Frustriert und verzweifelt: Mein Hibbelhund bekommt nie genug / Jagdtrieb

  • Es ist halt das (gefühlte) Dilemma: Wenn ich ihm nix Spannendes biete, dann sucht er sich halt seine Beschäftigung.


    Ja, das macht meiner auch. Ich bleibe dann stehen oder setz mich irgendwo hin, und warte bis er sich runtergefahren hat.

    Hat bisher bei allen Junghunden funktioniert (hatte auch einige als Gassihunde). Anfangs kann das durchaus mal 20-30 Minuten dauern. Wenn du es öfters machst, lernt es der Hund und es dauert nur noch ein paar Sekunden.

    Bei uns hat dieser Prozess jetzt einige Monate gedauert, ca ein Dreiviertel Jahr, in dem die Zeit zum Runterfahren immer kürzer geworden ist.

    zB hat er anfangs mehrere Minuten gepöbelt, jetzt bellt er 2-3 mal und fährt sich dann selbst runter.

    Müssen die aber erst lernen.

  • Kannst du mal euren typischen Tagesablauf beschreiben?


    Wohnst du alleine mit deinem Hund oder gibt es mehrere Personen im Haushalt? Falls ja, wie ist die Beziehung zwischen ihnen und deinem Hund?


    Für mich klingt es aus deiner Beschreibung ja mehr nach Single mit Hund, aber dann frage ich mich, wie du bisher aufs Alleinbleiben bzw das Training dafür verzichten konntest. Klar, Homeoffice, aber man muß ja doch einkaufen gehen oder hat sonstige Termine, wo man den Hund nicht mitnehmen kann.


    Ländliche Umgebung kann für jagdtriebige Hunde das genaue Gegenteil von reizarm sein.


    Kennt dein Hund sowas wie Bummelspaziergänge, wo von dir kein Bespaßungsangebot kommt? Ich meine damit nicht die Runde um den Block, sondern schon einen richtigen Spaziergang.


    Wenn dein Hund erst viel Action gewohnt ist und du dann von jetzt auf gleich auf ein Minimalprogramm runterfährst ist klar, daß der Hund darauf nicht mit Entspannung, sondern mit Frust reagiert.


    Radfahren kann aufhetzend wirken durch die schnelle Bewegung.

    Es kann aber auch zur Entspannung beitragen, weil man sich besser als zu Fuß dem natürlichen Trabtempo des Hundes anpassen kann und dadurch das konfliktbelastete Leineziehen vermeidet.

    Da würde ich genau hinschauen, ob dein Hund vom Radfahren profitiert oder nicht und welches Tempo optimal ist.

  • Hui ja ich hab zwar keinen Islandhund, aber deine Beschreibung erinnert mich sehr an die Anfangszeit mit meiner Rakete :tropf:

    Wir hatten auch schon mal ein paar Wochen testweise absolutes Minimalprogramm (nur die Runde um den Block), ohne erkennbare Unterschiede.

    Ich habe hier die Erfahrung gemacht, dass weniger nicht unbedingt mehr ist. Wir hatten das auf Anraten einer Trainerin auch durch mit dem Minimal-Programm: Kurze Runden, am besten an der kurzen Leine und sonst Ruhe, Ruhe und nochmal Ruhe. Ja Pfeifendeckel, je mehr ich versucht habe, da krampfhaft Ruhe reinzubringen, umso mehr ist der Hund mir die Wände hochgegangen :fear:

    Worauf es zumindest bei uns wirklich angekommen ist: Weniger für den Kopf, gleichbleibende Bewegung, krampfhaftes "Ruhe lernen" erstmal sein lassen.


    Das was du beschreibst liest sich im Allgemeinen sehr kopflastig. Leinenführigkeit, Dinge apportieren, Tricktraining, Degility, ZHS, selbst "am Rad laufen" kann - je nach Anforderungen des Menschen - ganz schön anstrengend fürs Köpfchen sein. Ich würde mir deshalb mal genau überlegen (und ggf. aufschreiben) an welchen kleinen Stellen in eurem Alltag dein Hund sein Köpfchen einsetzen muss, Impulskontrolle und Frustrationstoleranz braucht. Wo wird er von dir angesprochen, wo soll er ein antrainiertes Verhalten ausführen, wo muss er warten, sich zurücknehmen, auf dich achten? Das würde ich dann alles aufs Minimalste runterfahren. Lange (15m+) Schleppleine dran und Hund machen lassen, ohne großartig auf ihn einzuwirken oder was von ihm zu verlangen. Keine Ansprache, einfach gemeinsam 1-2 Stunden durchs Grüne schlendern. Wenn er ziehen will, soll er halt ziehen, das ist gerade nicht euer Hauptproblem. Und für alles andere hast du ja die Schleppleine, mit der du ihn notfalls kurz eingrenzen kannst.

