Tourismus vs. Bedürfnisse der Einwohner - Diskussion

  • Ich wohne hier ja in einem Ort, der eigentlich nur für oder wegen der Touristik existiert. Früher saisonal, inzwischen das ganze Jahr, mit ein paar Höhepunkten wie Festival.

    Es geht halt nicht um Natur-Touristen, sondern hauptsächlich Autos und Rennbahn. Das ist schon was anderes, denn da verirren sich nur wenige auf die Wanderwege.


    Dieser Ort - eine Stadt, Sitz der Verbandsgemeinde und Verwaltung - hat unter 3000 Einwohner, 5 Supermärkte, ein paar Bäcker, zig verschiedene Ärzte, alle Schulen, Klamotten- und Kramsläden, Restaurants/Imbisse und bis letztes Jahr sogar noch ein eigenes Krankenhaus. Ich bezweifle, dass es diese Infrastruktur ohne die Touristen gäbe.


    Selbst zu den Stoßzeiten gibt es nur Probleme mit den Touristen, die Regeln, Gesetze und Anstand zuhause gelassen haben. Und das wird wohl überall gleich sein. Das ist auch das Einzige, was mich stört, wobei ich diese 'Regeln bleiben zuhause' Sache vor allem an der Hundehaufenmentalität merke wenn ich selbst in Touristengebieten im Urlaub bin.

    Bei uns ist es die Fahrweise auf den Straßen, die leider mitunter echt gefährlich sein kann. Hilft halt auch nix wenn hundert sich super benehmen und dann kommen zwei und meinen, man kann schon 2km vor der Nürburg-Ring-Auffahrt Vollgas geben.


    Wirklich katastrophal empfinde ich nur den Carfreitag. Das ist kein offizielles Event, und da werden in einer gewissen Szene gezielt und mit Absprache alle Regeln und Gesetze gebrochen.


    Bis kürzlich wurde übrigens grundsätzlich dann von der Polizei kontrolliert, wenn kaum Touristen da sind. Die werden auch seltener angehalten und allgemein milder behandelt - und das geht gar nicht, mMn. Die Aussage kam sogar inoffiziell von offizieller Stelle, dass diese Anweisung erteilt worden sei.

    Zum Glück hat sich da einiges getan, zwar vielleicht noch nicht so, wie man sich das wünschen würde, aber rein persönlich kann ich mit dem aktuellen Stand leben. Dass es Tage gibt, an denen man besser nicht die Straße überquert und schon gar keine An- bzw. Abreise zum Wohnort plant, ja gut, das ist halt so und der Preis für das, was wir hier haben.

  • Kleine Anekdote am Rande, ich war schon am Louvre, am Schloss Versailles und Schloss Neuschwanstein. Nur nicht drinnen. Weil die Schlangen bzw wartenden Busse davor (NSS) so dermaßen lang und viel waren, dass wir uns das nicht gegeben haben.

    Als Kind war ich in den Sommerferien mit meinen Eltern in Frankreich. Die ersten paar Tage haben wir Paris angeschaut, danach sind wir einige Tage durchs Loiretal gereist und haben u.a. Schlösser besichtigt und zum Abschluss gab es noch zwei Wochen Strandurlaub an der Atlantikküste. Es war eine wunderschöne Reise mit vielen tollen Eindrücken und Erlebnissen.


    Auf der Heimfahrt fragten mich meine Eltern, was mich in den vergangenen dreieinhalb Wochen am meisten beeindruckt hätte. Ich antwortete: „Die unendlich langen Menschenschlangen vor Schloss Versailles!“


    Das war übrigens im August 1980.

  • Hier sind die Stimmen die sich wünschen dass die Einsätze (die im Moment für alle kostenlos sind) in Rechnung gestellt werden wenn durch absolute Fahrlässigkeit/falsches Equipment/unzureichende Fähigkeiten verursacht immer lauter und ich kann das wirklich nachvollziehen.

    Ist halt schwierig zu beurteilen was fahrlässig ist.


    Ich bin viel mit Sandalen auf 2000 und höher.

    Kleidchen trage ich nie, aber mit Rock gehe ich im Sommer gern an den Berg.

    Und zu 95% trage ich Laufschuhe wenn ich am Berg bin. Und habe zwei Hunde dabei und bin allein unterwegs.

    Gerade heute stand ich mit kurzer Hose, Tshirt und Laufschuhe auf 2000 Metern im Schnee.


    Und dabei würde ich wetten, daß meine Ausrüstung dem entspricht, was ich persönlich bei den Wegen die ich gehe brauche.

    Wenn es nicht passt drehe ich um.

    Je nach Erfahrung reichen halt Sandalen für den einen, wo der andere schwere Bergstiefel braucht.


    Sorry, mich nervt dieses "Turnschuh am Berg ist so dumm"-Gerede. :smiling_face_with_halo:

    Tatsächlich bin ich in meinen Laufschuhen sicherer ubterwegs, als in meinen Wanderschuhen.


    Das Problem sind ja nicht die Turnschuhe, sondern daß Leute nicht umdrehen bevor sie nicht mehr umdrehen können.

