Ist ein Border Collie generell aggressiv schutztriebig/territorial - oder hat dieser eine komplette Macke?

  • Eine Frage noch: Warum wohl erst so spät? Dass das Wegreißen der letzte Auslöser war, glaube ich auch, aber nochmal: der Hund hat schon eine Latte an heftigen Attacken aus verschiedenen Situationen, und durch den Wesenstest ist er auch krachend gefallen.


    Warum aber war die Begrüßung dann erstmal komplett unauffällig? Die beiden Frauen, eine mit, eine ohne Hund, trafen sich auf einem Spaziergang im Feld, begrüßten sich und wollten noch ein Stück zusammen gehen. Sowohl beim Ankommen der für ihn Fremden als auch beim Weitergehen war der Hund zunächst komplett desinteressiert und schnüffelte an langer Leine am Wegrand vor sich hin. Meine Freundin ist, wie gesagt, kein Hundemensch - hätte sie auch nur geahnt, dass da Vorsicht geboten ist, hätte sie die Besitzerin natürlich gebeten ,den Hund kurz zu führen und weiten Abstand gehalten. Vielmehr: Sie wäre gar nicht mitgegangen.


    Aber da ist jetzt wieder etwas, das ich nicht ganz verstehe: Wenn der Hund z.B. übertrieben beschützt hätte, hätten ihn doch eher die Annäherung oder die Begrüßung triggern müssen? Oder hat er sein Ziel erstmal unauffällig beobachtet/eingeordnet?


    Wahrscheinlich viel zu viele Spekulationen für einen einfach komplett versauten Hund, aber es ist schon auf gruselige Weise faszinierend, und meine Freundin beschäftigt das Warum natürlich sehr. Sie hat ja auch genug Zeit, zuhause zu sitzen und drüber nachzudenken - vieles geht selbst jetzt noch nicht wieder, so heftig waren die Bisse.

  • Ich danke euch allen sehr, es hilft doch ein bißchen weiter, zu lernen, dass sowas bei einem BC durchaus mal vorkommen kann - vorausgesetzt natürlich, da ist genetisch und erzieherisch eine Menge schiefgegangen. Ich hätte das als BC-Laie wirklich für ziemlich ausgeschlossen gehalten. Zwicken ja, aber immer wieder derart beschädigend beißen?

    Für die Zukunft: Es gibt absolut keine, keine einzige Rasse, die nicht beschädigend beißen kann, außer es ist anatomisch oder drucktechnisch nicht möglich (zahnloser Nackthund oder Teacup Chihuahua)

  • Eine Freundin von mir hat einen Border-Collie-Rüden, der sowohl anderen Hunden als auch Menschen gegenüber alles andre als "ohne" ist. Ich habe diesen Hund nur 1x gesehen und zum Glück war ich im Auto, ansonsten wäre ich vermutlich auch nicht ohne Bisswunde davongekommen. Sie berichtet jedenfalls schon seit Jugendalter des Hundes von diesem Verhalten, welches zumindest teilweise territorial motiviert sein dürfte, aber nicht ausschließlich. Davor hatte die Familie einen völlig unkomplizierten und unauffälligen Border-Collie-Rüden.


    Ich weiß allerdings nicht, ob der jetzige BC einer seriösen Zuchtstätte entstammt. Laut ihr ist er reinrassig, es soll kein Aussie mitgemischt haben. Sozialisierung und Erziehung mögen zwar nicht zu 100% optimal verlaufen sein, aber es gab da sicher auch kein eklatantes Fehlverhalten ggü. dem Hund während dieser Zeit.

  • Eine Frage noch: Warum wohl erst so spät? Dass das Wegreißen der letzte Auslöser war, glaube ich auch, aber nochmal: der Hund hat schon eine Latte an heftigen Attacken aus verschiedenen Situationen, und durch den Wesenstest ist er auch krachend gefallen.

    Keine konkrete Antwort, weil zuviel Spekulation, aber ein Gedankenansatz: bei fremden Leuten schnüffelt Candie erstmal ab, fiddelt, tut dann häufig sein Ding.


    Wenn zu viel Anspannung in der Begrüßung liegt (von Seiten der Begrüßten) kann es zur Explosion kommen.


    Oder: es wurde begrüßt, alles gut, man sitzt beispielsweise irgendwo, Candie kommt, um gekrault zu werden. Das Kraulen erfolgt aber auf falsche (zögerliche) Art. Ich merke seine Anspannung und ziehe ihn zurück - bämm, Explosion.


    Die Kombination aus "Irgendwas stimmt hier nicht" und "Ich werde davon weggezerrt" führt oft zur Explosion. Es ist nur halt keine Alternative, ihn machen zu lassen, da ich nicht testen will, inwieweit er dann von sich aus explodiert.


    Aber so ähnlich kann ich mir das in der Situation der Freundin auch vorstellen.

