"Der Halter macht den Hund" - viel Wahres dran oder eher eine Binse?

  • Bei uns ist es, aus unerfindlichen Gründen, exakt anders rum. Bin ich mental ausgeklinkt, bleibt Eros direkt bei mir. Wenn er weiß, ich folge ihm mit Auge, Ohr und Füßen, dreht er viel größere Kreise. Aber bleibe ich stehen, weil ich ein Foto von irgendwas mache oder eine whatsapp beantworte, kommt er zu mir und bleibt neben mir.

  • Also ja doch einfach schlicht aufpassen. Weil wenn man zu 100% mit was anderem beschäftigt ist passt man ja nicht auf.

    Je nach Hund reicht ein halbes Auge oder man muss mit beiden Augen, Ohren und allem 100% auf den Hund achten, klar. Bei Taro reicht ein halbes Auge, vermutlich sogar ein viertel, bei Hami brauche ich mehr.

    Aber ich scanne ja eh die Gegend, drehe mich auch immer mal um einfach weil ich keine Lust habe das von hinten lautlos wer angeradelt kommt und uns erschreckt oder so.



    Ich weiß nicht warum mir das "mental" da so schwer im Magen liegt, irgendwie klingt das so groß obwohl es ja doch einfach nur normales aufpassen ist.

    Und das "intensives Arbeiten an sich selbst".

    Weil... Ich mein, ich arbeite nicht an mir. Ich gucke was für den Hund passt, informiere mich, suche andere Wege wenn es nicht passt, aber das ist doch keine Arbeit?

    Einzig das viele Leute oft hohe Erwartungen haben, an denen sollte man dann schon arbeiten wenn der Hund das nicht leisten kann. Und sich und dem Hund auch Zeit geben, da müssen einige wohl auch dran arbeiten.

    Aber auch das würde ich nicht als intensive Arbeit bezeichnen, weil es doch zum Zusammenleben gehört. So wie man mit einem menschlichen Partner zusammenlebt, oder Kinder hat.

    Okay, wenn ich das jetzt so schreibe stimmt es doch, viele Leute haben Ziele und Ideen wie sie den Partner ummodeln wollen und die Kinder in Formen pressen wollen, mit Hunden ist es ja nicht anders. Ich bin da eher das "Problem", darum hab ich das auch nicht so verstanden hier, weil ich Hunde einfach nehme wie sie sind und gucke wie wir zusammen Wege finden, aber entspannt. (Nein, ich bin kein superdupertoller GuruÜbermensch)

  • Ich weiß nicht warum mir das "mental" da so schwer im Magen liegt, irgendwie klingt das so groß obwohl es ja doch einfach nur normales aufpassen ist.

    Und das "intensives Arbeiten an sich selbst".

    Weil... Ich mein, ich arbeite nicht an mir. Ich gucke was für den Hund passt, informiere mich, suche andere Wege wenn es nicht passt, aber das ist doch keine Arbeit?

    Bei dem Wort "mental" und diesem ganzen "ich habe eine Verbindung mit dem Hund...." tue ich mich auch extrem schwer, weil es so weich, unkonkret, irgendwie esoterisch wirkt.


    Das "intensive Arbeiten an mir" hat für mich immer dann eine Relevanz, wenn z. B. eine Eigenschaft von mir unerwünschten Einfluss auf den Hund hat und es sich für mich - vielleicht auch außerhalb der Hundebeziehung - lohnt, an dieser Eigenschaft zu arbeiten.


    Beispiel: Ich bin nicht gerade der Geduldigste. Als ich mich mal gezwungen habe, ein wenig länger auf eine bestimmte Reaktion des Hundes zu warten, war ich sehr überrascht, dass nur wenige Sekunden mehr Warten einen riesigen Fortschritt gebracht haben. Klingt vielleicht banal, war für mich aber ein echter Aha-Moment. Nun arbeite ich auch weiter aktiv am Thema Geduld bei mir. Und da gibt es auch noch 1000 andere Eigenschaften, in denen ich mich immer wieder hinterfrage.


    Allerdings mache ich das nicht nur im Hundeumfeld, sondern im Grunde schon seit Jahrzehnten (weil schon alt....). :)

  • Kann ja sein, dass das für viele eine banale Erkenntnis ist, dass man an sich "arbeiten" sollte, wenn man seine Beziehungen zu verschiedenen Lebewesen verändern will oder überhaupt gute, tragfähige Neziehungen aufbauen.

    Für mich war das in meiner Jugend eine bahnbrechende Erkenntnis.

    Erprobt habe ich persönlich halt das auch an den Hunden, mit den ich zu tun hatte. Und da z.B. Geduld und ruhig bleiben, nicht schnell wütend werden, die Fehler nicht immer nur beim anderen suchen und evtl. aggressiv reagieren mir nicht in die Wiege gelegt wurden, musste ich persönlich da schon bewusst an mir "arbeiten".

