell ziehen, Ruhephasen nicht einhalten, unkontrollierte emotionale Ausbrüche - das ist in meinen Augen keinem Hund zuzumuten. Das ist einfach kein schönes Leben. Und ja, das ist in meinen Augen egoistisch.


    Die einzige Möglichkeit in eurem Fall wäre eine klare Abgrenzung zwischen Kind und Hund, bei der NUR geregelter, kurzzeitiger Kontakt stattfindet. Das heißt aber auch, dass du dich quasi teilen musst, denn der Hund will und braucht deswegen kein Stück weniger Aufmerksamkeit und Nähe. Das dürfte neben der Vollzeitpflege unmöglich sein, wenn schon ein nächtlicher Durchfall ein Problem (für den Hund - ums Wegwischen geht es nicht) ist.


    Ganz ehrliche Meinung: in eurem Fall würde ich einen Verein für Besuchs- oder sogar Therapiebegleithunde kontaktieren und regelmäßige Termine mit solchen Teams ermöglichen. In tiergestützter Therapie könnte er vielleicht sogar lernen, anders mit den Hunden umzugehen, sodass in ein paar Jahren ein eigener Hund eine Option wird. Außerdem weiterhin geregelten Kontakt mit den Hunden eurer Freunde.


    Alles andere fände ich hohem Maße egoistisch und unfair dem Hund gegenüber. Also "mehr" egoistisch als Hundehaltung nunmal in aller Regel sowieso ist.


    Achja, kleiner Nachtrag: im Gespräch mit Assistenzhundeausbildungsstätten (falls du sowas vor hast) wäre ich sehr vorsichtig. Es gibt leider gar viele schwarze Schafe und Vereine, die einem einfach nur einen schweineteuren Hund andrehen wollen, ohne wirklich auf die Gegebenheiten zu achten

    .. *hust*D*hust*A*hust*Z*hust*

  • Ich habe deinen ersten Post gelesen mit tiefem Respekt vor der Betreuungsaufgabe für deinen Sohn. Ich finde einen eigenen Hund für dich und deine Lebensaufgabe nicht geeignet. Warum? Weil ich (aus der Ferne) glaube (und es ja nicht einschätzen kann), dass eine dosierte, gut und professionell moderierte Kontaktmöglichkeit mit Hunden oder anderen Tieren deinem Sohn gut tun würde.

    Also: Nicht „nur“ Freunde mit Hund, sondern Profis mit Profi-Hunden. Es ist echt harte Arbeit für einen Hund, einem eingeschränkten Menschen zu helfen und beizustehen. Auch Hunde können ausbrennen. Und das sollte man als verantwortungsvoller Mensch nicht ausblenden.

    Deine Ansprüche an einen Hund finde zu hoch, um fair zum Tier zu sein.

    Ich hoffe, du verstehst meine Bedenken, auch wenn ich gar keine Erfahrung in der Betreuung habe, wie du sie hast.

  • Vielen Dank nochmal für eure Erfahrungen und ehrlichen Meinungen!


    Ich versuche einmal ein paar Dinge zu beantworten:


    Kannst du/könnt ihr 1h in den Wald gehen oder ne Runde Rad mit dem Hund fahren täglich? Mal Dummies verstecken oder an einen See fahren, damit der Hund schwimmen kann.

    Täglich ist das nicht möglich, nein. Aber ich gebe meinen Sohn zwei Nachmittage die Woche in eine Betreuung und dann könnte ich dem Hund schon ein wenig Einzelzeit widmen.

    Hast du Erfahrung mit Hunden gesammelt?

    Nur mit den beiden Hunden meiner Freundinnen. Ich habe probiert mit ihnen an der Leine samt Rollstuhl zu laufen. Meine Freundin hat sie dazu gebracht zu ziehen um zu sehen ob ich es halten könnte (könnte ich, aber schwierig, vor Allem wenn es eine echte Situation ist).


