Demenz diagnostiziert. Wie geht es weiter? Erfahrungen gesucht

  • Hallöchen :)


    Es geht um meine Hündin Ella, sie ist 10 Jahre alt und bei ihr wurde, nach ewigen Ausschlussverfahren, Demenz diagnostiziert. Sie ist noch im Anfangsstadium, aber ich bin seit der Diagnose komplett fertig und bin nur noch am googeln und nachlesen, dass ich fast verrückt werde. Was ich jedoch gerne lesen würde sind Erfahrungsberichte.


    Ellas Symptome sind, dass sie gerade nachts oft jaulend hin und her wandert, ins Leere starren, verminderter Appetit und manchmal wirkt sie einfach desorientiert.


    Sie macht nicht ins Haus und es ist auch keine wirkliche Verhaltensänderung festzustellen, zumindest noch nicht. Da es ja eine nicht aufhaltbare Krankheit ist, graut es mir vor der Zukunft.


    Sind hier vielleicht Leute die Erfahrung mit dieser Krankheit haben und ihren Weg erzählen möchten? Wie lange hat es gedauert bis es ganz schlecht wurde? Helfen Medikamente? Was sind eure Tipps um das Gehirn aktiv und fit zu halten? Ich würde mich freuen wenn ihr einfach ein bisschen erzählt.


    Für mich ist das noch alles ganz neu und ich fühle mich irgendwie verloren, habe das Gefühl dass mein Leben mit Ella nun einen Timer hat, der langsam runterzählt.

  • Was soll man dir da sagen?

    Es wird vor allen Dingen anstrengend.


    Meine Hündin (immer will-to-please, immer gehorsam, halbstarke Jungrüden fand sie zum kotzen...) wurde ein anderer Hund. Ich rufe, sie dreht sich um und rennt in die andere Richtung. Sie wollte mit halbstarken Labbirüden spielen (tolle Idee für eine 14 jährige Schäfi Oma). Wir hatten das Gefühl, dass sie nicht mehr so ganz in unserer Welt war. Aber immerhin fröhlich in ihrer.


    Wir hatten zum Glück nie das Problem, dass sie sich in der Wohnung nicht mehr zurecht fand.


    Nachts durfte ich mich nicht zum Schlafen hinlegen, ich musste wohl über sie wachen. Ich habe fast ein Jahr sitzend auf dem Sofa geschlafen. Wenn mein Mann Freitags nach Hause kam, hat er den Hundedienst übernommen.


    Hat sie uns noch erkannt? Auf eine gewisse Weise schon, denke ich.


    Hat das Karsivan geholfen? Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass man noch viel machen kann.


    Als sie eine Magendrehung hatte, haben wir sie einschläfern lassen. Wir haben schrecklich getrauert und ein Teil von mir hat gesagt "Gott sei Dank, endlich vorbei". Und das fühlt sich richtig mies an.


    Es tut mir wirklich Leid, dir keine Hoffnung machen zu können. Genieße die Zeit, die ihr noch habt.


    Behalte im Blick, ob dein Hundi noch fröhlich ist, auch wenn es in einer anderen Welt lebt.


    Und achte auch darauf, wieviel Last du tragen kannst.


    Liebe Grüße und halt die Ohren steif

  • Vielen Dank für deine Antwort.

    Es tut mir wirklich Leid, dir keine Hoffnung machen zu können.

    Schon ok, ich bin da realistisch. Ich suche nicht nach rosa Wölkchen und Sonnenschein, sondern wirklich nach echten Erfahrungen und die sind bei so einer Krankheit wohl meistens nicht sonderlich rosig und vor Allem, ohne Happy End.


    Darf ich fragen wie lange es in etwas gedauert hat bis sie komplett anders wurde? Oder wurde die Diagnose erst spät gestellt?

    Liebe Grüße und halt die Ohren steif

    Danke!

  • Was halt absolut wichtig ist genug Flüssigkeit in den Hund zu bekommen.

