Leben mit schwierigem Hund - Privater Austausch gesucht

  • Zum Thema Ruhe ausstrahlen:


    Ein sehr weiser Trainer hat mir mal nahegelegt, dem Hund stets eine Stufe unter seinem Erregungslevel zu begegnen und ihn dann langsam herunterzufahren. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich selbst stresst, sondern dass man ihn - als Lauf- und Bewegungstier - in seinem Aktivitätslevel da abholt, wo er gerade steht.


    Ein Hund, der sich gerade aufregen will, wird mit einem statischen Besitzer, der sich gerade in meditativer Gelassenheit übt, wenig anfangen können und sich nicht unterstützt fühlen. Er wird so emotional völlig alleine gelassen und erhält keine Möglichkeit, seine Anspannung und Energie auf sinnvolle Weise loszuwerden.

    Natürlich wäre es die Idealsituation, den Hund auf seinem Energielevel abzuholen zu können und gleichzeitig selbst innerlich aber tatsächlich gelassen zu bleiben. Wie aber auch schon angesprochen wurde, können auch wir Menschen uns der klassichen Konditionierung nicht erwehren. So wird jeder, den einen unverträglichen Hund hat, sich unwillkürlich und auch wenn er ohne den Hund unterwegs ist, nach einer gewissen Zeit bei Hundesichtung anspannen.

    Ganz bewusst zu versuchen, sich als Besitzer / Hundeführer selbst gegenzukonditionieren, ist häufig ein erster, wichtiger Schritt und fördert oft das Verständnis dafür, dass der Hund seine Reaktion auf den Trigger genauso wenig steuern kann, wie der Mensch.

  • Fahren wir raus auf ein einsamen Feldweg, wo außer ein paar Vögeln im Feld nix los ist, kommt er soweit gut klar. Da wir in der Stadt wohnen ist das aber immer ein nicht ganz unerheblicher Zeitaufwand, aber das nehmen wir gerade halt in Kauf dafür. In der näheren Umgebung länger raus als fürs Geschäft ist aber definitiv aktuell nicht mehr möglich.

    Sieh es positiv: immerhin könnt ihr auf einsamen Feldwegen laufen. Wir können das Haus bzw. den Garten seit Monaten gar nicht verlassen. Und ich wohne nicht mal in der Stadt sondern ländlich. Frustrierend aber ich hoffe noch auf Besserung.


    Tierarztbesuch haben wir überstanden. Natürlich kam genau in dem Moment ein Hund an als wir vor der Praxis waren. Der einzige in 2 Stunden aufenthalt dort. Sky sind natürlich sofort die Sicherungen durchgebrannt und es hat ewig gedauert bis ich ihn wieder einigermaßen ruhig hatte. Ab dem Moment war dann aber alles für ihn Stress pur. Nicht das er davor entspannt gewesen wäre aber nun ja. Beim TA war er dann ganz anständig, hat allerdings tatsächlich geknurrt weil er sich die Zähne nicht hat anschauen lassen wollen. Hat er bisher beim TA noch nie gemacht. Aber generell hat er ja schon sehr die Tendenz zum schnappen. Ging aber alles gut. In 4 Wochen müssen wir nochmal nachimpfen und dann passt endlich alles.

  • Wir sind gerade organisatorisch ziemlich im Stress, deswegen komme ich jetzt erst zum Antworten.


    Lucy_Lou Danke dir fürs Teilen von deinen Erfahrungen! Ist definitiv spannend, denn ja, so eine kleine Drama Queen war er seit jeher. Vermutlich haben wir wirklich zu viel befeuert, indem wir es gut gemeint haben und ihn da stärker abfangen wollen. Was allerdings gerade echt heftig ist, ist diese Geräuschsensitivität scheinbar aus "dem Nichts". Also diese Angst vor Geräuschen wie Besteckklappern, Pfeifen, Lachen oder auch zB aktuell, wenn ich im HO einen Call annehme und Stimmen aus meinem Laptop sprechen, was er bisher schon so oft erlebt hatte und es nie ein Problem war. Dadurch entsteht gerade eine echt heftige Abwärtsspirale. Gerade Geräusche, die in der Stille passieren, sind die Schlimmsten. Oder aber Geräusche von draußen. Lüften wir zB und es gehen Leute auf dem Bürgersteig vorm Haus entlang, rennt er mit abgesenktem Hinterteil durch die Wohnung. Es ist echt ein Akkumulieren von Unsicherheitssituationen, was sich immer weiter ausdehnt und wir kriegen keinen Fuß in die Tür.

