Der "gefährliche" Hund Teil 3

  • Mir ging es nur darum, dass ich keinen Hundehalter dafür anzeigen würde, wenn ich auf einem gemeinsamen Spaziergang von seinem Hund gebissen werden würde. Insbesondere dann nicht, wenn ich den Kontakt zum Hund selber gesucht habe.

    Das ist dein gutes Recht. Es ist aber auch das des Opfers, das anders zu sehen und zu handhaben.


    Niemand muss einkalkulieren, von einem begleitenden Hund gebissen zu werden.

  • Ob ich einen HH anzeigen wuerde, dessen Hund mich beim gemeinsamen Gassi beisst, kommt (bei mir) z.B. auch auf die Verletzung an...


    Wieso sollte das Opfer da keine Anzeige erstatten bzw. wieso sollte man das negativ auslegen?

  • Nein, fahrlässige Körperverletzung ist strafrechtlich ein Antragsdelikt. Das wird nur verfolgt und aufgenommen, wenn das Opfer dies anzeigt.

    Wurde zwar schon darauf hingewiesen, ich erwähne es hier dennoch noch einmal ausdrücklich:

    Die zweite Aussage stimmt so nicht: Ja, fahrlässige Körperverletzung ist strafrechtlich grundsätzlich ein Antragsdelikt; liegt aber nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse vor, kann die Staatsanwaltschaft einen Strafantrag stellen, auch wenn das Opfer es nicht macht, oder gar gar nicht will.


    Mir geht es dabei auch nur um den strafrechtlichen Aspekt. Eine Überprüfung der Gefährlichkeit des Hundes durch das Amt steht dazu absolut nicht im Widerspruch.

    Die Prüfung der Gefährlichkeit des Hundes hat überhaupt nichts mit dem Strafdelikt (Körperverletzung) zu tun. Es geht hier um das Verhalten des Hundehalters, der für seinen Hund verantwortlich ist.


    Natürlich kann hier mit Einfließen, ob dem Hundehalter vor dem Vorfall bestimmte Aspekte bekannt waren, deren Berücksichtigung diesen Vorfall verhindert hätten (z. B.: "Hund mag nicht von anderen Menschen angefasst werden" oder: "Hund hat ein Ressourcenproblem, weshalb das Apportel im Maul des Hundes der Auslöser für seine Reaktion war").


    Die beiden folgenden Zitate stammen von Terri-Lis-07 ; Ich habe den Usernamen aus den Zitaten entfernt, weil diese beiden Aussagen nur Stellvertreter sind für eine von mehreren (auch in früheren Diskussionen) immer wieder aufgeführte Meinung, auf die ich mich allgemein beziehe.



    Zitat

    Das Ding is halt dass ein Hund heutzutage in so einer Situation nicht mehr beißen darf.

    Zitat

    Früher hätte man gesagt : Tja selber Schuld.

    Hunde durften noch nie grundsätzlich in solchen Situationen beißen.

    Weder früher noch heute.

    Würde Menschen grundsätzlich davon ausgehen müssen, dass Hunde in jeder unvorhergesehenen Situation ihre Zähne als Antwort auf "nicht artgerechten" Umgang einsetzen, wären sie weder in dem Maße aus Haustiere geeignet, noch hätten sie ihren Ruf als "der beste Freund des Menschen" erworben.

    Dabei ist dieser von mir - bewusst in Anführungszeichen gesetzte - Ausdruck "nicht artgerecht" ein sehr diffuser Begriff, weil hier wissenschaftliche Inhalte mit alltagsgebräuchlichen Vorstellungen verschwimmen, bei denen gerade Letztere mehr von individuellen menschlichen Vorstellungen geleitet werden, die oftmals völlig konträr sind.

    Zwei profane Beispiele dazu im Spoiler.


    Zitat


    Pack ich nen Maulkorb drauf weil ich leider für die Dummheit anderer mitdenken muss

    Ist das wirklich Dummheit?

    Ich empfinde es als sehr erschreckend, wenn das oftmals ja unbedachte, unbedarfte Handeln anderer Menschen als "dumm" bewertet wird.


    Ist es wirklich sinnvoll, die scheinbare "Dummheit" der Menschen im Umgang mit Hunden mit dem Argument zu beseitigen, dass jeder Hund eine potentielle Gefahr darstellt, die sich in vielen Fällen nur durch die Dummheit anderer Menschen realisieren kann?