    Ich selbst hatte aber noch nie einen eigenen Hund. Mit Erziehung kenne ich mich nicht so gut aus, aber hier wurden ja schon viele wertvolle Tipps genannt wo ich mich hinwenden könnte, danke dafür!


    Hast du die Kapazität neben der Vollzeit Pflege deines Sohnes auch eine Hundeschule zu besuchen? Hast du genug Kraft übrig um den Hund zu erziehen - gerade am Anfang wo weder Hund noch Kind die Hausregeln kennen ist es mega anstrengend, Kräfte zehrend und geht an die Nerven! Hast du Zeit übrig um den Hund exklusiv Zeit zu bieten - Hunde Freunde treffen, mal querfeldein laufen (und nicht immer nur auf betonierten Wegen die rollstuhlgeeignet sind), zum Tierarzt gehen, usw.

    Und wie sieht das finanzielle aus?

    Hundeschule wäre möglich, wenn sie sich an den zwei freien Nachmittagen einschieben lässt.


    Die Nerven sind etwas was mir auch Sorgen bereitet. Ich liebe meinen Sohn, aber ich bin nicht umsonst in Therapie. Es ist einfach anstrengend, da muss man ehrlich sein. Hätte ich jetzt einen total widerspenstigen Hund der nicht auf mich hört, ich weiß nicht wie gut ich damit umgehen könnte.


    Finanziell wäre es schon machbar. Ich bekomme einige Unterstützungen und hätte im großen Notfall immer Freunde die mir aushelfen könnten.


    Möchtest DU einen Hund für DICH?

    Hm, schwierige Frage. Einerseits ja, weil ich schon glaube dass es auch eine willkommene Abwechslung in meinem Alltag wäre.


    Aber ob ich daran gedacht hätte mir einen Hund zu holen, wenn mein Sohn nicht wäre? Ich weiß es nicht, vermutlich nicht. Also es soll in erster Linie schon um meinen Sohn gehen.


    Was machst du, falls der Hund irgendwann genug hat und doch mal abschnappt?

    Das wäre natürlich eine Katastrophe. Ich würde wohl jemand vom Fach dazu holen und das ganze einschätzen lassen ob der Hund gefährlich werden könnte. Würde natürlich versuchen das ganze wieder gerade zu biegen. Aber sollte es öfter vorkommen hätte dieser Hund keine Zukunft bei uns.


    Natürlich sind die Besuchshunde ganz toll und mein Sohn liebt sie. Aber ich merke, dass er, so sehr er auch aufblüht, wenn sie da sind, jedes Mal ein kleines Tief hat wenn sie wieder gehen. Deshalb eben überhaupt der Gedanke an einen Hund der bleibt.


    Zum Rückzugsort. Ich könnte ein Bettchen in die Küche stellen, die kann man schließen und es ist auch ruhig drinnen, da halten wir uns nur zum kochen auf, da sie recht klein ist mein Sohn so gut wie gar nicht.


    Alleine lassen. Wirklich gar nicht? Nicht einmal zwei Minuten? Mein Sohn kann auch nicht lange alleine gelassen werden, aber auf Klo gehen sollte schon möglich sein, oder?

  • SkippyG. :

    Ich habe direkt geguckt, aber im Umkreis von 25 km (mitten im Ruhrgebiet) bieten die Malteser das leider nicht an. Wahrscheinlich findet in der Nähe dann auch keine Ausbildung statt, schade, aber vielleicht findet ist ja noch was anderes. Ich danke dir

  • Ich bin beim ASB. Gib bei Google einfach mal deine Stadt + Besuchshundedienst ein oder wende dich an den Landesverband und dann wirst du weitergeleitet. Mein Rumo ist jetzt mein 3. Hund in Ausbildung, ich bin im Oktober 10 Jahre dabei.

    Bei uns gilt das Prinzip: Ausbildung kostet nichts, aber es gibt auch für den Einsatz kein Geld. Andere Organisationen handhaben das anders, bei den Maltesern zB läuft das grundsätzlich ganz anders.