    Ich für mich kann sagen, dass mich das weitergebracht hat.

    Ich bin z.B. zwar immer noch extrovertiert und eher "laut", aber mittlerweile braucht es sehr viel, damit ich aus der Haut fahre oder nervös werde.

    Mir geht' s besser damit und ich denke auch, dass mein Umgang mit den Hunden dadurch besser geworden ist.

    Mir kommt es z.B. heute oft so vor, dass man eher erwartet, dass sich die "Umwelt" für einen ändert bzw. sich an die eigenen Befindlichkeiten anpasst, ehe man sich ernsthaft fragt, ob man nicht manchmal selbst das Problem ist. Grad auch oft in Punkto anderer Hundehalter.

  • Zum Thema nervös sein bei Hundebegegnungen …

    Natürlich beeinflusst es den Hund, wenn der Halter nervös wird, die Leine straffer nimmt, Hundi zurück zieht, weil er ja dann gleich sicher bellt. Natürlich macht man es dem Hund so schwer, souverän durch eine Hundebegegnung zu gehen.

    Anders herum glaube ich aber auch nicht, dass man immer besser durch die Hundebegegnung kommt, wenn man in einer „wir schaffen das Mentalität“ locker da durch geht.

    Da stellt sich nämlich folgende Frage: warum ist man so nervös? Bestimmt, weil man weiß, der Hund hat da ein Problem. Viele Besitzer werden ja erst nervös, weil der Hund dieses Verhalten zeigt.

    Training mit dem Hund bringt, dass solche Situationen besser werden und dann wird der Hundehalter von ganz allein weniger nervös in solchen Situationen mit jedem Erfolgserlebnis.

    Das wäre dann aber wieder mehr Arbeit am Hund, als explizit an sich selbst.


    Aber ich bin da vielleicht zu einfach gestrickt. Ich bringe meinen Hunden bei, wie sie sich verhalten sollen und zwar egal was ich tue. Und ja, die können auch lernen, mir zu folgen, wenn ich mal die Nerven schmeiße.


    Was ich natürlich dennoch tunlichst vermeide, ist es meine Emotionen auf den Hund zu übertragen. Wut und Ähnliches hat in der Hundeausbildung nix verloren. Und Geduld muss jeder irgendwo ein bisschen mitbringen / lernen.


    Was mit dem „mental ausklinken“ gemeint ist, check ich nicht 🙈

    Falls es einfach nur ein „nicht aufpassen“ ist, dann verstehe ich da das Problem nicht.

  • Mir kommt es z.B. heute oft so vor, dass man eher erwartet, dass sich die "Umwelt" für einen ändert bzw. sich an die eigenen Befindlichkeiten anpasst, ehe man sich ernsthaft fragt, ob man nicht manchmal selbst das Problem ist. Grad auch oft in Punkto anderer Hundehalter.

    Ich musste gerade schmunzeln, weil es bei mir genau andersherum ist.

    Ich habe mich früher ständig selbst hinterfragt. Und zwar so weit, dass ich mir ständig Druck gemacht habe, alles richtig zu machen, weil ich, wenn es nicht lief, fest davon überzeugt war, dass ich ganz persönlich etwas hätte anders/noch besser machen können.

    Eines meiner größten Learnings mit einem zuweilen verhaltenskreativen Hund war aber, dass manche Dinge nicht an mir liegen, sondern einfach sind, wie sie sind. Denn es ist vollkommen egal, wie sehr ich daran arbeite, dass ich mehr leisten kann, wenn mein Hund ab einem gewissen Punkt einfach nicht mehr leisten kann.


    Ich sehe deshalb auch die Aussage, "Jeder Hund kann ... lernen (wenn man es nur gut genug anstellt)." sehr zwiegespalten. Mein Hund ist sicher nicht die Norm, aber der kann viele Dinge tatsächlich einfach nicht lernen und wird es auch nie können. Einfach, weil bei ihm die exekutiven Funktionen fehlen, die es dazu bräuchte und er sich dadurch mit dem Lernen an sich schwer tut. Ist halt so, wir können damit umgehen, aber das setzt nunmal gewisse Grenzen des Machbaren.


    Mir hat es jedenfalls richtig gut getan, mal weg von dieser ganzen Selbstoptimierung zu kommen und zu akzeptieren, dass das Problem in manchen Situationen auch einfach mal der Hund sein kann und darf. Das ist weder als Ausrede noch als Schuldzuschreibung gemeint (der Hund kann ja auch nichts dafür, das er ist, wie er ist), aber bei manchen Hunden ist die Grenze des Möglichen einfach limitierter als bei anderen, ganz egal, wie perfekt man als Halter in den Situationen reagiert.


    Ich sehe deshalb ein pauschales "um erfolgreich mit dem Hund zu arbeiten, muss man an sich selbst arbeiten" kritisch. Das mag für manche sicher zutreffen, aber für Menschen, die sich ohnehin schon sehr viel selbst hinterfragen und ständig versuchen, an sich zu arbeiten, ist das meiner Erfahrung nach eher kontraproduktiv, da noch mehr auf Selbstoptimierung zu drängen.