    Da würde ich den Ta fragen, was Hund pro Tag an Flüssigkeit zu sich nehmen soll und eine Trinkliste führen.

    Da ist so Basic, was aber gerne mal übersehen wird.

  • Ich hab bei Hunden gsd keine Erfahrungswerte aber hab teilweise im Humanbereich damit zu tun.


    Da gibt es verschiedene Formen von Demenz, und das ist unter anderem auch ein Faktor von der Prognose, wie schnell ein Voranschreiten zu Erwarten ist.


    Man kann nur ganz schwer Prognosen machen, weil Verläufe sehr verschieden sein können. Manche schreiten nur sehr langsam voran, manche schnell, genauso auch die Symptomatik.


    Bekomme ich damit jemals bei meinem Hund damit zu tun würde ich in allerster Linie auf die Lebensqualität schauen. Wir haben bei unseren Hunden die Option dazu. Bei uns Menschen ist das leider meist anders. Ich würde auch nicht davor scheuen, Psychopharmaka auszuprobieren und einzusetzen.


    Ich würde viel Gedächtnistraining machen soweit wie möglich, aber auf geregelte Strukturen im Alltag achten.


    Viel Glück :kleeblatt:

  • Finya ist seit etwa 2 Jahren dement. Die Anfänge waren sehr unauffällig und langsam. Anfänge bei ihr waren, dass sie draußen desorientiert war und plötzlich einfach losgelaufen ist, weil sie dachte, ich wäre weg und dass sie panische Angst vor metallischen Geräuschen entwickelt hat. Das war nach ein paar Monaten beides wieder Geschichte. Nach ihrer Zahn OP im Jänner 23 ging es dann schneller voran.


    Ich habe in den ersten Monaten extrem viel mit mir gehadert und viel geweint, weil ich meine alte Finya vermisst habe. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und bin einfach dankbar, dass sie noch da ist, auch wenn sie mit der Finya von früher nicht mehr so super viel gemeinsam hat. Sie ist ein sehr lieber und anschmiegsamer dementer Hund. Das macht es sehr viel einfacher. Sie wollte früher nie viel kuscheln und jetzt liebt sie es auf meinem Bauch oder Schoß zu liegen. Sie genießt es auch, wenn ich sie auf den Gassirunden rumtrage. Da schläft sie oft ein :smiling_face_with_hearts:


    Finya kann gar nichts mehr von dem, was ich ihr mal beigebracht habe. Sie kennt keine Kommandos mehr, sie kann nicht mehr normal an der Leine laufen, sie kann sich nicht mehr an mir orientieren, sie kann keine Leckerli mehr suchen, sie trinkt nicht mehr. Sie wandert tagsüber viel und wenn sie gestresst ist, kreiselt sie. Desto gestresster, desto enger werden die Kreise. Da gilt es dann rauszufinden, was die alte Madame so in Stress versetzt. Wenn das behoben ist, wandert sie wieder normal.

    Verirren tut sie sich so gut wie nie. Also dieses Steckenbleiben in Ecken hat sie äußerst selten.


    Nachts schläft sie zum Glück durch. Immer wenn sie nachts unruhig war, war sie krank oder hatte Schmerzen.

    Tagsüber muss ich sie immer wieder mal hinlegen, weil sie das alleine nicht mehr kann (also sie kommt einfach nicht auf die Idee, körperlich kann sie das schon). Sie frisst 4-5x am Tag mit großem Appetit und freut sich auch, wenn sie Leckerli bekommt. Ebenso wenn sie mit zum Spaziergang darf (in ihrem Tragetuch oder Buggy, unterwegs läuft sie dann für so 10-15min rum und schnüffelt viel, dann hat sie genug). Sie findet Abwechslung immer noch gut und mag kleine Ausflüge in fremde Gebiete. Da wackelt ihre Nase dann immer lustig vor sich hin.


    Sie erkennt mich, meinen Partner und ihren langjährigen Kumpel Frodo noch und freut sich über uns, wenn auch anders als früher.

