Angsthund zwingen oder lassen?

  • Also Bonnie konnte im Tierheim niemand kennenlernen. Die ganze Situation war für sie so furchtbar, daß sie sich total in sich gekehrt hatte. Sie rannte im Tierheim die ganze Zeit im Kreis, ließ sich von niemandem anfassen und hatte nur Angst. Im Tierheim hat in den ganzen Monaten niemand geschafft, ihr irgendwie nahe zu kommen.

    Wir, also TH und ich, haben beratschlagt, ob ein langsames Kennenlernen im TH Sinn macht oder gleich nach Hause. Ich hab gesagt, ich nehme sie gleich mit, weil anders machte das für Bonnie keinen Sinn. Es gab auch kein Probegassi oder so, im Tierheim war sie nur in eine Ecke gedrückt, als ich dort im Zwinger war.


    Allerdings war für Bonnie Chilly der Fuß in der Tür. Bonnie ist aber bis heute ein Hund, die zu keinem weiteren Menschen Kontakt aufbauen kann. Sie läßt sich nicht anfassen von anderen und ist hochgradig mißtrauisch.


    Schwierig ist es halt, wenn das TH nicht so mitmacht, wie man selbst es möchte. Vielleicht wäre die Hündin ein Kandidat für Clickertraining, das ist neutral, es erfordert keinen Kontakt und dennoch kann man dem Hund mitteilen, was sich für ihn lohnt.

    Es ist aber die Frage als Mensch: Möchte man wirklich und aufrichtig so einen Hund? Im besten Fall taut sie auf und lebt völlig unkompliziert, im nicht so günstigen Fall bleibt sie halt so. Und das muß man mögen.

  • 2 Gedanken:


    1. Wenn Dir die Arbeitsweise anderer Vereine mehr zusagt, dann bist Du vielleicht besser damit bedient, Dich auch da umzuschauen. Denn schlussendlich sind es die Leute vorort, mit denen Du Dich einigen musst, nicht mit uns hier im Forum.


    2. Auf die Gefahr hin, dass das übergriffig ist - ich will Dir nicht zu Nahe treten: Ich habe Deine ersten Beiträge hier gelesen und bin mir nicht sicher, dass Du Dir mit einem ggf. ängstlichem, anteilig angstaggressivem Hund wirklich einen Gefallen tätest.


    Wie man das Training auch aufbaut, ganz wichtig ist es meiner begrenzten Erfahrung nach in der Arbeit mit ängstlichen Hunden, sich und seine Emotionen wirklich gut von denen des Hunds abgrenzen zu können, ihn erstmal so zu akzeptieren, wie er ist und nichts zu erwarten. Da kann sich richtig viel tun. Aber es wird voraussichtlich - Rumi hat es ja auch schon beschrieben - eine gute Zeit geben, in der der Hund sich nicht emotional an Euch anschließt bzw. Euch Zurückhaltung, ggf. Angst und Unbehagen spiegelt.


    Das muss man wollen und auch gut verdauen können. Lilly hat noch lange nach Einzug meidig und teils ablehnend auf meinen Mann reagiert und er hatte ziemlich daran zu knabbern. Und hier war ein souveräner Ersthund und ich hatte Erfahrung, mit Ängsten und mit Angsthunden. Ich konnte das deutlich besser wegstecken als er, eben weil ich erstmal überhaupt nichts von Lilly erwartet habe. Keinen Kontakt, keine Zuneigungsbekundung oder gar Zärtlichkeit. Das kam alles, aber erst dann, als sie dazu bereit war. Bis dahin haben wir einander kennen- und uns verständigen gelernt. Ihm stand seine Ungeduld und seine Vorstellung davon, wie ein Hund sein sollte, lange im Weg dabei.


    Sie ist zauberhaft, wie sie ist. Aber in den meisten Augen „kein normaler Hund.“ Ist mir wurscht, sie ist nicht dazu auf der Welt, anderer Leuts Vorstellungen zu entsprechen. Nicht mal dazu, Meinen zu entsprechen (und trotzdem gibt sie sich ganz viel Mühe, zu gefallen und sich anzupassen. Soweit sie kann) :smile:


    Wenn Du jetzt schon Zweifel hast, dass sich das zwischen Hund und Euch entwickelt, was Ihr Eich wünscht, dann würde ich da wirklich nochmal gut überlegen. Die Frage ist: Was habt Ihr für Wünsche, was soll „Euer Hund“ können, welche emotionalen Bedürfnisse habt Ihr an ihn. Je spezifischer diese Vorstellungen sind, desto wichtiger ist es, dass der Hund schon von den Grundlagen her dafür gerüstet ist.