    Dem gegenüber steht der Fakt, dass tagtäglich Millionen von Hunden, nahezu 100%, völlig vorfallsfrei mit dieser "Dummheit" leben - und damit immer noch die Vorstellung vom "besten Freund des Menschen" untermauern.


    Will ich diese Vorstellung vom "besten Freund des Menschen" wirklich ausmerzen, und ersetzen durch die Vorstellung: "Hunde sind grundsätzlich Tiere, die gefährlich sein können!"?


    Ich will das nicht.


    Ich will, dass Menschen sich nicht dumm, sondern eher naiv (im Sinne von arglos, ursprünglich) verhalten, wenn ich mit meinen Hunden in Situationen auftauche, wo ICH sie hineingeführt habe; Ich will, dass diese Menschen sich nicht fragen müssen ob der Hund diese Situation verträgt (nicht erträgt, und auch nicht aushält, sondern wirklich als unbedenklich, ungefährlich, eben normal empfindet, und auch entsprechend damit umgeht), sondern meine Hunde als unbedenklich, ungefährlich, und nicht störend in ihren Aktivitäten, und erst recht nicht den Gedanken auslösend: "Worauf muss ich jetzt in meinem Handeln achten, damit sich keine Tiergefahr realisiert?"empfinden, sich darauf verlassend, dass ICH als Halter durchaus weiß, was meine Hunde können - und was nicht.


    Denn das ist meine, und ganz alleine MEINE Verantwortung als Halter - und nicht Aufgabe all dieser unbekannten Menschen, die zufälligerweise in meinen Handlungsbereich geraten, sich ein Wissen anzueignen welches es mir ermöglicht, mich mit meinen Hunden da aufzuhalten, wo ich gerade bin.

  • Will ich diese Vorstellung vom "besten Freund des Menschen" wirklich ausmerzen, und ersetzen durch die Vorstellung: "Hunde sind grundsätzlich Tiere, die gefährlich sein können!"?

    Ah, Danke, das ist schön ausgedrückt und trifft es genau...

  • Trotzdem kann man, wenn man mit seinem Hund gemeinsame Aktivitäten mit anderen Menschen oder Hunden unternimmt, niemals gänzlich ausschließen, dass es zu Vorfällen kommen könnte.

    Also in einem "es kann einem morgen ein Klavier auf den Kopf fallen" Sinne, ja.

    Als Alltagserfahrung, nein. Dann wäre für mich Hundehaltung ausgeschlossen.

  • "Hallo lieber Freund, wenn Du mit mir Gassi gehen möchtest, dann kalkuliere bitte mit ein, daß mein Hund Dich mal eben beißt, ins Gesicht oder sonst wohin, eben weil halt, und Du danach ins Krankenhaus mußt".


    Ne, also sorry, was für eine Vorstellung und auch wenn es anscheinend als immer normaler betrachtet wird, daß Hunde beißen und verletzen (und nicht nur schnappen), in meiner Welt läuft dann gewaltig was schief.

  • auch wenn es anscheinend als immer normaler betrachtet wird, daß Hunde beißen und verletzen

    Das ist der Gegenpol zum "früher".

    In meinem Früher war das die normale Annahme, dass ein fremder Hund bei Fehlverhalten des Menschen so reagiert. Es war normal zu wissen, dass Tiere zu tierischen Dingen in der Lage sind.

    Es waren keine Spielzeuge, die mal eben jeder antatscht.


    Was vollkommen unnormal war: Leuten erklären müssen, dass sie ihre Finger bei sich behalten sollen, wenn sie sie behalten möchten. Dass sie nicht auf Weiden steigen, über oder durch Zäune greifen. Dass es eine richtig dumme Idee ist, so knapp wie möglich neben einem Hund auf dem Fahrrad vorbei zu fahren oder vorbei zu rennen und sich vorher nicht anzuzeigen.


    Gebissen wurden? Was hast DU gemacht?

    Nicht, was hat das Tier gemacht.


    Aber mein Früher war ländlich mit jeder hat Tiere, jeder hat Grundverständnis von Tieren und ihren Grenzen und ganz wichtig: Viel weniger Menschen und Tieren auf viel mehr Fläche.