    So und nun OT Off.

  • Täglich ist das nicht möglich, nein. Aber ich gebe meinen Sohn zwei Nachmittage die Woche in eine Betreuung und dann könnte ich dem Hund schon ein wenig Einzelzeit widmen.

    Respekt für deine Leistung - ich schätze nämlich dass du in diese zwei Nachmittage alles reinpackst, was für dich Erholung ist.


    Aber diese zwei kostbaren Nachmittage dann dem Hund widmen - möchtest du das wirklich?


    Je nachdem wie euer Tag sonst aussieht, wie viel normales Gassi, wie viel Freilaufmöglichkeiten, wie viel Kontakt mit anderen Hunden - sind zwei Nachmittage "Hundezeit" schon sehr knapp bemessen.

  • Täglich ist das nicht möglich, nein. Aber ich gebe meinen Sohn zwei Nachmittage die Woche in eine Betreuung und dann könnte ich dem Hund schon ein wenig Einzelzeit widmen

    Dann nimm bitte Abstand von Hundehaltung.

    Zum Rückzugsort. Ich könnte ein Bettchen in die Küche stellen, die kann man schließen und es ist auch ruhig drinnen, da halten wir uns nur zum kochen auf, da sie recht klein ist mein Sohn so gut wie gar nicht

    Der Hund will schon Ruhe, aber der will nicht weggesperrt oder alleine sein.

    Alleine lassen. Wirklich gar nicht? Nicht einmal zwei Minuten? Mein Sohn kann auch nicht lange alleine gelassen werden, aber auf Klo gehen sollte schon möglich sein, oder?

    Nein. Wirklich nein.

  • "Kontakt zu anderen Hunden" könnte übrigens auch ne Herausforderung werden. Hunde brauchen Sozialkontakte und die Möglichkeit mit denen frei zu interagieren.

    Wenn dein Sohn dabei ist, müsste man natürlich stets nicht nur die Hundeaktion sondern auch Fremdhund und deinen Sohn im Blick halten.

  • Alleine lassen. Wirklich gar nicht? Nicht einmal zwei Minuten? Mein Sohn kann auch nicht lange alleine gelassen werden, aber auf Klo gehen sollte schon möglich sein, oder?

    Nein, wirklich gar nicht. Hund aufs Klo mitnehmen, Hund zum duschen mitnehmen, Hund zum Briefkasten mitnehmen,...


    Wenn mein Bruder bei mir zu Besuch ist lasse ich ihn keine Sekunde aus den Augen, wenn meine Hündin anwesend ist. Dabei geht es nicht darum, dass ich denke, dass er absichtlich etwas böses tun würde, aber er kann die Situation nicht einschätzen, er hat die Fähigkeiten dazu nicht.


    Er hat schon öfter versucht meiner Hündin an den Ohren zu ziehen, ihr ins Maul zu fassen oder in die Augen, am Schwanz zu ziehen. Ich kenne ihn und kann das unterbinden, bevor es passiert, aber wenn die beiden alleine wären, hätte ich nicht einmal eine Sekunde innere Ruhe.

  • Hundeschule wäre möglich, wenn sie sich an den zwei freien Nachmittagen einschieben lässt.

    Da beißt sich die Katze doch schon ganz praktisch in den Schwanz. Die beiden Nachmittage sind auch schon die einzige Gelegenheit, wo dein Hund "ein bisschen" Einzelzeit bekommen soll. Freizeit, nicht Hundeschule. Die Seele baumeln lassen, durch die Gegend rennen und schnüffeln, lange Spaziergänge, Auslastung im Sinne von Dummytraining o.ä.. Und da willst du dann auch noch Hundeschulzeit reinpacken?

    Ein eigener Hund braucht, so fies das klingen mag, einfach mehr. Er kann auch mit weniger leben, aber das ist dann halt einfach kein schönes Leben.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!