  • Wenn ein Hund in einer Situation wirklich Angst und Panik zeigt, das scheint bei ihr auch z.B. durch eine Bewegung ausgelöst werden zu können, sehe ich die Holzhammer Methode nicht pauschal als Lösung.

    Ich auch nicht. Aber was, wenn genau dieser spezielle Hund das braucht, weil er sonst ganz schnell lernt, mit seinem Vermeidungsverhalten zum Erfolg zu kommen?

    Allerdings erleben wir auch Positivbeispiele anderer Tierheime, wie es anders laufen kann. Auch von Hunden, die bspw. anfangs einen Maulkorb zur Vorsicht hatten, oder auch einer stärker betroffenen Angsthündin (die sich von fremden nicht anfassen lässt, und beim Tierheimpersonal zwickt)


    Es ging bspw. jemand vom Tierheim Personal mit, als für das Tier vertraute Person. Oder es gab erstmal Kennenlernen im Auslauf, oder vor der Zwingertür mit Leckerchen um mal den Geruch und die Stimme von den fremden zu kennen. Aber bei diesen Beispielen wurden die Sicherheitsmaßnahmen dann mit der Zeit auch stückweise abgebaut, weil eine Basis aufgebaut wurde. Und die Mitarbeiter auch guckten, wie wir jew. auf den Hund zugehen, wie der Hund jew. auf uns reagiert, usw.

    Viele Tierheime haben für sowas leider einfach keine Kapazitäten. Genauso wenig wie für Maulkorbtraining. Die Realität im Tierschutz ist, dass es vielen Tierheimen dauerhaft an Personal, Zeit und Geld mangelt. Wenn ein Tierheim das schafft, ein Kennenlernen so intensiv zu begleiten und diese Ressourcen bereit zu stellen, ist das natürlich absolut ideal - die Realität sieht nur leider oft anders aus.


    Aber bei diesen Beispielen wurden die Sicherheitsmaßnahmen dann mit der Zeit auch stückweise abgebaut, weil eine Basis aufgebaut wurde.

    Ein Hund, der anfangs mal zur Vorsicht einen Maulkorb trägt, weil man noch nicht weiß, wie er reagiert oder weil er mal zwickt ist halt etwas komplett anderes als ein Hund, der schonmal ernsthaft zugebissen hat.


    Und, nur so als Gedankenanstoß: Ich kann mir gut vorstellen, dass du dir mit dem wiederkehrenden Wunsch, die Hündin ohne Schutzmaßnahmen kennen zu lernen, in diesem Tierheim keine Freunde machst. Sieh es mal aus deren Perspektive: Die Hündin wurde ja bereits vermittelt - und kam aufgrund fehlender Schutzmaßnahmen mit Beißvorfall wieder zurück. Was die nun ganz sicher nicht gebrauchen können, ist der nächste Interessent, der die Schutzmaßnahmen als optional erachtet.


    Alles in allem würde ich mir an deiner Stelle wohl ein Tierheim suchen, das besser zu euch und euren Vorstellungen einer Tiervermittlung passt. Das ist zwar schade für die Hündin, aber ich finde es immer wichtig, dass man sich bei sowas wirklich gut aufgehoben und beraten fühlt.

  • So richtig scheint der Funke doch nicht übergesprungen bei dir, oder?

    Mir bzw. uns geht es auch nicht nur darum, dass wir einen Hund adoptieren wollen sondern auch darum, was der Hund vermutlich davon hätte bei uns leben zu müssen. (Nicht das es hier schlecht wäre, aber "müssen" da man den Hund ja nicht so wirklich fragt) Auch wenn ich/wir sagen würden, wir bekommen das Zusammenleben mit dem Hund hin, ist es für uns einfach nicht weniger wichtig sich zu fragen wie der Hund ggf. das Zusammenleben mit uns fände. Auch möglich, dass wir nicht wirklich warm werden weil speziell sie einfach nichts von uns hält; Aber sich das auch durch das 340ste Gassi für sie nicht für ein Zusammenleben ausreichend bessern würde.


