Wenn der Hund nicht in dein jetziges Leben passt

  • Hi, ich blase mal ins gleiche Horn - ich musste mit meinem Hund auch erst lernen, was für ihn "stressige Zumutungen" sind, und was "sinnvolle Auslastung". Mit genug sinnvoller Auslastung im Alltag schafft er dann auch problemlos mit steigendem Alter (er ist jetzt knapp 3) immer mehr stressige Zumutungen - als er 1,5 Jahre alt war, habe ich bei Cafébesuchen vorher gezahlt, damit ich notfalls schnell den Kaffee runterkippen und rausflitzen konnte, wenn mein Hund überfordert und gestresst war und dann so laut herumgefiept, gekläfft und gekreischt hat, dass man das anderen Gästen nicht zumuten konnte. Inzwischen kann man ihn meistens völlig problemlos mitnehmen.


    "Sinnvolle Auslastung", die meinen Hund so richtig zufrieden müde macht, ist bei uns übrigens (unter anderem) ganz stumpf "Strecke machen". Zu Fuß, am Rad oder am Pferd (bei Rad und Pferd läuft er allerdings nur sehr gemütliche Runden mit, er ist am liebsten im Spitz-Zockeltrab mit max. 10-12 km/h unterwegs), da läuft er sich jeglichen Stress einfach weg. Da war ich hier anfangs im Forum sehr verunsichert, weil ja das "stumpfe Gassigehen" hier meist total verteufelt wird und eher als Zumutung denn als Auslastung gesehen wird - aber zum Glück liest mein Hund kein Dogforum. (Nachdem es ja aber hier um einen ganz anderen Hundetyp geht als meinen, muss ich vielleicht auch dazu schreiben, dass es für meinen Spitz auch schlicht kein Stress ist, auf dem Weg zu bleiben und Wild zu ignorieren - das sieht bei Hunden mit mehr Jagdtrieb sicher anders aus.)


    Als er jung war, habe ich selbst für meinen nun wirklich nicht "sportlichen" Großspitz oft die Rückmeldung bekommen, dass der ja so irre agil sei und so ein hohes Energielevel hätte, und warum ich mir denn so einen hyperaktiven Wirbelwind "antun" würde. Ich glaube, viele Menschen haben einfach eine etwas verschobene Wahrnehmung, wie ein Hund zu sein hat, und haben vergessen oder haben nicht auf dem Schirm, dass mehr oder weniger jeder junge Hund halt Hummeln im Hintern und Knete im Hirn hat. (Geht mir selber ja genauso - seit meine Kinder Teenies sind, bin ich auch immer wieder überrascht, wie unglaublich anstrengend anderleuts Kleinkinder sind. In der eigenen Erinnerung verblasst dann doch schnell, dass die eigenen mal genauso waren...)

  • wenn ich 1 Tag wandern gehen und am nächsten Tag 1 Std am See spazieren gehen und dann noch kurz ins Café.

    Das ist dein Programm und der Hund muss mit.


    Mach doch einfach mal Programm nur für ihn!


    Probiere Sachen aus, da findet sich sicher etwas, wo er mit Feuereifer dabei ist.


    Ich weiß nicht, wie du wohnst, aber ich habe für Diego einen Parkour im Garten aufgebaut, oder wir haben den Wald als Parkour benutzt.


    Dummy oder Beißwurst hatte ich fast immer dabei, etc.

    Kleine Spaßeinheiten lassen sich fast überall einbauen.


    Zudem hatte ich eine tolle Trainerin, die neben klassischer Erziehung viel Spiele und Kopftraining eingebaut hat.


    Sei kreativ und vergiß einfach mal, dass alles ein Ziel und Sinn haben muss.

  • Ich war vor ein paar Wochen mit meinen Hunden beim Tierarzt. Weil es so heiß war, mussten alle Hunde mit rein und im Behandlungsraum warten. Einfach nur dort liegen und warten. Meine 1,5jährige Hündin war nach zwei Stunden dort ruhig herumliegen den Rest des Tages fertig. (Habe ich natürlich vorher geübt und war nicht das erste Mal, aber das erste Mal so lange.) Sie hat an dem Abend nicht wie üblich noch mal für sich gespielt und ist recht früh ins Bett. Meinen älteren habe ich nix weiter angemerkt.


    Was ich damit sagen möchte, sind zwei Dinge:
    Was für mich als Mensch nicht spektakulär war von der Leistung her, war es für meinen jungen Hund.
    Und offensichtlich ist so was unanstrengender für einen älteren Hund, der es gelernt hat.

  • Etwas was mir noch einfällt ist: die eigene Erwartungshaltung spiegelt sich auch sehr im Hund wieder.