    Also weiter ins Schneebrett laufen, weil da laut Komoot der Weg lang geht.


  • Ich denke, da wird dir keiner widersprechen.

  • Je länger ich über diese Debatte nachdenke, desto mehr erhärtet sich für mich, dass viele Probleme mit Übertourismus hausgemacht sind und zu wenig Ansässige eigentlich vom Tourismus nach eigener Einschätzung profitieren.


    Beispiele wild zusammen gestellt:

    Ein E-MTB-Verleiher ermöglicht es Menschen, die in Echt nicht die Kondition und oft das Können haben, auf einen Berg bzw runter zu fahren. Die Leidtragenden sind die Bergwacht usw.. Dann muss man sich vielleicht fragen, warum so ein Verleih überhaupt aufmachen darf.

    Wer keinen Sauftourismus a la Ballermann möchte, muss sich vielleicht überlegen ob es wirklich so toll ist 24/7 Alkohol an jeder Ecke zu verkaufen/Diskotheken zu eröffnen.

    Wer keine Lust auf Falschparker hat, kann durch gezielte Kontrollen und saftige Strafen nach kurzer Zeit ebenfalls Eindruck machen und Leute verscheuchen oder hat damit viel Geld verdient.


    Am Ende machen höchstwahrscheinlich wenige Menschen einen Gewinn und augenscheinlich viele Menschen Verlust, wenn man das hier so liest.

    Insofern wäre es sinnvoll sich an die lokalen Verantwortlichen zu wenden.


    Ich bin der Meinung, dass die Reisenden/Touristen dafür nix können.

    Was die können (sollten) ist ihren Müll weg räumen, auf gekennzeichneten Wegen bleiben und parken usw..


    Wir leben nunmal im Zeitalter des Konsums und dazu gehören auch Erlebnisse. Die möchte sich eben niemand nehmen lassen.

  • Ich glaub Avocado meint eher die "Flipflops am Gletscher" Fraktion, nicht erfahrene Wanderer, die halt in Turnschuhen gehen und wissen wo ihre Grenzen sind.

    Das ist mir schon klar, nur wer entscheidet, wer zu welcher Kategorie gehört?

    Wird eine Rettung nötig, dann habe ich in den meisten Fällen irgendwo im Vorfeld einen Fehler gemacht.

    Und ich finde es auch mehr als ärgerlich wenn Leute sich in hirnrissige Situationen bringen und damit Kapazitäten beanspruchen die dann woanders fehlen.

    Aber wer legt die Grenze fest, ob zuviel Dusseligkeit bestraft wird, oder ob der Verunglückte einfach Pech hatte.


    Es ist wie mit den Ebikes am Berg. Leute kommen in Situationen, denen sie mit ihrer bisherigen Lebenserfahrung nicht gewachsen sind und bringen damit sich und andere in Gefahr.

    Aber wie will man das steuern oder verhindern?

    Mir würde nichts einfallen, was mir gefällt.

  • Spannend wäre halt auch das prozentuale Verhältnis Tourist zu Einheimischer im Bezug auf Rettungen. Ggf. sind es gar nicht soooo viele mehr? 🤔

  • Spannend wäre halt auch das prozentuale Verhältnis Tourist zu Einheimischer im Bezug auf Rettungen. Ggf. sind es gar nicht soooo viele mehr?

    Hab ich für Südtirol jetzt gefunden.

    8 Millionen Touristen mit 34 Millionen Übernachtungen kommen auf 500.000 Südtiroler (mit 180 Millionen Übernachtungen, für die Relationen)


    Ich habe Arbeitsunfälle aus der Statistik herausgenommen.


    Von 1883 Vorfällen, zu denen die Bergrettung gerufen wurde, waren in

    394 Fällen Südtiroler betroffen, in

    523 Fällen Deutsche, in

    704 Fällen Italiener aus anderen Regionen und in

    290 Fällen andere.

    Südtiroler liegen mit 20% im Rennen, also Auswärtige mit 80%.


    Der Anteil der Südtiroler ist bei den Vorfällen mit "schwer verletzt, verstorben" (29%) deutlich höher als bei den Vorfällen mit "unverletzt, leicht verletzt" (18%).

    Bei den Vorfällen mit unverletzten Personen sind es nur noch 13%.


    https://afbs.provinz.bz.it/upload/audb/


    Im ersten Teil habe ich die Zahlen der Vorfälle verglichen, im zweiten die Zahlen der beteiligten Personen.

  • Danke dafür!

    Bergrettung:

    "Südtiroler liegen mit 20% im Rennen, also Auswärtige mit 80%."


    Dazu braucht man wohl nichts schreiben.


    "Der Anteil der Südtiroler ist bei den Vorfällen mit "schwer verletzt, verstorben" (29%) deutlich höher als bei den Vorfällen mit "unverletzt, leicht verletzt" (18%).

    Bei den Vorfällen mit unverletzten Personen sind es nur noch 13%."


    Interpretiere ich das richtig, dass Südtiroler (Einheimische) nur in wirklich schlimmen Notfällen die Rettung alarmieren, deswegen mehr Todesfälle?

    Und Auswärtige eher früher, deswegen weniger Todesfälle?



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