    Wenn Du jetzt schon Zweifel hast, dass sich das zwischen Hund und Euch entwickelt, was Ihr Eich wünscht,

    Uns geht es nicht um Erwartungen was wir uns wünschen würden, sondern wieviel der Hund davon hätte die restlichen Jahre ihres Lebens bei Menschen verbringen zu müssen, die sie doof findet. Und dann auch keinen Hundefreund mehr zu haben, an den sie sich stattdessen ranhängen könnte. Vor allem, wenn für sie scheinbar der Mensch nicht als Sozialpartner taugt. Selbst wenn sie einfach anwesend wäre, hat das Leben in einem Haushalt (und weniger abgelegen als ein Tierheim) andere Gegebenheiten für den Hund als in einem Tierheim, in einem Zwinger ohne Menschen und in einem Auslauf in dem auch einfach keiner was von ihr will.


    Aber was, wenn genau dieser spezielle Hund das braucht,

    Dann wäre vorher meine Frage, ob für sie zum Einen überhaupt das Gassigehen möglich wäre (Umweltreize, raus aus der sicheren Umgebung, Trennung von ihrem Hundebegleiter) und die andere Frage, ob es ihr möglich ist einfach so mit fremden mitzugehen. Dem Hund etwas abzuverlangen was ihr evtl. nicht möglich ist muss m. E. auch nicht sein.


    Mir geht es aber grundlegend nicht darum das alles in Frage zu stellen, es ist ja nicht der einzige Hund auf der Welt den man adoptieren könnte. Ich war auch aufgewühlt bei meinem Beitrag, eigentlich ging es mir hauptsächlich darum noch mögliche alternative Lösungsansätze zu finden. Der Hund kann ja am allerwenigsten für die Situation in der er steckt. Aber letztlich ist natürlich alles Sache des Tierheims.

  • Versteh ich das so richtig: ihr fahrt eigentlich mehrgleisig und beansprucht bei mehreren Tierheimen viel Zeit, für Hunde die ihr gar nicht sicher haben wollt (von halten könnt abgesehen) und sowieso erst nächstes Jahr, aber ihr kennt die Hunde quasi besser und wisst auch mehr als das Tierheim und wollt ihnen drum noch mehr Zeit abknapsen mit Sonderwünschen?

  • Uns geht es nicht um Erwartungen was wir uns wünschen würden, sondern wieviel der Hund davon hätte die restlichen Jahre ihres Lebens bei Menschen verbringen zu müssen, die sie doof findet. Und dann auch keinen Hundefreund mehr zu haben, an den sie sich stattdessen ranhängen könnte. Vor allem, wenn für sie scheinbar der Mensch nicht als Sozialpartner taugt. Selbst wenn sie einfach anwesend wäre, hat das Leben in einem Haushalt (und weniger abgelegen als ein Tierheim) andere Gegebenheiten für den Hund als in einem Tierheim, in einem Zwinger ohne Menschen und in einem Auslauf in dem auch einfach keiner was von ihr will.

    Genau diese Frage wird Dir Keiner beantworten können. Am Ehesten noch die Mitarbeiter im Tierheim, die den Hund länger kennen . Aber auch die haben keine Glaskugel. Dass Hunde sich gar nicht öffnen, ist selten. Kommt aber vor. Wenn allerdings grundsätzlich Interesse am Menschen da ist, dann gibts mMn eine Basis.


    Was Ihr beantworten könnt, ist die Frage, ob Ihr dem Hund, so wie er jetzt ist, ein gutes Leben ermöglichen könnt und wollt, auch wenn die Möglichkeit da ist, dass er dauerhaft kein menschenbezogener Hund ist.

  • Versteh ich das so richtig:

    Nein. Macht mich ehrlich gesagt auch gerade etwas traurig, dass du da alles negative hinein zu interpretieren scheinst was du finden konntest. Möchtest du es richtig verstehen, oder was ist dein Anliegen mit deinem Beitrag?

  • Wenn ich vorhabe einen Hund mit Geschichte aufzunehmen ist für mich immer die Frage, könnte ich im Zweifelsfall mit dem Ist-Zustand leben?


    Es wurde bei allen besser, aber zum Teil auf unerwartete Art und bei jedem blieb so Manches eben im Bereich des Unmöglichen. Das ist vorher nicht planbar. Mich gemocht geschweige denn eine Beziehung aufgebaut hat von meinen Hunden Keiner im Kennenlernprozess.