    Aber: Jetzt am WE hab ich seine Ausraster gegenüber Zweigen und Zäunen auf einem Spaziergang mal komplett ignoriert, das macht sie schon mal kürzer als wenn ich noch eingreife in den akuten Aufreger. Also ja, vielleicht ist das eine sinnvolle Richtung. Also erst mal weniger Gewese machen und dann natürlich vorher abfangen, aber auch ohne große Aufregung vermutlich.

    Was bei ihm auf jeden Fall auch hilft, ist ein souveräner anderer Hund, der ihn komplett ignoriert. Wir gehen seit mehreren Monaten mit einer 11-jährigen Sheltiehündin, die macht das so gut. Ist völlig cool und souverän unterwegs bzw. ignoriert fremde Leute und Hunde einfach und geht easy dran vorbei. Ist sie dabei, dann kommt auchber an vielen bösen Auslösern wie zB Kindern ziemlich gut vorbei oder kann sich sogar abwenden, wenn ein anderer Hund still vorbeiläuft. Wäre sonst die völlige Eskalation. Leider ziehen wir bald in ein anderes Bundesland und müssten erst mal neue Gassipartner suchen.


    Heute sollten wir übrigens auch die Ergebnisse vom Bluttest bekommen, bin gespannt. Aktuell kriegt er 2-3x am Tag CBD, das hilft zumindest indoor etwas. Auffälligster Unterschied: Er sucht körperliche Nähe. Auf einmal lehnt er sich an und lässt sich auch in der vorderen Körperhälfte ziemlich lang kraulen, bleibt stehen dabei und leckt uns manchmal auch ruhig ab dabei.

  • Die Werte sind gekommen. Werde sie gleich an unsere Verhaltens-TÄ weiterleiten. Ich dachte, ich lasse sie mal da. Haus-TÄ findet sie unauffällig trotz der erhöhten Entzündungswerte, angeblich würden alle ansteigen, wenn es eine ernste Entzündung wäre. Falls euch was auffallen sollte, nehme ichs gerne mit.


    Sorry, falls ihr in der Desktopvariante von der Größe erschlagen werden solltet, ich bin hier immer nur mobil unterwegs, da haben alle Bilder top Größen.



  • Manchmal gibt es einfach so Phasen, da würde man gern die Hunde tauschen.


    Irgendwie trifft es das ganz gut :

    Rechts sehen Sie einen kleinen braven Engel, und links eine Mischung aus ,,Kannst Du mich nicht einfach mal am Arsch ?" Und Teufelchen





    Der Herr etwas verpeilt, läuft auf der falschen Seite, aber sonst super angenehm wenn man auf ein paar Dinge Rücksicht nimmt. Irgendwie erstaunlich vernünftig für seine 2 Jahre und fragt sich regelmäßig was mit dem Weib nicht stimmt. ^^

    Und das Madamchen ? Hat das Bedürfnis nach Krawall wenn ein Fremdhund ihrer Ansicht nach zu dumm guckt, fragt sich ob man wirklich vernünftig an der Leine gehen muss, ob man nicht einfach mal auf mich scheißen kann und is halt einfach momentan bisschen deppert im Kopf. :woozy_face:

  • Ich frage mal aus Neugierde hier. Wie geht ihr mit rückgerichteter Aggression bei euren Hunden um? Wie händelt ihr die Triggersituationen konkret?


    RA ist bei Dino und mir nur sehr selten ein Thema - in 5,5 Jahren hatten wir das jetzt vielleicht 3-4x, dass er mir aus Frust/Schreck in den Arm gebissen hat. Es war niemals übermäßig schlimm oder blutig - hier und da war die Haut perforiert, aber der Rest war dann einfach eher ne fiese Quetschung. Er beißt also nicht völlig ungehemmt zu.