  • Zitat

    Für die Zukunft: Es gibt absolut keine, keine einzige Rasse, die nicht beschädigend beißen kann, außer es ist anatomisch oder drucktechnisch nicht möglich (zahnloser Nackthund oder Teacup Chihuahua)

    Gut zu wissen, aber uns ging es hier vorrangig um die Frage: Wie weit "oben" in der Genetik ist Aggressivität gegen Menschen bei einem Hütehund, der ursprünglich ja sogar mit verschiedenen farmhands arbeiten sollte? Hat dieses Tier also eine rasseuntypische Macke, oder passiert sowas bei BC generell öfter?

  • Zitat

    Die Kombination aus "Irgendwas stimmt hier nicht" und "Ich werde davon weggezerrt" führt oft zur Explosion. Es ist nur halt keine Alternative, ihn machen zu lassen, da ich nicht testen will, inwieweit er dann von sich aus explodiert.

    So ähnlich stelle ich mir das inzwischen auch vor, frage mich dann allerdings um so mehr, weshalb die Phantasie der Halterin nicht soweit reicht, solche Momente zu vermeiden. Aber das ist wohl ein anderes Thema....

  • Zitat

    Die Kombination aus "Irgendwas stimmt hier nicht" und "Ich werde davon weggezerrt" führt oft zur Explosion. Es ist nur halt keine Alternative, ihn machen zu lassen, da ich nicht testen will, inwieweit er dann von sich aus explodiert.

    So ähnlich stelle ich mir das inzwischen auch vor, frage mich dann allerdings um so mehr, weshalb die Phantasie der Halterin nicht soweit reicht, solche Momente zu vermeiden. Aber das ist wohl ein anderes Thema....

    Bei dem von dir geschilderten Hund mit mehreren Beißvorfällen ist das tatsächlich fraglich. Candie liebt zum Beispiel unseren Besuch, den kann ich für gewöhnlich immer frei laufen lassen, es sei denn, es ist jemand dabei, der Angst hat. Aber es gab halt auch noch keine Vorfälle mit ihm. Wäre es so, wäre er mindestens mit Maulkorb gesichert und ich würde sicher stellen, dass er an die betreffenden Personen nicht rankommt.

  • Wie weit "oben" in der Genetik ist Aggressivität gegen Menschen bei einem Hütehund, der ursprünglich ja sogar mit verschiedenen farmhands arbeiten sollte? Hat dieses Tier also eine rasseuntypische Macke, oder passiert sowas bei BC generell öfter?


    ACHTUNG SPEKULATION: ich könnte mir vorstellen, dass da eventuell auch der grundsätzliche Charakter des Border Collies eine Rolle spielt.


    Mal weiter ausgeholt: Border Collies sind schon oft sehr sensible empfindsame Hunde. Daraus resultierend auch oft eine gewisse Unsicherheit ungewohnten Unweltsituationen gegenüber oder Situationen gegenüber, in denen sie sich schon mal nicht gut gefühlt haben.

    Es sind Hunde, die den Umgang mit sich schnell als übergriffig und zu viel empfinden. Andererseits merkt man das ihnen im Trieb oft nicht so an, da muss man schon ein gutes Auge haben.


    Mein eigener Border möchte bei der Arbeit zb nicht berührt werden. Streicheln, was er sonst liebt, ist da ne positive Strafe (Hinzfügen von etwas unangenehmen) für ihn. Er lässt sich aber trotzdem anfassen, man muss da schon genau hinschauen, um zu sehen, wie blöd er das gerade findet.


    Ich könnte mir vorstellen, dass es bei den so heftig nach vorne gehenden Border Collies eine Mischung aus der Erfahrung ist, dass sie oft in ihren Augen übergriffig behandelt wurden und werden, dass sie sich auch deswegen nicht wirklich wohl fühlen im Umgang mit (fremden) Menschen, verbunden damit, dass sie oft so feine Signale senden, dass viele Menschen das schlicht übersehen.


    Hund wird also zb angefasst, findet das blöd und zeigt das auch, Mensch bemerkt das nicht und übergeht das einfach = blöde Situation für den Hund, der er sich nicht entziehen kann.

    Und da Mensch es nicht merkt, „zwingt“ man den Hund immer wieder in solche Situationen. Der macht immer wieder die Erfahrung, dass er nicht ernst genommen wird und reagiert immer unsicherer, weil sein „nein“ ja einfach nicht angenommen wird..

    bis es halt irgendwann zu viel wird und der Hund zum ersten Mal abschnappt - und die Erfahrung macht, dass er auf einmal „verstanden“ wird vom Menschen.


    Das macht die grundsätzliche Situation aber nicht besser: Hund hat viel zu oft die Erfahrung gemacht, dass Menschen einfach blöd sind. Und so kommt es eben immer wieder zu solchen Situationen, in denen Hund nach vorne geht, weil er gelernt hat, dass es die einzige Möglichkeit ist, wie er sich den Menschen gegenüber verständlich machen kann.


    Ich habe auch das Gefühl, dass es vor allem bei Border Collies passiert, die im Welpen- und Junghundealter oft über ihre Grenzen „gezwungen“ wurden, weil Mensch es einfach nicht gemerkt hat, wie blöd das für den Border gerade ist..

