Reizüberfluteter Border Collie - Spaziergänge nur schwer möglich

  • Mir ist zugegebener Weise keine andere Überschrift eingefallen, ich will jetzt hier aber doch mal nachfragen ob noch jemand ne Idee bzw. weiteren Input hat. Das wird jetzt leider sehr lang, vielleicht mag es trotzdem jemand lesen.


    Ich habe im Mai 2023 einen damals 1 Jährigen (geboren vermutlich Februar 2022) Border Collie Rüden aus dem spanischen Tierschutz übernommen der irgendwann im Februar 2023 kastriert wurde. Er war seit 2 Wochen auf einer Pflegestelle in Deutschland. Beschrieben wurde er als ruhig und eher wenig anspruchsvoll. Die ersten 7-8 Wochen war er hier völlig unauffällig (Unsicherheit bei anderen Hunden, ansonsten wie beschrieben) und man konnte ganz normal mit ihm raus gehen. Er war tatsächlich entspannt und nicht einfach vor lauter Angst völlig verängstigt. Klar hatte er Unsicherheiten bei gewissen Dingen aber er war aufgeschlossen und neugierig. Er machte den Eindruck als wäre er im Ausland geschlagen worden, vor allem hinten anfassen war ein Problem. Im Nachhinein habe ich erfahren das er von einem spanischen Schäfer aussortiert wurde und somit dort im Tierheim landete.


    Nach 7-8 Wochen kippte es plötzlich und er schrie von einem auf den anderen Tag Vögel am Himmel an und war völlig durch den Wind. Am Tag zuvor war ich noch mit einer Freundin entspannt spazieren, am nächsten Tag ging nix mehr. Danach schaukelte es sich auch super schnell hoch und man konnte das Haus eigentlich gar nicht mehr verlassen. Ich hatte mir sofort eine Trainerin gesucht (Hütehunderfahren) aber wir haben keinen Fuß in die Tür bekommen. Er machte auch den Eindruck das er überhaupt nicht mehr lernfähig sei, selbst bei den kleinsten Dingen ohne jegliche Ablenkung. Im Haus rannte er manchmal von Fenster zu Fenster um die Vögel anzubrüllen. Teilweise musste ich die Rolläden runter lassen bis er sich wieder beruhigt hatte.


    Im September 2023 habe ich dann die Schilddrüse checken lassen (unter anderem weil er auf einmal auch sehr Geräuschempfindlich wurde, er hatte sehr schlechtes, lichtes Fell, war viel zu dünn trotz sehr hoher Futtermengen, ständige Magen-Darm Probleme usw.) und es kam eine autoimmune SDU raus. Richtig gut eingestellt ist er leider bis heute nicht aber wir sind dran. Ca. 2 Wochen nach Medikamentenbeginn war er auf einmal lernfähig und man hat wirklich Fortschritte gesehen. Zu dem Zeitpunkt haben wir das Grundstück schon nicht mehr verlassen sondern daran gearbeitet das er erst mal im Garten wieder entspannter wurde. Das hat eine ganze Weile gedauert aber es hat geklappt. Plan der Trainerin war dann den Radius langsam zu vergrößern, immer nur solange er entspannt ist. Bis zu einem gewissen punkt hat das geklappt, weiter Richtung Gassi gehen kamen wir aber nicht. Ihm hat es allerdings sichtlich gut getan das wir das Programm komplett runtergefahren haben.


    Ist Zustand:


    - im Haus in der Regel relativ entspannt. Ruht und schläft so viel wie meine andere Hündin. Hat mal fiepsige Tage aber als überdreht würde ich ihn auch da nicht bezeichnen. Ich merke auch immer eine Veränderung wenn wir an der Dosis rumspielen. Kann sein das er dann die ersten Tage auch mir gegenüber etwas schreckhafter ist und eher fiepst. Pendelt sich dann aber ein.

    - im Garten weiterhin entspannt und voll bei der Sache wenn man was macht. Lässt sich auch kaum ablenken und Vögeln und Flugzeugen wirft er vielleicht mal einen Blick zu aber pusht sich nicht hoch

    - Die Probleme mit Fell, Untergewicht und Geräuschangst sind seit den Tabletten so gut wie weg. Magen-Darm ist weiterhin ein Problem aber darum solls jetzt mal nicht gehen.


