Der Rüde und die läufige Hündin

  • Ich muss das nicht machen, ich mache das, weil ich Bock darauf habe. Darum geht es ja auch gar nicht.

    Mein Nerv ist, dass ich mich zu einem Kurs anmelde, um bestimmte vorher ja festgelegte Trainingsinhalte zu üben. Und dass in diesem Kurs nun "plötzlich" eine Ablenkung existent ist, die mich daran hindert mit meinem Hund vernünftig an den Themen des Kurses zu trainieren. Stattdessen MUSS ich nun etwas anderes trainieren oder kann halt gar nicht teilnehmen. Weder hat mein Hund ein Problem mit den Anforderungen des Hundeführerscheins, noch würde mich die Trainingssituation grundsätzlich stören. Es stört mich nur, dass ich etwas anderes gebucht habe.
    Wenn aber die Meinung hier ist, dass die meisten Rüden unter dieser Ablenkung normal arbeiten würden und es eben das Problem meines Rüden ist, dass er das nicht kann, dann ist das doch okay. Mein Hund, meine Verantwortung. Muss ich mir eben zukünftig überlegen, wie ich mit solchen Situationen umgehe, ob ich das expliziter trainieren werde, damit ich keinen "Ausfall" habe oder ob ich das einfach so hinnehme und unter Pech verbuche.

    Ich denke, die Hundewelt ist da geteilter Meinung:

    Manche schließen läufige Hündinnen von Kursen und Prüfungen aus,

    manche schaffen erleichternde Umstände (Absprache mit Rüdenbesitzern, mehr Abstand, Start als letzter in der Prüfung)

    und manche sagen ist trainierbar, Erziehungssache und packen zwei intakte Hunde sogar zusammen in einen Kofferraum.


    Ich meine, mit manchen Rüden hat man’s leichter, mit anderen schwerer.

    Ich hab nen inzwischen 9 jährigen intakten Rüden, den nur Hündinnen zum perfekten Zeitpunkt und weniger als 2m Abstand interessieren. Dann aber so sehr, dass Gehirn grad noch nen Rückruf zu mir schafft, aber Komplizierteres ist dann nicht mehr drin.


    Ist im Prinzip wie mit allen anderen Faktoren, die verhindern können, dass Gelerntes zu 100% gezeigt wird: Wetterfühligkeit, Jagdtrieb, Unsicherheit/Sensibilität, Unverträglichkeit


    Ist alles individuell ausgeprägt, gewöhnbar, unter Gehorsam deckelbar —- oder auch nicht.


    Ich werd mich da nicht “in die Schlacht werfen” für die eine, oder andere Seite. Wobei ich schon Mitgefühl für die Halter läufiger Hündinnen habe, die sich nicht einschränken wollen, nur weil die anderen Hunde nicht mehr arbeiten können.


    Im Pferdesport hab ich noch nie erlebt, dass überhaupt gefragt wird, ob eine Stute rossig ist.

    Hengste sind seltener als intakte Rüden (so mein Eindruck). Aber gerade in den höheren Klassen oder bei ehrgeizigen Reitern sind sie dann auch wieder sehr häufig.


    Da ist es auch so: Manche sind erstaunt, dass jemand sich einen Hengst “antut”. Wohingegen überzeugte Hengsthalter sagen, daran ist nichts “schlimm” oder “wild”, Konsequenz und Fachkenntnis sei alles. Es also auch sehr machbar klingt.


    Was ich damit sagen will:

    Fühl dich nicht schlecht oder unnormal, nur weil es für Timur und dich eventuell ein anstrengendes Stück Arbeit ist.

  • Da kann ich mir so nichts drunter vorstellen. Wie sagst du deinem Hund, dass ihn die Hündin nicht zu interessieren hat und er bitte entspannt sein soll?

    Also erstmal ist das "normal" und keine Ausnahme. Mein Rüde ist mit läufigen Hündinnen aufgewachsen, wir fahren zusammen in den Urlaub usw.

    An Pinkelstellen wird sich nicht festgeschnüffelt, es wird nicht bedrängt, es wird nicht gezogen.

    Ich belohne jedes Verhalten, wo er sich abwendet oder "Hundedinge" macht, also normal schnüffelt, mit mir interagiert usw. Und gleichzeitig eben Abbruch beim kleinsten Reagieren auf die Hündin. Rückzugsmöglichkeiten ohne den Hund im Gehorsam zu führen. Für mich hat Gehorsam oder Unterordnungstraining vom Hundeplatz nichts mit Erziehung zu tun.


    Ich bin sogar gemein, ich fordere auch Leistung vom Hund und Konzentration, wenn eine läufige Hündin da ist. In kurzen Situationen, die man schnell auflösen kann, auch tatsächlich über Deckeln (und nach der Situation gibt's dann Stress release), insbesondere bei Stehtagen. Irgendwann folgt auch da eine Gewöhnung.