  • Selbstoptimierung

    Ohne das geht es ja scheinbar eh nicht mehr.


    Bei der Ernährung, Work-Life- Balance, Sport, etc.

    Überall soll man sich selbst optimieren und verbessern.


    Genauso in der HH.

    Die Ansprüche und der Druck sind enorm gestiegen, seit die Hundedichte so groß ist und der Optimierungszwang alle Bereiche erfasst hat.


    Viele können und wollen es sich schlichtweg nicht mehr leisten, Fehler zu machen, oder sich einzugestehen, dass irgend etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben.


    Dass dabei aber noch ein Lebewesen involviert ist, das sich eben nicht so optimieren lassen kann oder will, wird dabei oft vergessen.


    Die Anforderungen an den Hund sind massiv gestiegen. Der Hund muss überall funktionieren und soll möglichst nicht auffallen.


    Das erhöht den Druck auf den HH und schon ist man in einer Spirale aus Unzufriedenheit und Optimierungszwang.


    Und das verändert natürlich auch die Haltung, die man in der Hundeerziehung an den Tag legt.

    Schön, wenn es da gelingt etwas locker zu bleiben und eine "Leck mich am Ar..."- Haltung zu behalten.


    Ich gebe zu, mir fällt das nicht leicht!

  • Ach auch wenn man das meist recht gut hin bekommt kanns trotzdem immer sein dass man das mal nicht schafft und sich doch mal ärgert. Is normal.

    Sei es, weil man nen stressigen Tag hatte...

    Weil man grad nicht so auf der Höhe ist...

    Oder weil einen das ggü irgendwann einfach echt nervt.


    Hier gibt's mindestens 2 Hund-Mensch Konstellationen die gehen mir selbst auf den Keks.

    Und genau bei sowas nervts dann halt auch durchaus mal wenn mein Hund mal rückfällig wird.

    Aber mir dabei nichtmal selbst ,,Dumme Nuss/Arschloch" zu denken is halt dann irgendwie nicht drin.

    Wir sind ja keine meditativen Buddhas oder Roboter xD

    Und irgendwo isses auch normal dass man sich ärgert.


    Aber andererseits, um mal von einem der Hundeplätze hier zu zitieren: ,,Wenn jemand mit dem Hund arbeiten möchte und dann schon mies gelaunt auf den Platz kommt kann der gleich wieder gehen."

    Klingt zwar doof macht aber durchaus Sinn. Weil wenn mab selbst schon dauernd frustig is oder genervt und somit schon ne Grundanspannung drin ist, wie soll man da souverän auftreten ?

    Gibt natürlich auch Hunde die bockt sowas 0, kommt daher einfach auch viel drauf an wie stark der Hund auf sowas reagiert.

  • Ich meine damit nicht mal das, was man heute so neoliberal unter "Selbstoptimierung" versteht.

    Die dient ja dazu, dass man kompatibel mit den Anforderungen wird, welche die Gesellschaft/die Arbeitswelt an einen stellen.

    An sich und seiner Persönlichkeitsbildung zu arbeiten, heißt für mich, der Mensch zu werden, der man sein will und im Range der eigenen Möglichkeiten sein kann. Dann wäre das Ziel nicht, den Anforderungen von Aussen zu genügen, sondern sich als Mensch so zu finden, dass man in sich selber ruhen, bei sich sein kann.

    Dieser Zustand hat m.E. Auswirkungen auf die Umwelt und den Hund. Man wirkt authentisch und weckt Vertrauen, behaupte ich mal. Solchen Menschen schließt man sich lieber an.

    Hm, hört sich jetzt wirklich ein bisschen esoterisch an. :ka:

    Es ist aber auf jeden Fall nicht Selbstoptimierung gemeint und ganz sicher nicht, geht es mir persönlich darum, was die anderen von einem selbst und dem Hund halten. Mir nervt nicht, dass der Hund pöbelt, weil die anderen das doof finden könnten. Sollen sie doch! Mich nervt es, weil es unnötig ist, sich relativ grundlos über einen anderen Hund aufzuregen, wenn man da nur im Abstand vorbei will. Mich nervt unnötige Aufregung und Rumgemotze bei jedem Lebewesen und wenn ich es irgendwie abstellen kann, stelle ich das ab.

    Beim Hund kann ich das. (Abgesehen davon tut das sich reinsteigern und hochfahren dem Hund auch nicht gut.)

  • PS. Und ja selbstverständlich hat man mal einen schlechten Tag, ist "ausser sich", dünnhäutig und ist dann auch so, wie man eigentlich nicht sein will.

    Nachsicht mit sich selber, seinen Fehlern und denen der anderen gehört auch dazu.

    Sonst würde man ja irgendwie unmenschlich.

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