    Spaziergänge sind unser Problem weshalb ich jetzt hier schreibe. Ich gehe mittlerweile wieder kleine Runden mit ihm laufen (viel ist das aber nicht auf den Tag gesehen). Vorzugsweise im Wald weil es dort weniger optische Reize gibt. Von normal spazieren gehen sind wir aber Welten entfernt und ich weiß auch nicht wie wir da weiter machen sollen. Die Trainerin meint ich soll ihn auf den Spaziergängen beschäftigen, ich denke er muss da aber auch einfach irgendwie mal zur Ruhe kommen. Er steht ja ständig unter Stress. Er pusht sich teilweise regelrecht hoch. Kurz nehmen bringt dann nix. Macht er es halt genau neben mir. Also es bringt mir was weil er dann nicht so in der Leine hängt aber er kann sich dabei so gar nicht entspannten.

    Er schnüffelt nicht, bleibt so gut wie nie stehen um sich mal was genauer anzuschauen. Er pendelt sobald er das Leinenende erreicht. ich weiß nicht wie ich das besser beschreiben soll. Er rennt dann ständig von links nach rechts oder macht zumindest so kleinere schritte nach links und rechts. Gerne würde er mich auch umrunden das kann ich aber meist verhindern. Ich hab versuchsweise die Schleppleine im Wald einfach mal los gelassen auf geraden Strecken. Sein Wohlfühlradius ist dann so 40-50m aufwärts, ab da schnüffelt er auch mal (aber nicht super viel), kommt selbstständig zu mir zurück, schaut was ich mache. Da ich aber nicht behaupten kann, dass der Rückruf sicher zu 100% sitzt, schon gar nicht wenn da auf einmal Wild auftaucht kann ich das halt eigentlich auch nicht machen. Zumal wir selten Wege haben die so weit einsehbar sind und mir der Radius wirklich zu groß ist.


    Ich bin mir einfach unsicher wie ich hier weiter machen soll. Auf der einen Seite denke ich der muss sich doch auch einfach mal richtig Bewegen, Energie und Stress loswerden. Es ist ein junger Hund. Spaziergänge in normalem Tempo stressen ihn aber oft mehr als das es was nutzt. Er ist überfordert mit den vielen Eindrücken. So zumindest mein Eindruck. Ich weiß einfach generell nicht wie ich damit auf Spaziergängen umgehen soll bzw. wie es weitergehen soll.

    Laufband habe ich keins zuhause und auch keine Möglichkeit mir eins zu besorgen bzw. das dann irgendwo aufzustellen. Joggen kann ich gesundheitlich nicht. Würde es vielleicht was bringen ihn ans Fahrrad zu gewöhnen? Damit er einfach mal im Trab sich ne weile den Stress ablaufen kann?


    Eine richtige Beschäftigung haben wir halt bisher auch nicht. Andere Hunde schreit er vor Überforderung oft an, generell sind das dann wieder viel zu viele Reize mit denen er nicht klar kommt. Somit gehen wir bisher nur in die Spiel und Spaß Gruppe, da sind meist nur 1-2 weitere Hunde und das kann ich tatsächlich als Übung nutzen. Zuhause tricksen wir ein bisschen, manchmal Schnüffelteppich oder Futterbeutel suchen im Garten. Das wars aber auch schon.


    Langer Text, sorry. Vielleicht hat sich das ja trotzdem jemand angetan und hat noch Tips.

  • Nur zum Verständnis: Freilauf zum rennen hat er regelmässig?


    Neurologisch wurde er mal abgeklärt?

    Ich kann ihn nur im Garten frei laufen lassen, draußen hat er so einen großen Radius und die Wege sind bei uns nicht gut einsehbar. Zudem gibt es viel Wild. An der schleppleine war er bei Wildsichtung abbrechbar aber die hat ja auch nur 10m. Auf 40 oder 50m würde ich mich nicht drauf verlassen das er dann hört. Da er auch so arg auf andere Hunde reagiert würde ich mich ebenfalls nicht drauf verlassen das er da bei Sichtung direkt vor seiner Nase abrufbar ist. Haben wir halt so gut wie nie, daher kann ich es nicht sagen.


    Neurologisch wurde er nicht groß abgeklärt. Wusste bisher nicht was ich da genau abklären soll da ich nicht das Gefühl habe das es dahingehend Probleme gibt sondern es "nur" eine Reizüberflutung ist draußen.