  • Der Border meiner Freunde hat auf Fremde nicht reagiert, so lange er ignoriert wurde. Es hat aber gereicht, ihn zum Kipoen zu bringen wenn er eine Zeit lang intensiv angeguckt wurde. Für den Unkundigen jam das sann völlig jnerwartet, wie aus dem Nichts.

  • Wie weit "oben" in der Genetik ist Aggressivität gegen Menschen bei einem Hütehund, der ursprünglich ja sogar mit verschiedenen farmhands arbeiten sollte? Hat dieses Tier also eine rasseuntypische Macke, oder passiert sowas bei BC generell öfter?

    Aus meiner zugegebenermaßen völlig subjektiven Erfahrung heraus würde ich jetzt mal unwissenschaftlich sagen, der Hund ist das Produkt einer löchrigen Hütergenetik und eines unpassenden Umgangs. damit.


    Sofern, wie weiter oben durchaus berechtigt, angemerkt, nicht auch noch Aussie oder eine andere Rasse mitgespielt hat.


    Bei den Stichworten Aggressivität und Territorialität bzw. Schutzverhalten denke ich an Aussies, nicht an Border Collies.


    Nichtsdestotrotz habe ich in den letzten 20, 25 Jahren zwei, wenn nicht drei hochgradig gegen Menschen aggressive Border Collies erlebt, angeschafft für Agility & Co., die genügend Raum hatten, aus noch vorhandenen Hütesequenzen wie Abschnappen oder Festglotzen Stereotypien zu entwickeln, die sich auch in Aggression Menschen gegenüber manifestierten.


    Einer der Hunde war während der Vollzeitarbeit der Besitzer, d. h. von Montag bis Freitag tagsüber 9, 10 Stunden, bei den Eltern der Frau geparkt und hatte dort einen größeren Hof zur Verfügung, an dessen einer Seite ein Bach floss.


    Der Hund schob sich bei gutem Wetter Stunden um Stunden geduckt am bachseitigen Zaun entlang und fixierte ununterbrochen Enten, Vögel oder was auch immer sich bewegte.


    Zwischendurch giftete er hinter der straßenseitig gelegenen Gartenpforte Artgenossen an, und irgendwann fing er auch an, Besucher der Eltern zu beschleichen und abzuschnappen, worauf er nur noch in den Gartenteil hinter dem Haus gelassen wurde - ebenfalls mit Zaun an der Bachseite ...


    Die Leute gaben sich wirklich viel Mühe, Trainer, Hundeplatz, was man halt so auffährt heutzutage - aber sie waren tagsüber nicht da, und der Hund kam wenig in die Öffentlichkeit, sondern wurde meist auf dem Hundeplatz bespaßt.


    Aus dem Austicken bei Hundesichtung wurde schnell eine Rückwärtswendung Richtung Besitzer, die, soweit ich mich erinnere, auch die ein oder andere Blessur davontrugen, und man tat gut daran, diesen nicht zu nahe zu kommen, wenn sie mit den Hunden - es kam noch eine Hündin dazu, die natürlich die Macken des Rüden abkupferte - unterwegs waren.


    Meist drückten sie sich sowieso ins Unterholz, wenn man ihnen im Feld begegnete, und durchs Dorf kamen die Hunde bald gar nicht mehr, sondern wurden mit dem Auto bis zum Feldrand oder an den Rhein geschüsselt.


    Zumindest den Rüden durfte man nicht angucken, weil er dann abschnappte, und das auch heftiger.


    Eventuell war das bei Deiner gebissenen Freundin auch so, d. h. dass der Hund so in seinen Hütesteretypien gefangen ist, dass er eine wie auch immer geartete Hinwendung zu ihm, und sei es nur Angucken, als Renitenz des Hüteviehs auslegt.


    Und dann natürlich völlig überzogen zuhackt, weil den sog. Showlinien - und das gilt m. E. nicht nur für Border Collies - ohne Selektion auf Arbeitsfähigkeit auch ziemlich bald die Stressregulierung abhanden kommt, d. h. sie sind in Sekundenbruchteilen von 0 auf 100.


    Ein am Vieh arbeitender Border Collie, der völlig austickt, sobald sich ihm ein Tier oder mehrere entgegen stellt bzw. stellen, ist tot oder verletzt, wenn er sich nicht im Griff hat.


    Unsere Cattle-Kröte, die wenig Kontakt mit Fremden hat, ist z. B. so lange neutral zu Menschen, die sie nicht gut kennt, solange diese sich nicht zu ihr herunterbeugen, sie ansprechen oder ihr gar die Hand hinhalten zum Schnuppern.


    Selbst die Leckerlies verteilende Postbotin wird richtig giftig angekeift, wenn sie hinter dem Zaun in die Hocke geht und auf Augenhöhe und in Augenkontakt mit dem Hund ist.


    "Nicht angucken" ist die Devise.


    Ist, wie gesagt, auch nur eine Vermutung unter mehreren.

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