    Ich weiß nicht, wie du an Spaziergänge oder was auch immer herangehst, aber wahrscheinlich hast du eine gewisse Erwartungshaltung, wie das ablaufen sollte. Nun erfüllt Dein Hund diese zur Zeit nicht immer. Was eventuell dazu führt, dass Du schon mit dem Gedanken losgehst: bohr, hoffentlich bleibt er heute mal ruhig. Hoffentlich haben wir mal einen guten Tag. Hoffentlich bellt er nicht blöd xyz an, etc. pp.


    So war das z.B. bei uns, als bei Bucky in der Pubertät die Rüdenaggressivität aufkam. Das hatte ich mir beileibe auch anders vorgestellt mit meinem Hund. Ich wollte auch so einen "überall mit"-Hund, einen everybodies Darling. Stattdessen gibt es da einige auf der Liste, da ist so gar nichts mit Darling. Vor jedem Spaziergang hab ich gedacht. Hoffentlich kommt uns kein anderer Rüde entgegen. Hoffentlich tickt Bucky nicht aus. Hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich...


    Damit haben wir beide uns so richtig schön gegenseitig hochgepuscht. Kam uns ein anderer Hund entgegen, ging bei mir das Geratter im Hirn los. Das merkt der Hund natürlich und rattert mit, denn wenn der Mensch das aufregend findet, dann muss es das wohl sein, also ist mitmachen die Devise.


    Was ich sagen will, versuch auch mal Deine Erwartungshaltung runter zu schrauben und Dein inneres Ohmmmm zu finden.

    Und ganz, ganz, ganz, ganz wichtig: hab Spaß mit Deinem Hund! Mach mal ein zeitlang das, was er kann, was er gern macht, pfeif mal ab und zu auf das Training und macht woran ihr beide Spaß habt, damit du wieder auf eine positive Schiene kommst und nicht immer nur im Trainingshamsterrad bist.


    Das war damals für mich auch sooo wichtig. Mich an den positiven Sachen zu erfreuen. Ja und dann ist er halt auch mal ausgerastet, wenn ein anderer Rüde ums Eck kam. Shit happens, abhaken, weitermachen. Im Jetzt leben, nicht immer nur denken, bohr, wenn er jetzt wieder so wie neulich...

    Und auch einfach mal manche Sachen als gegeben hinnehmen. Weiter dran arbeiten, aber auch mal sagen, okay, das kann er halt einfach noch nicht, wird schon werden. Vielleicht lernt er es mit der Zeit, vielleicht bleibt es immer so, weil es einfach sein Charakter ist.


    Und guck Dir andere Hunde an. Den von Deinen Freunden, der immer so gechillt ist. Frag mal Deine Freundin, ich bin sehr sicher, der hat auch irgendeine Baustelle, die sie nervt. War er mit 1,5 auch schon so gechillt? Oder erst jetzt, wo er älter ist. War bei uns mal hilfreich, also wir einige Tage einen Gasthund hier hatten. Ja, der konnte das und das toll, da war ich sehr neidisch drauf. Aber ich hab dann gemerkt, okay, DAS kann er vielleicht toll, aber dafür kann er anderes nicht, was meiner toll macht.


    Unser ist jetzt knapp vier und so langsam denke ich: JETZT ist er erwachsen. Trotzdem endet das Training nie.

    Welpenzeit fand ich easy, Pubertät (und in der steckt Deiner halt noch) manchmal die Hölle.

  • Kleines Beispiel für ne Gassirunde: ich war heute mit Jette im Niendorfer Gehege. Dort ist es GsD erlaubt abseits der Wege unterwegs zu sein.

    Jette hat sich zwei Stunden lang an einer 5 Meter Leine Kreuz und quer durch den Wald geschnüffelt. Völlig tiefenentspannt und mit aller Zeit der Welt.

    Sie liegt jetzt selig im Korb und pennt.

    Sie durfte und sollte nur Hund sein. Darum geht es die ganze Zeit.

    Sie musste keine Anforderung erfüllen, sie musste nicht konzentriert auf mich sein und es ging um ihre Bedürfnisse nicht um meine.

  • Kleines Beispiel für ne Gassirunde: ich war heute mit Jette im Niendorfer Gehege. Dort ist es GsD erlaubt abseits der Wege unterwegs zu sein.

    Jette hat sich zwei Stunden lang an einer 5 Meter Leine Kreuz und quer durch den Wald geschnüffelt. Völlig tiefenentspannt und mit aller Zeit der Welt.

    Sie liegt jetzt selig im Korb und pennt.

    Sie durfte und sollte nur Hund sein. Darum geht es die ganze Zeit.

    Sie musste keine Anforderung erfüllen, sie musste nicht konzentriert auf mich sein und es ging um ihre Bedürfnisse nicht um meine.

    Im Hamburger Niendorfer Gehege? Bist du Hamburgerin?

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