  • Na klar Rad fahren!

    Klapprad kaufen… irgendwo hin, wo ihr ungestört seit und fahren.


    Und dann den Hütehunderfahrenen Trainer fragen, was er/sie von einem stabilen Stopppfiff hält um dem Hund mit dem Hütehundmoderaten 50 m Radius einfach ablzulegen, wenn Wild oder Ähnliches in Sicht kommt 😇

  • Ich glaube, er braucht was für Kopf und Körper. Nicht, weil sich dann die Probleme lösen, aber weil du dann vielleicht eine Chance hast, an den Problemen zu arbeiten.


    Ich gehe mit dem Fahrradvorschlag mit. Für den Kopf: Er kennt ja schon das Suchen (mit der Nase?). Wie wäre es, das gezielt im Sinne der Zielobjektsuche aufzubauen? Das geht gut in den eigenen 4 Wänden.

  • Achso und ein Thema, von dem ich zu wenig Ahnung habe: War er damals an den Schafen? Gibt es Möglichkeiten, hier in Deutschland anzutesten, ob er eigentlich dahingehend gearbeitet werden müsste? Ergo, dass er irgendwo hingehört, wo er an den Schafen helfen kann.

  • Wechselt ihr die Route ab oder geht ihr immer die selbe Strecke?


    Hier kommt die Choasprinzessin besser klar wenn sie jeden Tag die selbe Strecke geht. Ab und zu machen wir auch mal andere Runden, aber das sind dann echte Abenteuerausflüge für sie. Man merkt ihr dann deutlich an, dass die "neuen" (haha, hier gibts etwa 5 unterschiedliche Möglichkeiten) Eindrücke sie sehr anstrengen.


    Die Standardrunde sind 1,5km hin und die selbe Strecke wieder zurück. Mittlerweile kann sie da auch viel frei laufen, aber das war Arbeit. Und auf dem Hinweg ist sie zum Teil immer noch sehr aufgeregt und hektisch. Am Rückweg kann sie dann endlich entspannt rum schnüffeln. Imp gibt diese feste Routine eine Menge Sicherheit.

    Anfnags haben wir da auch viel Ansprache während des Spaziergangs gebraucht damit sie vom Kopf her bei uns bleiben kann. Das ist mittlerweile recht wenig geworden.


    Zum mal körperlich auspowern: vielleicht ist Reizangel im Garten was für euch? Da darf der Hund mal richtig aufdrehen nd Gas geben.

  • Für den Kopf: Er kennt ja schon das Suchen (mit der Nase?). Wie wäre es, das gezielt im Sinne der Zielobjektsuche aufzubauen? Das geht gut in den eigenen 4 Wänden.

    Ja damit hatte ich schon mal angefangen, es dann aber wieder schleifen lassen. Werde ich mal wieder anfangen.

    Oder fährten. Gleichmässig vor sich hin suchen an der langen Leine.

    Da sehe ich ihn momentan nicht, dazu ist er viel zu aufgeregt und so wichtig ist ihm suchen nicht das er dann dran bleibt draußen. Bzw. reichen die Gehirnzellen dafür momentan einfach nicht aus würde ich mal meinen. Ansonsten fände ich das nämlich auch nicht schlecht.

    Achso und ein Thema, von dem ich zu wenig Ahnung habe: War er damals an den Schafen? Gibt es Möglichkeiten, hier in Deutschland anzutesten, ob er eigentlich dahingehend gearbeitet werden müsste? Ergo, dass er irgendwo hingehört, wo er an den Schafen helfen kann.

    Ich gehe davon aus das er zumindest bei den Schafen getestet wurde beim Schäfer. Muss aber einen Grund gehabt haben warum er ihn mit knapp einem Jahr aussortiert hat. Welcher das ist weiß ich natürlich nicht.


    Wechselt ihr die Route ab oder geht ihr immer die selbe Strecke?

    Aktuell gehe ich immer die gleiche Route mit minimalen Abweichungen, je nachdem wie er so drauf ist. Wenn er sich schon am Anfang völlig hochpusht bringt es nix wenn ich die ganze Runde gehe. Der knallt dann immer weiter durch. 1-2 mal die Woche fahre ich in den Wald und gehe dort auch immer die fast gleiche Route.

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