Deprivationssyndrom

  • Nachdem die letzten Threads mit diesem Thema schon sehr alt sind, versuche ich es mit einem neuen Beitrag:

    Ich habe erst vor kurzem von diesem Deprivationssyndrom gehört und mich ausführlich belesen. Endlich macht alles Sinn. Mein Hund kommt - wir haben das alles erst spät herausgefunden - von einem Vermehrer und ist in einem Zimmer mit den Wurfgeschwistern die ersten 12 Wochen aufgewachsen.

    Sie ist ein Berger des Pyrenees Mix und bringt schon genetisch eine gewisse Aufregung mit - aber das ist leider nicht alles.

    2 Jahre war sie völlig außerstande so etwas wie Training zu meistern. Ein Hund völlig ohne Ruhe und Filter. Alles ist mit enormer Aufregung, Panik, Starre und Ängstlichkeit verbunden. Sie ist nun 6 Jahre alt und wir haben viele Baustellen, die mich immer wieder an Grenzen bringen. Sie ist lieb und aufgeregt fröhlich, aber sie würde in letzter Konsequenz schnappen.. nicht beißen. Lässt sich nicht stressfrei überall anfassen, Zecken entfernen nicht möglich, bzw. nur in Schockstarre auf dem Arm. Autofahren ängstigt sie sehr. Sie konnte anfangs gut alleine bleiben, seit 1 Jahr zerlegt sie Türen und Wände vor Angst. Sie hört und sieht Gespenster. Dazu kommt, dass sie genau seit dieser Zeit eine IBD diagnostiziert bekam und wir den sozusagen angeborenen Durchfall einordnen können. Es ist eine Stress, Angst, Durchfall, Schmerzen Spirale. Meiner Meinung nach verursacht dieser ganze Stress ihre IBD und diese kann auch mit Kortison und konsequenter Fütterung nicht zum Stillstand gebracht werden. Sobald irgendwas passiert, was sie aufregt, ist der ganze Hund am Beben und hat 1h später Durchfall, der tagelang anhält.

    Wir haben mit einer sehr guten und erfahrenen Trainerin jahrelang Ruhe, Entspannung, Situationen usw. geübt und wir sind immer noch Lichtjahre von gut händelbar entfernt.


    Hat jemand Erfahrungen mit Medikamenten, die etwas verbessert haben? Mir zerreißt es das Herz, dass sie sooo schwer klarkommt und gesund kann soviel Stress wirklich nicht sein.

    Ist die Lebenserwartung eingeschränkt?


    Lieben Dank für eure Erfahrungen!!

    • Neu

    Hi


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    • Danke für den Tipp, es gab schon diverse Blutuntersuchungen - ich frag mal beim TA nach..

      Mach das mal. Ansonsten am besten das Blut zu laboklin schicken und dort das Profil 2086 nehmen. Zusätzlich ein aktuelles Geriatrisches Blutbild machen lassen. Wenn du die Werte hast kann man mal drüber schauen. Da würde ich mich nicht auf den Tierarzt verlassen da die meistens von der Schilddrüse keine Ahnung haben. Wenn die Werte im Referenzbereich liegen ist für den normalen Tierarzt meist alles in Ordnung. Ist aber oft nicht der Fall. Also Werte schriftlich geben lassen.


      Vielleicht wurde ja zumindest mal TSH und T4 gemacht.

    • Unser Rüde hatte Deprivationssyndrom. Er hatte zum Glück keinen Durchfall.

      Am Anfang war es ganz schlimm. Sobald etwas anders war als er es kannte hatte er Stress. Sei es der Tagesablauf, im Garten wurde was verändert, Eine Mülltonne steht draußen an der Straße obwohl sie die anderen Tage da nicht stand, es kommt jemand ( zu Fuß, Trecker, LKW, Auto, Fahrrad usw.) auf der Straße vorbei usw. Er hat mit bellen, knurren, in die Leine springen/ziehen und auch abschnappen reagiert.

      Pfoten/Ohren usw. kontrollieren, Zecken entfernen, fieber messen usw. war nicht möglich, da wurde mit schnappen/beißen reagiert.


      Ich wüsste keine Medikamente die da helfen könnten.

      Unser Rürde hat, wenn unserer Hündin läufig war Zylkene bekommen. Das hat es für erträglicher gemacht aber entspannt/ruhig war er da auch nicht.


      LG
      Sacco

    • Nur als Tipp, sozusagen als letzte Konsequenz, wenn wirklich nichts Körperliches gefunden werden kann:

      Inzwischen gibt es einige Psychopharmaka, die man auch bei Hunden einsetzen kann. Bevor ich dem Hund dauerhaften Stress zumute, würde ich mich lieber an einen Facharzt wenden und ggf. mit Psychopharmaka behandeln.