    Ein Hund hat so eine feine Nase, mir kann keiner erzählen, dass der in den ersten paar Tagen der Läufigkeit schon völlig ausflippen muss. Das tun eigentlich nur Rüden in meinem Umfeld, wo läufige Hündinnen direkt aus der Hölle kommen..


    Mit läufigen Hündinnen fühlt man sich ja eh wie ein Aussätziger. Da hab ich persönlich ziemlich etwas gegen.

  • Also unsere Themen sind in erster Linie stressbedingt. Wer weiß, vllt führt dieser Overload an Stress nun auch dazu, dass er beim nächsten Training dann völlig relaxt ist. Keine Ahnung, ob das lerntheoretisch möglich ist.

    Ich hab speziell mit HSHs wirklich null Erfahrung, aber habe hier selbst einen Hund mit Stress-Thema sitzen und wir haben in den letzten Jahren auch viel über Gewöhnung gearbeitet.


    Das Ding mit der Gewöhnung ist halt, dass man seinen Hund nicht wirklich an Stress als solchen gewöhnen kann. Was man aber tun kann, ist, einen Hund an bestimmte Situationen gewöhnen. Die Krux daran ist allerdings, dass Hunde so unglaublich situationsbezogen lernen. Heißt, einen Hund immer wieder in stressige Situationen zu bringen und die dann mit mindestens genauso gestresstem Hund wieder zu verlassen, bringt überhaupt nichts und gleich gar keine Gewöhnung an die jeweilige Situation. Das einzige, was Hund dabei lernt, ist, dass eben diese Situation ganz viel Stress bedeutet.


    Wenn man Gewöhnung üben möchte, muss man schauen, dass der Hund sich in der Situation entspannt. Nur dann findet ein sinnvoller und langfristiger Lerneffekt statt. Dazu gibt es verschiedene Methoden: Manche arbeiten tatsächlich mit einem Stress-Overload und bleiben so lange in der stressigen Situation, bis Hund sich entspannt (oder aufgibt, je nachdem, wie man es sieht und wie kompetent sowas durchgeführt wird). Mein Weg ist aber z.B. eher die sanfte Gewöhnung. Ich schaue, dass ich meinen Hund so kleinschrittig an Situationen heran führe, dass er es noch leisten kann, nach anfänglicher Aufregung von selbst zu entspannen. Dadurch tritt dann tatsächlich sowas wie eine Gewöhnung ein, weil Hund die jeweilige Situation nicht mehr mit Stress, sondern mit der nachfolgenden Entspannung verknüpft.


    Wenn es dir nicht um den Schein geht, sondern darum, dass dein Hund lernt, Situationen in der Stadt/in der Gruppe entspannt zu meistern, dann hätte ich das Training deshalb tatsächlich spätestens dann abgebrochen, als dein Timur selbst angezeigt hat, dass es ihm zu viel ist und du bemerkt hast, dass da in der Situation gerade kein Lern- bzw. Gewöhnungs-Effekt in Gang kommt. Ist dann zwar ärgerlich, aber es bringt euch doch beiden nichts, wenn du nicht das trainierst, was du trainieren wolltest und dein Hund auch nichts Sinnvolles dabei lernt.


    Ob bei euch generell Bedarf besteht, den Umgang mit läufigen Hündinnen zu trainieren (bzw. ob es den Aufwand wert ist), musst du wissen. Ich für meinen Teil finde es aber nicht so ungewöhnlich/behandlungswürdig, dass ein intakter Rüde in Anwesenheit bestimmter läufiger Hündinnen auch mal arg gestresst ist. Und erst recht sehe ich da kein zwangsläufiges Defizit in der Erziehung und Führung, dafür ist das Thema Sexualstress einfach viel zu individuell.

  • Rückzugsmöglichkeiten ohne den Hund im Gehorsam zu führen.

    Das heißt, du lässt ihn solange an der Hündin rummachen bis er sich von selbst zurückzieht? Oder an der Leine/Zaun. Wie muss ich mir das Vorstellen, dass du daran ohne Gehorsam einzufordern arbeitest?

    Sorry, wenn ich darauf rumhacke, aber es nervt mich echt. Der Hund ist ein Kangal, der läuft ganz sicher nicht im Hundeplatzfuß neben mir her, sondern bekommt halt EINE Ansage, dass der an der Hündin nichts zu suchen hat und die akzeptiert er. Und dann ist er eben aufgeregt, weil er nicht hin darf. Das ist doch nun wirklich nichts, wo ich jetzt davon ausgehen muss, dass mein Hund da größere Defizite oder Probleme hat. Sicher ist immer alles irgendwie noch zu verbessern, ist dann aber eben, wie hier ja eigentlich alle schon sagten, eine Frage der Gewöhnung und damit eben auch der Übungsmöglichkeiten. Ob ich diese Übungsmöglichkeiten habe oder mir beschaffe, muss ich mir überlegen (Insbesondere weil er ja gar nicht auf jede läufige Hündin so reagiert). Für mich spricht eigentlich eher vieles dafür noch weiter am allgemeinen Stressmanagement zu arbeiten.