    Zwecks Auslöser heute zitier ich mich mal selbst:

    Tjo. Gerade vor fünf Minuten will ich meine Bande in den Garten lassen. Dino und Masha schießen direkt ans hintere Ende des Gartens und rasten aus. Ich dachte erst an nen Igel, aber als ich "Keeeeks!" höre, rutscht mir alles ausm Gesicht - läuft der Hund doch tatsächlich wieder frei und lässt sich nicht einfangen.

    Nun gut, dank Zaun dazwischen kann ja nix passieren. Also, dem Keeeeks jedenfalls nicht. Ich pflücke Masha weg, die wird still, sobald ich sie am Halsband habe. Dino aber schaukelt sich so derbe hoch, dass er anfängt, wahllos in den Zaun zu beißen. Ich fasse also betont langsam an sein Halsband - damit der Knallkopf sich nicht erschreckt - und gerade, als ich ihn am Halsband wegzerren will, dreht er sich um und hackt mir in den Unterarm.

    Gut, ich hätte es mit ihm eigentlich besser wissen sollen - er hat mich in solchen Situationen ja jetzt zum dritten Mal gebissen. Also kurz geflucht und dem Reiz widerstanden, Dino völlig rund zu machen. Das hätte in der Situation nix gebracht bzw. ihn nur weiter hochgeschaukelt - Hundehirn wegen Überlastung geschlossen und so.


    Im Grunde weiß ich ja, was seine Auslöser sind: weggezogen werden, wenn er sich gerade mordsmäßig wegen irgendwas aufregt. Die normalen Aufreger im Alltag sind davon nicht betroffen. Jetzt stell ich mir nur die Frage, wie ich genau diese Situationen künftig besser händeln kann. Heute z. B. wär's keine Option gewesen, ihn einfach am Zaun machen zu lassen und zu warten, bis der andere Hund weg ist. Dino auch im Garten nen Maulkorb tragen zu lassen kommt mir auch vor wie mit Kanonen auf Spatzen geschossen - denn die Situation gehört ja nicht zu unserem Alltag; kommt vielleicht 1x im Jahr vor (wenn überhaupt).

    Ne Leine ans HB klicken ist in der Situation auch schwierig, dafür muss ichs HB ja trotzdem kurz festhalten. Und ne Retrieverleine über den Kopf fädeln ist bei nem tobenden Hund jetzt auch eher schwierig |)

  • Wasserschlauch, Gießkannen werfen, trotzdem ignorieren.


    Ansonsten hatte ich das Glück, das bei meinem rückgerichtet hieß, blind irgendwo reinbeißen. Sprich man konnte dieses Knäul aus Zähnen immer ganz gut von sich weghalten, anbinden und daneben sitzen und weinen bis es vorbei war. Deshalb gab es immer eine Führkette für Pferde als Leine, die konnte er nicht durchbeißen. Später waren wir so weit, dass ich seine Trigger kannte und umschiffen konnte und noch später konnte ich es einfach verbieten bevor er so in Rage war.


    Trotzdem gab es mehrere, ach das geht, mal eben schnell und selbst Schuld. Jedes Mal wenn ein Zahn in mir gelandet ist, hätte ich es vermeiden können und mich mal besser auf mein Gefühl verlassen anstatt zu denken, das.

  • Ne Leine ans HB klicken ist in der Situation auch schwierig, dafür muss ichs HB ja trotzdem kurz festhalten. Und ne Retrieverleine über den Kopf fädeln ist bei nem tobenden Hund jetzt auch eher schwierig |)

    Wäre es ne Option ein kurzes Stück Leine dauerhaft am Halsband zu haben wenn er im Garten ist? So dass du nicht direkt ins Halsband greifen musst? Oder ist die Gefahr, das er damit wo hängen bleibt zu groß? Oder bringt es vielleicht auch gar nichts?


    Dann würde ich auch sowas wie ne Gieskanne griffbereit haben.

  • Ich übe für solche Fälle mehrerlei Dinge:


    Die allgemeine Ansprechbarkeit. Also: es wird nicht (mehr) blindlings in den Garten hinausgeschossen, egal welcher Trigger da auf der anderen Seite des Zaunes ist. Hier beginne ich ganz einfach (ohne jeglichen Trigger) und dann steigere ich die Schwierigkeit nach und nach, bis der Hund wirklich ohne Nachzudenken auf mich hört, weil er die Erfahrung gesammelt hat, dass es sich immer lohnt, auf mich zu hören.