    Dennoch war das die komplett normale Annahme, ohne deswegen panisch durch die Gegend zu rennen. Es war "Wenn ich mich vernünftig benehme und die Grenzen achte, geb ich dem Tier keinen Grund" :ka: So simpel. Genau wie niemand davon ausgeht, dass er täglich im Straßenverkehr dreimal überfahren wird, WENN er sich an die Regeln hält und vorsichtig ist. (Passieren kann es dennoch, aber das Risiko sinkt deutlich)

    DAS fehlt mir heute ungemein. Es wird unglaublich viel von Tieren erwartet, in Bezug auf das "Funktionieren" und bloß immer schön einstecken. Aber der Eigenanteil wird fürchterlich gerne vernachlässigt von den Menschen. Ihr eigenes Verhalten gegenüber Tieren, die schon lange zu unserem Leben gehören. Da wird lieber gesagt "Woher soll denn ein Mensch wissen, dass Individualdistanz wichtig ist?" als zu sehen, dass Tiere auch nur Lebewesen sind, die das aber gefälligst alles perfekt machen sollen.


    Das ist für mich eine vollkommen verquere Ansicht.

  • Ach das ominöse idyllische Früher, wo Hunde ja angeblich häufiger beißen durften und die Leute soviel vernünftiger waren ^^


    Wie das nervt, wenn das, was man schreibt, so völlig daneben interpretiert wird. Ich hab niemals von einer rosa Blümchenwiese gesprochen, wo Hunde alles ertragen müssen.

    Das - nervt - ungemein.


    Ich kenne übrigens dieses "Früher". Da sind Hunde halt dann plötzlich weg gewesen...



    Und ach ja, zum Grundverständnis, lol. Pferde in dunklen Ställen, Hunde an der Kette, Katzen völlig verwahrlost. Das schöne idyllische Landleben mit den so naturverbundenen tollen Tierverstehern. Denn auch die gibts, diese nicht so guten Helden und die gab es massenweise auf dem tollen Land. Katzenbabies fluten heute noch!!! die Tierheime dieser Tierversteher zb

  • Also, ich weiß ja nicht... in "meinem Früher" gabs extrem viel weniger Hunde, obs mehr oder weniger Beissvorfälle gab weiß ich nicht.


    Ob schwere Bissverletzungen (und davon reden wir) "früher", wann auch immer das war, eher als normal betrachtet wurden, als heute - ich wage es zu bezweifeln.

    Sollte es so gewesen sein, bin ich froh, dass das genauso zur Vergangenheit gehört wie körperliche Züchtigung von Kindern und viele andere Dinge, um die es nicht schade ist.


    Ich denke aber, dass man das "früher" genauso wenig toleriert, aber halt anders geregelt hat. Es hat nicht jeder mitbekommen, weil kein Internet - und ein Hund, der gebissen hat, war einfach ganz schnell weg. Und man war sich weitgehend einig, dass das einfach nicht geht. Völlig egal, warum.


    Ausser, es waren Wachhunde, und dann waren die an der Kette.


    Dass man "früher" so Sachen wie zwicken, abschnappen, anspringen nicht so schlimm fand wie heute, ja, das denke ich auch. Aber wir reden hier ja von schweren Bissverletzungen.

  • Man muss nur bei dem „früher“ im Hinterkopf haben, dass die Hunde die wirklich bissig waren auch durchaus schnell weg waren, wenn sich das beißen in die falsche Richtung ging/zu viel wurde usw.

    Oder das eben solche Hunde auch oft einfach reine „Wachhunde“ waren, also an der Kette oder im Zwinger, die sollten seltenst auf dem Sofa kuscheln oder in der Innenstadt nen Kaffee trinken gehen.


    Insofern hat sich einfach sehr viel verändert im laufe der Jahre.


    Nicht falsch verstehen bei manchen Sachen denk ich mir auch, Himmel Herr schmeiß Hirn vom Himmel.

    Aber mindestens genau so oft denke ich mir das auch bei „jeder Hund muss überall mit hin müssen“ weil „Hund ist ja Hund, ganz gleich welche Rasse“ - das finde ich die bedenklichste Entwicklung.

    Denn damit verlangt man von vielen Hunden Dinge, die Sie vielleicht garnicht leisten können und sie sind die leidtragenden (+die die es abkriegen) nur weil man meint das jeder Hund Volksfest und shoppen „aushalten“ muss.

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