    Ehrliche Aufklärung ist wichtig und mir auch ein Kennenlernen. Wobei es mir da eher um ein, selbst einschätzen können, wie es eben ist, ging.


    Mehrmals Gassi oder Treffen mache ich für den Vermittler, damit der guten Gewissens den Hund abgeben kann. Weder für mich noch für die meisten Hunde hatte das einen echten Mehrwert. Blind Dates sind genau das und haben wenig mit zusammenleben gemeinsam.

  • Versteh ich das so richtig:

    Nein. Macht mich ehrlich gesagt auch gerade etwas traurig, dass du da alles negative hinein zu interpretieren scheinst was du finden konntest. Möchtest du es richtig verstehen, oder was ist dein Anliegen mit deinem Beitrag?

    Dir mitzuteilen, wie es sich liest.


    Nach Adoptantenanwärter, den kein Tierheim braucht.


    Ich kann Dir bitter unrecht tun und meine Zehennägel rollen sich umsonst vor Graus auf.

  • ich hab nochmal nachgedacht über das zum Gassi zwingen. Und ja, es kann durchaus Sinn machen bei manchen Hunden, einfach souverän zu wissen, was man macht. Dem Hund Führung und Sicherheit zu geben. Das ist dann durchaus gelegentlich Zwang, aber manche Hunde kann man anders nur schwer aus ihrem eigenen psychischen Gefängnis heraus holen. Was nicht gleichbedeutend mit hinterherschleifen ist, damit ich nicht falsch verstanden werde. Aber es kann schon einen Unterschied für den Hund machen, ob man dann eben mit zögert oder vermittelt, daß es passt wenn man ein Stückchen noch weiter geht.


    Sagen wir mal so: Es gibt Hunde, da kann sich der Hundehalter dran versuchen und mit dem Hund zusammen wachsen, ist ja bei Ersthundehalter und Welpen zb der Fall.

    Und es gibt Hunde, da sollte man von Anfang an in etwa wissen und spüren, was man macht und was für den individuellen Hund richtig sein wird. Bonnie ist so der Hund, wo ich dann sag: "Komm, wir machen das (durch die Wohnanlage durchgehen zb), und das fand sie lange Zeit ziemlich schlimm. Ich habe da auch nicht gelockt, rumgedutzid oder so, sondern wir sind da einfach durch. Weil ich das sage und ich als Mensch weiß, daß das möglich ist und für Bonnie auch zu verarbeiten.


    Mit meiner ersten Angsthündin wäre das unmöglich gewesen auf diese Art, man hätte sie wie einen nassen Sack hinterhergezogen, weil sie vor Angst schlicht und ergreifend gelähmt war. Da war unser Anfang so: Zum Auto tragen (weil Auto fand sie toll), in den einsamen Wald fahren (weil Garten nicht vorhanden), dort hinsetzen, den Hund die für sie völlig unbekannte Welt 5 - 10 Minuten fühlen lassen und dann wieder heim. Das waren unsere Anfänge. Ein zweites Leben für einen Hund, der 6 Jahre lang eingesperrt war.


    Meinen Angsthunden gemeinsam ist, daß der Alltag mit ihnen eigentlich nicht normal ist. Ich hab des öfteren überlegt, ob ich in dem Thread "Leben mit schwierigem Hund" schreiben soll, weil vielleicht wäre es für den ein oder anderen hilfreich, aber für mich sind diese Hunde nicht schwierig. Weil ich halt weiß, was ich mache und nicht hilflos vor dem Hund stehe. Und ich glaube, das ist wichtig. Nicht seine Meinung zu haben, wie man was machen sollte, sondern den richtigen Weg für den Hund erkennen.


    Und von Anfang an die Talente, Begabungen, Interessen des Angsthundes suchen und finden und fördern. Eben nicht an einem 'Problem' hängenbleiben und daran arbeiten, sondern eine Basis bilden. Und mit dieser Basis ist vieles möglich.

    Und nicht jeder muß mit Angsthunden zurechtkommen und man sollte sich auch einfach eingestehen, was man kann und was nicht. Für mich wären Aggrohunde nichts, das weiß ich und da brauch ich mich auch nicht dran zu versuchen.

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