    • Es gibt Seminare für Hundehalter bzgl. Deprivationssyndrom und Trauma bei denen man lernen kann, wie man mit dem Hund arbeitet und ihm auch in unbekannten/ stressigen Situationen Sicherheit vermitteln kann. Bekannt dafür ist u.a. Maria Hense. Ich würde so ein Seminar belegen (geht je nachdem mit dem eigenen Hund) oder man macht es ohne Hund und bildet sich erstmal nur weiter und kann gelerntes mitnehmen und zu Hause anwenden.

      Wenn du daran was machen möchtest, dann wirklich auch zu einem Trainer gehen, der sich damit wirklich auskennt und keine Versuche starten. Blöd gesagt sind es dieselben psychischen Abläufe, wie beim Menschen und die bearbeitet man nicht einfach mit Hinz und Kunz sondern geht so einem Spezialisten 😊

      Wünsche viel Erfolg!

    • Wir haben mit einer sehr guten und erfahrenen Trainerin jahrelang Ruhe, Entspannung, Situationen usw. geübt und wir sind immer noch Lichtjahre von gut händelbar entfernt.

      je nach Ausprägung der Deprivation ist so ein Hund aber schlicht nicht in der Lage, das zu lernen, da kann man das auch 1 Million mal wiederholen und trainieren, es wird nicht funktionieren.


      Meine eine Hündin war ihre ersten 6 Jahre eingesperrt in einer 2 qm Buchte eines Stalls. Mit so einem Hund trainiert man nicht "normales Leben" sondern findet ein Leben für den Hund, mit dem er mit seiner Behinderung/Krankheit klar kommen kann. Man trainiert im Idealfall nicht am Hund vorbei, sondern fördert das, was er anbieten kann.

      Normal wurde diese Hündin nie.

      Ist auch Bonnie nicht, ebenfalls ein "Kellerkind", die die ersten 3 Jahre in einem Keller verbrachte.

      Das sind keine Hunde, die einen einfach so im Alltag begleiten.

      Mit meinen Hunden führe ich ein ziemlich 'langweiliges' Leben, vorhersehbar, feste Routinen, kaum Besuche, kaum fremde Menschen, keine sehr große Abwechslung bei den Gassiwegen.

    • Wir haben eine Hündin mit mild ausgeprägtem Deprivationsschaden. Aber den Vorteil, dass wir Lebensverhältnisse und eine Umgebung haben, in der sie so sein kann, wie sie ist. Es gibt Sachen, die sind trainierbar, es gibt aber auch Sachen, mit denen wir einfach leben müssen. Und sehr gut und glücklich leben können :smile:


      Es ist ja schon sehr viel Wichtiges gesagt. Ergänzend zu Deiner Frage nach Medikamenten: Das kommt darauf an.


      Der „eigentliche“ Deprivationsschaden ist ein Hirnschaden. Der resultiert daraus, dass sich die neuronalen Verknüpfungen im Hirn nicht hinreichend ausgebildet haben, die für den Erwerb, die Verarbeitung, Generalisierung und Speicherung von Erfahrungen zuständig sind. Es gibt ein enges Zeitfenster beim Welpen, wenn da die Gehirnentwicklung gestört wird, dann ist der resultierende Schaden permanent. Die Fähigkeit, Reize/Erfahrungen zu verarbeiten und aus ihnen zu lernen nimmt Schaden. Dagegen gibts keine Medikamente. Heißt nicht, dass der Hund nicht lernen kann, aber es ist anders und mühsamer.


      Für Folgen wie die von Dir geschilderte Überdrehtheit/Panik, die möglicherweise aus den Problemen bei der Reizverarbeitung resultieren, da kann man versuchen, ob man medikamentös eingreifen und erstmal etwas Ruhe ins System bringen kann. Um ggf. auch eine bessere Basis fürs Training zu haben. Aber da sollte der erste Schritt wirklich eine umfangreiche Diagnostik sein.

    • Limetti ja, das ist auch unser Weg.. allerdings ist es eben nicht immer möglich, sich nach dem besonderen Hund zu richten und er muss mal ein wenig alleine bleiben oder auch mal Autofahren oder andere Situationen überstehen, ohne gleich 5 Tage richtig krank und leidig zu sein.. wir tun seit 6 Jahren, was wir können, aber ich komme immer wieder an meine Grenzen, wo och am liebsten durchdrehen würde.. es muss doch möglich sein, auch so einem Hund ein halbwegs angstfreies Leben zu geben, ohne sich selbst in völlige Isolation zu begeben.. :crying_face:

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