    Hier ging es um die konkrete Situation, in der ich mich befunden habe und die ich als nervig empfunden habe und ich habe konkret danach gefragt, wie ihr dann so eine Situation händeln würdet. Dass ihr eure Hunde ganz toll vorher schon mit tausend läufigen Hündinnen gearbeitet habt und die das einfach nicht zu stressen hat, das hilft jetzt wie? Auch mein Hund kennt läufige Hündinnen und wurde bereits mit ihnen gearbeitet, das half mir in dieser Situation aber konkret nichts. Wenn bei euch das gemeinsame Training immer mit allen läufigen Hündinnen in nächster Nähe gut funktioniert, ist doch gut, freut euch.

  • Das heißt, du lässt ihn solange an der Hündin rummachen bis er sich von selbst zurückzieht? Oder an der Leine/Zaun

    Wo liest du das heraus?



    Sorry, wenn ich darauf rumhacke, aber es nervt mich echt

    Es tut mir leid, dass du hier eine Frage stellst und dann genervt bist. Immerhin versuchen ja doch einige auf deine Frage und Situation einzugehen. Dass du da genervt bist von den Antworten (von meiner Antwort), stößt mich ziemlich vir den Kopf.

    Der Hund ist ein Kangal,

    Ich habe keine Ahnung von dem Typ Hund. Sexuelle Aufregung ist aber für mich nichts, was sich in Rassetyp niederlegt.


    Ein Hund kann sich auch selbst entscheiden, das (für mich!) richtige Verhalten auszuüben. Das forciere ich. Und so geht auch erziehen und lernen. Nicht über Gehorsam. Damit deckelt man eben und daraus kommt der Stress. Genau das machst du in der Hundeschule. Deswegen der Konflikt und der Stress.


    Man gibt dem Hund einen Rahmen und darin bekommt er Anleitung und Lob für das Richtige und einen Abbruch für das unerwünschte Verhalten. Das ist doch kein Geheimnis. Und das braucht Zeit und Gelegenheit zu üben. Im Abstand des Hundes und mit Erfolgen, was in diesem Sinne heißt, für den Hund weniger Stress.

  • Das heißt, du lässt ihn solange an der Hündin rummachen bis er sich von selbst zurückzieht? Oder an der Leine/Zaun

    Wo liest du das heraus?

    Du schriebst, dass du dem Hund Rückzugsmöglichkeiten bietest, ohne dass du in der Situation Gehorsam verlangst.


    Zitat

    Es tut mir leid, dass du hier eine Frage stellst und dann genervt bist. Immerhin versuchen ja doch einige auf deine Frage und Situation einzugehen. Dass du da genervt bist von den Antworten (von meiner Antwort), stößt mich ziemlich vir den Kopf.

    Eigentlich eher von der ersten auf Seite 2 und nicht der jetzigen. Die Lösung erscheint eine Mischung aus Gehorsam, Gewöhnung und Stressbewältigungsstrategien zu sein. Es gibt aber keine Lösung, wie ich akut in der Situation hätte meinen Hund verbieten können, gestresst zu sein. Wenn man dann ein: "Der darf das halt nicht.", antwortet, dann bringt das mir in der Frustsituation einer mehrfach verkorksten Trainingssituation halt nichts.



    Zitat

    Ich habe keine Ahnung von dem Typ Hund. Sexuelle Aufregung ist aber für mich nichts, was sich in Rassetyp niederlegt.

    Der Hinweis auf die Rasse bezog sich auf den Eindruck, den ich scheinbar vermittelt habe, dass mein Hund dauerhaft "im Gehorsam" gehalten wird, um der Reizsituation zu begegnen. Das was wir in der Hundeschule tun, das hat halt schon mehr mit Alltagserziehung als mit Hundeplatzgehorsam zu tun. Da geht's um Aufmerksamkeit, Ruhe, Impulskontrolle, Ansprechbarkeit, Habituation, Sozialisation usw. und natürlich geht es auch darum, dass der Hund tut, was man ihm sagt (also dem klassischen Gehorsam).



    Zitat

    Ein Hund kann sich auch selbst entscheiden, das (für mich!) richtige Verhalten auszuüben. Das forciere ich. Und so geht auch erziehen und lernen. Nicht über Gehorsam. Damit deckelt man eben und daraus kommt der Stress.