    Das soll natürlich nicht ewig so gehen, aber der Hund muss erstmal von seinem Action-Trip runterkommen. Und dann kann man langsam an Orientierung, Leinenführigkeit und Impulskontrolle arbeiten. Wobei das dann, wenn der Hund mal entspannter ist, meiner Erfahrung nach von allein deutlich besser wird.

  • Denk das Ganze mal andersrum. Ihr hättet kein Problem und du würdest hier nicht posten wenn alles gut wäre.

    Also muss irgendwas am bisherigen Alltag und Programm falsch laufen

  • Richtig, das hatte ich vorhin noch vergessen zu fragen: wie lang ist die Leine?


    An einer kurzen Leine ist der Hund so schnell am Ende der Reichweite, daß er sehr oft korrigiert werden muß und entsprechend ständig gefrustet ist. Überhaupt ist längeres Laufen an der kurzen Leine im angepassten Tempo eine Konzentrationssache, die viele jüngere Hunde überfordert.


    Ein längere Leine kann da entspannend wirken. An einer längeren Leine kann der Hund auch mal kurz stehenbleiben oder ein paar Schritte vorauslaufen.

    Ob eine 4 bis 6 Meter "Schlamperleine" oder eine 10 Meter Schleppleine besser sind hängt auch wieder vom Hund und den Umständen ab. Er soll ja gerade in ländlicher Umgebung nicht in Gräben und Böschungen nach Wildgerüchen suchen.


    Die von mir für meinen Junghund viel genutzte "Schlamperleine" läßt sich einfacher händeln als die Schleppleine.

    Die Schleppleine kommt dagegen dem eigentlichen Freilauf schon näher, muß aber sehr konzentriert geführt werden, damit der Hund nie mit Anlauf reinknallen kann, sonst können sich Hund und Mensch ernsthaft verletzen. Das bedeutet man muß ständig nachfassen oder freigeben, damit der Hund nur immer soviel Freireum hat, wie er gerade benötigt.

  • in guten Momenten bekommt er Riesenkomplimente von erfahrenen Hundeleuten. In schlechten ist er nur der Arschlochhund…

    Dazu noch ganz kurz: Hast du ihn mal gesundheitlich (Thema Schmerzen) durchchecken lassen? Aus eigener Erfahrung: Gerade wenn sich sehr gute und sehr schlechte Phasen immer wieder abwechseln und da kein Muster erkennbar ist, würde ich das mal zeitnah machen. Meiner hat seit er klein ist diverse Gelenkbeschwerden (da sind auch sehr junge Hunde nicht zwangsläufig vor sicher). An körperlich schlechten Tagen ist er nochmal deutlich reizoffener und reaktiver als eh schon.

  • Das ist ja ein Hütehund-Spitz-Mix, quasi. Also eine Rasse, die mit Abwechslung, viel Input durch große Runden etc generell schlecht klar kommt. Am besten ist für so einen Hund stumpfe Routine mit möglichst wenig Ablenkung, damit es ihnen nicht das Hirn wegbrät. Also auf einem Hof rumlümmeln, Gegend beobachten und Mal kurz das Vieh von A nach B bringen.

  • Erstmal tief durchatmen - ich kann mir vorstellen, dass die ganzen Antworten dich erstmal aufwühlen. Durchatmen ist für mich das Stichwort für dich nun und deinen Hund.


    Ich kann dir auch nur meinen Eindruck schildern, ob es zu euch passt, musst du entscheiden, denn du bist die einzige hier, die die Realität kennt =)


    Mit so hibbeligen Hunden tappt man gerne in die höher - schneller - weiter Falle. Die Hunde machen einen unruhigen Eindruck und man möchte dem gerne entgegen wirken, bewirkt aber leider manchmal genau das Gegenteil - man schafft sich ein Hibbel Monster.


    *Meine* Schritte wären folgende:


    - Routine, Routine, Routine. Solchen Hunden tut es gut, wenn es routinierte Abläufe gibt. Das schafft ausreichend Ruhezeiten und gleichzeitig auch eine gewisse Erwartungssicherheit.