    Sie ist noch stubenrein, wenn man sie regelmäßig rauslässt oder die Tür zum Garten offen ist, aber sie meldet sich nicht mehr und wenn man sie nicht rauslässt, macht sie einfach rein. Früher wäre sie eher explodiert als ins Haus zu machen.


    Die Pflege eines fortgeschritten dementen Hundes hat nichts mehr mit normaler Hundehaltung zu tun. Es ist anstrengend und kräftezehrend und man bekommt natürlich viel weniger zurück als bei einem gesunden Hund, weil demente Hunde einen Großteil ihrer wachen Zeit in ihrer eigenen Welt leben, aber ich liebe jede Minute mit meiner alten Dame, auch wenn ich Listen habe auf denen alle möglichen Dinge stehen, die ich nach ihrem Tod endlich wieder machen kann. Diese Zeit wird schneller kommen als mir lieb ist. So lange stecke ich einfach zurück und versuche so viel wie möglich für sie da zu sein. Da ich von zu Hause arbeite, versuche ich meinen Tag um ihre Bedürfnisse herum aufzubauen. Einen festen Tagesablauf haben wir also nicht.



    Finya bekommt kein Karsivan mehr. Sie hat es eine Weile bekommen, aber ich konnte keinen Unterschied feststellen und hab es dann weglassen.

    Sie bekommt Keltican Forte und Librela. Außerdem Tralieve, wenn ich das Gefühl habe, dass das Librela gerade nicht reicht.

    Und eine möglichst abwechslungsreiche, frische Ernährung, die passend ergänzt wird.


    Es ist eine harte Zeit, aber ich würde sie nicht missen wollen.

    Schauf auf dich und auf deinen Hund. Niemand kennt ihn besser als du :kleeblatt:

  • Meine Lotte war auch zum Schluss dement. Es wurde aber nie wirklich schlimm, da sie an Lungenfibrose litt, hat uns diese Erkrankung nicht genug Zeit gelassen, um herauszufinden, wie sich ihre Demenz entwickelt hätte.


    Lotte wurde insgesamt lethargischer und eigenbrödlerischer. Sie war vorher ein sehr aufgeschlossener und wacher Hund, ausgeglichen und neugierig. Sie hatte tolle Problemlösungsstrategien. Das wurde einfach zunehmend weniger. Sie verlor das Verständnis dafür, dass sie, wenn sie vor einer verschlossenen Tür eines Zimmers mit zwei Türen stand, durch die andere Tür gehen könnte. Sie wurde weinerlicher und unsicherer. Irgendwann erkannte sie meinen Exfreund nicht mehr, obwohl sie fast ihr ganzes Leben mit ihm verbracht hat. Sie meldete "ungewöhnliche" Geräusche, das hatte sie zuvor nie getan. Sie wanderte viel und verlor das Gefühl für Routinen (dass wir nachts nicht spazieren gehen oder in den Garten, wann Futterzeiten waren, welche Runden unsere Standardrunden waren). Sie wurde auch unsauber.

    Der Tierarzt verschrieb uns irgendwann ein Antidepressivum, aber ich habe es irgendwann nicht mehr gegeben, weil ich durch ihre Erkrankungen auch Cortison geben musste. Und Sildenafil. Und dieses. Und jenes. ...irgendwann habe ich nicht mehr gewusst, welche Veränderungen durch welches Medikament kamen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es einen großen Unterschied gemacht hat.

    Gefressen hat sie bis zum Schluss gerne. Und körperliche Nähe hat sie zugelassen, auch wenn die Qualität sich verändert hatte. Als Lotte jung war, wollte sie immer viel kuscheln, später war es mehr Kontaktliegen.


    Ich habe meine eigene Oma gepflegt, als sie dement war, das war kurz vor Lottes Demenz. Und es gab schon viele Parallelen.

    Geht mir sehr nah, darüber zu schreiben.

    Ich wünsche euch alles Gute.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!