    Man gibt dem Hund einen Rahmen und darin bekommt er Anleitung und Lob für das Richtige und einen Abbruch für das unerwünschte Verhalten. Das ist doch kein Geheimnis. Und das braucht Zeit und Gelegenheit zu üben. Im Abstand des Hundes und mit Erfolgen, was in diesem Sinne heißt, für den Hund weniger Stress.

    Und aus welchem meiner Beiträge hast du nun geschlossen, dass ich anders arbeite? Ich habe sogar explizit erwähnt, dass sich Timur aus der Situation befreit, in dem er sich an mir orientiert und meine Nähe sucht und eben nicht dem naheliegendem Impuls nachgeht und zur Hündin rennt. Er akzeptiert meine Grenze (die ich über Gehorsam eingefordert habe) und sucht in diesem Rahmen nach Lösungen und ich erkenne das und möchte ihn deswegen auch die Ablage ohne mich nicht aufzwingen oder eben generell die Nähe zur Hündin, die er ja aktiv schon versucht zu meiden, obwohl ihm seine Hormone etwas anderes sagen.

    Ich habe ja mehrfach gesagt, dass mein Problem nicht der Gehorsam in der Situation ist und auch nicht die fehlende Bereitschaft Timurs mit der Situation zurecht zu kommen, sondern dass ich mir eben Gedanken mache, weil eben diese beiden Punkte NICHTS mehr zu wünschen übrig lassen und die Situation eben trotzdem so unangenehm und stressig für ihn ist und ich mich halt frage, wie ich solche Dilemmata am besten für mich und den Hund lösen kann.

  • Daheim bleiben, gewöhnen oder trainieren mehr Möglichkeiten gibt es nicht

    Bzgl. der Gewöhnung gibt es hier ja unterschiedliche Ansichten, ob die Teilnahme an der Trainingsstunde diesbzgl. etwas gebracht hat. Um zu trainieren braucht man entsprechende regelmäßige Trainingsmöglichkeiten. Daheim bleiben wäre halt die traurigste Option, wenn man so einen Kurs gebucht hat.

    Theoretisch gäbe es noch die Möglichkeit zu kastrieren (nur theoretisch ;-) )
    Oder halt einfach ignorieren und aussitzen und unter Pech verbuchen.

  • Ich lerne ja auch gerne dazu, deswegen hätte ich gerne eine Erläuterung hierzu: wenn ich die Ruhedecke wie Du es vorschlägst aufbaue, wie hilft mir das unterwegs? Oder innerhalb einer Trainingseinheit, wo z. B. bei Fuß gehen geübt werden soll?


    Denke da habe ich jetzt einen Zwischenschritt nicht richtig durchschaut. Wie komme ich dann von der Ruhedecke an den Punkt, wo er sich dann auch ohne Hilfsmittel selbst regulieren kann?



    Der Hund lernt eben mit den Ablenkungen umzugehen, und sich mit diesen auseinanderzusetzen. Aber nicht indem ich ihn in die Situation schmeisse und sage : gewöhn dich gefälligst daran. Je nach Ablenkung wird er sich nicht daran gewöhnen, egal wie lange er darin hängt. Aus diversen Gründen funktioniert das manchmal nicht.

    Sondern in kleinen Portionen, unterbrochen von Handlungen, die ihm bekannt sind und mit aktiver Entspannung verknüpft sind. Der Hund fällt deswegen nicht ins Koma. Aber die Spannung fällt rapide ab, der Tonus reguliert sich, die Impulskontrolle steigt dadurch massiv an. Und dann ist der Hund auch lernfähig. Dann kann ich etwas üben, etwas abfragen, etwas aufbauen. Wird es zu viel, nehme ich ihn wieder raus und verordne eine Pause, die dann etwas beinhaltet das ihm hilft.


    Es geht nicht darum, dass der Hund im Tiefschlaf auf einer Decke liegt. Die hilft bloss zu Beginn als bekannter Ort, die Spannung wieder in den Griff zu bekommen. (Ersetze Decke durch ein anderes Target, wenn das komisch klingt , denn genau das ist die Decke in dem Fall) auslüften, dann weiterarbeiten.

    Und eben, irgendwann wird sie überflüssig, weil Hund ist ja lernfähig und kann mit der Zeit damit umgehen. Dann reicht es irgendwann, als Hilfestelung ein paar Leckerchen ins Gras zu streuen oder so

    Bis dahin hat der Hund aber schon ganz viele Lernschritte durch. So fallen die Unterstützungen nach und nach weg, weil überflüssig.


    Und nein, sicher nicht jeder Hund braucht es. Aber die, die es benötigen profitieren enorm davon.


    Wenn es dich mehr interessiert: Viviane Theby.

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