    Beispiel: Bei uns ist es so, dass es vormittags IMMER eine 15 - 20 Minuten Schnüffelrunde am Wohngebiet gibt (hier gibts kein Wild, aber geruchlich einige Hunde) - danach wird IMMER bis Mittag geruht - und zwar entweder alleine oder im EG, während ich im OG arbeite. Ich finde auch wichtig, dass die Hunde mal "Ruhe" von mir haben, um wirklich komplett in Ruhe zu schlafen. Das tut allen unheimlich gut. Voraussetzung ist natürlich, dass der Hund alleine bleiben kann. Ansonsten ist ja etwas entfernt, gesichert auf seinem Bett ja vllt ein erster Schritt?


    - dann würde ich zweigleisig mich auf angepasste Bewegung und maximal eine sinnvolle Beschäftigung konzentrieren.


    --> Angepasste Bewegung: das können kleinere Runden an langer Leine ohne Erwartungshaltung von dir sein, das können mittlere Runden oder auch mal laufen am Rad sein - das hängt etwas von deinem Hund ab und finde ich hier schwer einzuschätzen wenn man euch nicht kennt. Auch eine Kombi ist denkbar: einfach jeden Tag mittags eine Runde an der langen Leine und 2x / Woche laufen am Rad. Ausprobieren, wo für dein Gefühl am wenigsten Konfliktpotential da ist und ihr euch am entspanntesten fortbewegen könnt


    --> sinnvolle Beschäftigung: ich würde nicht alles komplett weg lassen, sondern mir EINE Sache suchen, die euch Spaß bereitet und die dann (ggf erst nach einer gewissen Zeit der reinen Spaziergänge) verfolgen

  • Ich freu mich grad total, dich hier zu lesen! Ich bewunder Bolti schon seit er bei dir lebt ... :herzen1: Und damit das nicht allzu stalkerhaft rüberkommt und du mich viiielleicht einordnen kannst: Wir haben uns 2017 kennengelernt, damals noch mit Mia. Wir waren auf dem Herzogstand. Und dir habe ich meine Bergliebe zu verdanken, deswegen werde ich den Tag (und auch dich) nie vergessen. :smile:


    Schade, dass er mit anderen Rüden "zickt", sonst hätten wir uns mal treffen können und bisschen austauschen. Bzw. wenn du meinst, dass es angeleitet (muss kein direkter Kontakt sein), funktionieren könnte, steht das Angebot auf jeden Fall. Auch wenn ich jetzt sicher kein Experte auf dem Gebiet bin, aber so das ein oder andere habe ich jetzt ja schon mitbekommen von Cattles, die ja teilweise vergleichbare "Themen" haben.

    Und am Jagen bin ich mit meinem jungen Mann auch grad dran!


    Ich kann das, was die anderen schreiben, insbesondere wegen "Routine" nur unterschreiben. Hast du in halbwegs erreichbarer Nähe vielleicht einen Spazierweg, der reiztechnisch ok für Bolti (und berechenbar für dich) ist? Ich denk da grad dran, dass ich vielleicht sogar täglich mit dem Auto dorthin fahren würde, um ihm eine (muss gar keine große, 30 bis max. 60 Min.) immer gleich Runde zu ermöglichen. Mit Auto deshalb, weil ich mir vorstellen kann, dass die Gegend rund um eure Wohnung derzeit "verbrannte Erde" ist, wenn er alle Nase lang ne Katze erwartet und auch echt regelmäßig welche rumhocken. Also Hund ins Auto und an neuen, unverbrauchten Ort fahren und dort versuchen, strukturiert und routiniert neu anzusetzen. Dieser Tipp fällt mir schwer zu geben (ich HASSE Kurzstrecken mit dem Auto auf täglicher Basis ...), aber denke, dass es euch vielleicht echt helfen könnte, und dafür würde ich persönlich in Kauf nehmen, mal ne Zeit lang Umweltsau zu sein ...


    Und wegen Alleinbleiben: Kennt er eine Box oder einen abgesperrten Bereich in der Wohnung? Vielleicht kannst du so was etablieren und langsam anfangen, dass du arbeitest, während er in dem Bereich ist, dann bist du mal in nem anderen Zimmer usw. Den Punkt, dass es "solchen" Hunden gut tut, auch mal separiert vom Besitzer zu sein, kann ich nämlich auch unterstreichen.

  • Kannst du den auf seinen Platz schicken und er bleibt da einfach mal entspannt eine Stunde drauf liegen?
    Läuft er dir Zuhause hinterher oder macht er eher sein eigenes Ding?

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