    Mein oberstes und höchstes Trainingsziel bei jedem Hund ist es, dass er in - egal welcher Situation - ansprechbar bleibt. Dann muss ich ihn nicht anfassen, sondern kann ihn ansprechen, umlenken und mit Futter belohnen. Das Futter dient in solchen Momenten für mich als Information, ob der Hund noch fressen kann oder ob er schon so drüber ist, dass ich erst gar nicht mehr versuchen muss, mit ihm in Kommunikation zu treten. Dann halte ich aber auch für Giesskannen, etc. für wenig sinnvoll. Verstärkt nur die für ihn eh schon aus dem Ruder gelaufene Situation. Dann kommt noch 'sein' Mensch und haut ihm zu allem Elend auf die Rübe. Da würde ich als Hund im nächsten Mal auch eher noch vehementer werden und schneller zubeissen, als mich abzuregen. Ich überlege mir im Vorherein also schon einen Schlachtplan und mache mir Gedanken dazu, was ich in Hinblick auf welches Trainingsziel wie (positiv oder negativ) verstärken will. Und ja, 'Fressen / Spielzeug / Ball annehmen in jeder Situation' kann man üben.


    Zweitens: gib Druck am Halsband / Geschirr nach. Gerade in Stresssituationen. Auch da beginne ich ganz ohne Ablenkung und steigere die Schwierigkeit und Trigger. Aber immer so, dass der Hund das, was ich von ihm verlange, noch leisten kann, damit ich eine nachhaltige und langfristige Lernerfahrung schaffe, bei welcher der Hund nicht mehr überlegt, sondern aus Reflex das richtige tut (weil er es in der Vergangenheit schon so oft genauso gemacht hat). Das bedingt aber wirklich konsequentes, geschicktes und häufiges Training. Ganz so einfach ist das nicht. Und es ist zeitintensiv.


    Im Zweifelsfall schütze ich mich: ich lasse die Finger vom Hund (eben: 'soll er halt toben') oder - wenn die Gefahr besteht, dass er durch den Zaun geht und entweder sich oder andere gefährdet - ziehe ich mir Schutzkleidung an (ich hab immer dicke Handschuhe und eine Schutzjacke bereitliegen) bevor ich den Hund da wegbringe. Idealerweise verhindere ich die Situation durch mein vorausschauendes Handeln aber, bevor sie überhaupt entstehen kann.

    In Kurzform: ich versuche also wirklich im Alltag auf die kritischen, 'nicht händelbaren' Situationen hin zu trainieren und das gewünschte Verhalten unter unproblematischen Bedingungen so bombenfest zu etablieren, dass der Hund in dem einen Moment, den ich nicht unter Kontrolle habe und in dem ich genau dieses Verhalten brauche, 'richtig' reagiert. Danach verbringe ich wieder sehr viel Zeit damit, ebendiese ganz wenigen Verhalten (in diesem Falle Ansprechen, Keks fressen / Spielzeug nachlaufen, Nachgeben) bis zum Gehtnichtmehr zu festigen.

    Es ist eine Menge Aufwand, gerade wenn eine Situation nur alle paar Jubeljahre auftritt. Ich verstehe auch, wenn sich jemand diesen langwierigen Trainingsweg, gerade mit einem älteren Hund, nicht mehr antun will und stattdessen einfach auf Management (Hund kriegt keine Gelegenheit mehr, an den Zaun zu stürzen) setzt.

  • Dann halte ich aber auch für Giesskannen, etc. für wenig sinnvoll. Verstärkt nur die für ihn eh schon aus dem Ruder gelaufene Situation

    Definitiv. Da geht's auch nicht um Erziehung durch Strafe. Sondern um den Hund, den ich gerade auf keinen Fall anfassen möchte, irgendwie von mir wegzutreiben, um ihn aus der Situation zu kriegen.

    Reines Notfallmanagement, wenn eh alles zu spät ist.


    Das man selbstverständlich außen rum trainiert und es Ziel ist, solche Momente nicht entstehen zu lassen und für den Fall das doch, die Möglichkeiten das anders zu lösen erweitert ist hoffentlich klar.

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