Wie zielführend sind künstliche Trainingssituationen für Impulskontrolle und Co.?

  • Je nachdem, wie man es angeht. Wie gesagt, wenn man es richtig beibringt, geht es ja nicht um Gehorsam, sondern der gesunde Umgang mit Reizen. Mein Kommentar war auch eher allgemein verfasst :)

    Für meine schissige Daisy wäre das von TE Beschriebene auch viel zu viel. Deswegen schrieb ich ja, dass es im entsprechenden Maß und Tempo sein sollte :)

    Die Decke oder Leine als Signal: "jetzt bist du nicht dran, mach eine Schläfchen" gibt es solange, wie Menschen Hunde halten.


    Den Fokus vom Hund nehmen und diesem mitteilen, dass er bitte warten soll und eben am besten rumdösen kann, hat nichts mit dem hier beschriebenen Theater zu tun. Das ist eine Gehorsamsübung.



    Und zwar diese: BLEIB! egal was passiert.

  • Eine Sache, die mMn gerne vergessen wird ist ja, dass du auch Hausaufgaben machen musst. Also in der Hundeschule oder mit dem Trainer trainieren ist nur eine Hilfestellung aber wirklich Trainieren musst du selbst. Wir hatten in der Hundeschule auch Deckentraining ich hab mich zusätzlich in unserer "Freizeit" auch an Orte gesetzt und da einfach nur gesessen. [...]

    Im Prinzip zielt genau darauf mein Gedanke ab, vielleicht habe ich das nicht gut ausformulieren können: die besten Trainingserfolge hatte ich rückblickend im Junghundekurs, wo jede Woche ein neues Thema angesprochen wurde und das dann geübt werden sollte. Erst im Wohnzimmer sicher aufbauen, dann mal in ein anderes Zimmer wechseln, dann mal während gekocht wird, dann mal im Garten, dann mal vor dem Haus, im Wald, usw.


    Dazwischen dann immer Pausen. Ganz oft ist es passiert, dass unsere Hündin an einem Tag noch Probleme hatte, das Gelernte zu generalisieren und dann plötzlich am nächsten Tag war das gar kein Problem mehr. Ich denke die entscheidenden Bestandteile sind die kleinschrittige Steigerung und in möglichst vielen verschiedenen Kontexten.


    Genau das sehe ich aber nicht, wenn künstliche Situationen geschaffen werden, die selbst über das hinausgehen, was auf einem belebten Hundeplatz passieren. Ich weiß der Vergleich hinkt etwas, aber das fühlt sich für mich an, als ob ich Ausdauer trainieren will, indem ich einmal auf Zwang einen Marathon laufe.


    Zitat

    Das halte ich für den falschen Gedankenansatz. Der Sinn des Ganzen ist ja nicht, dass du forderst, dass der Hund etwas durchhält. Der Sinn ist, dass dein Hund lernt mit unangenehmen Situationen umzugehen und trotz äußerer Reize zu entspannen. Wenn du das richtig machst bzw richtig beibringst, sind diese Reize für den Hund keine wirklichen Reize mehr und auch nicht mehr unangenehm.


    Der Ziel der Trainerin war, dass die Hunde mehr zur Ruhe kommen und generell entspannter sind. Was die anderen hier geschrieben haben stimmt schon: im Prinzip trainiere ich mit den Extremsituationen, dass der Hund etwas durchhält, weil ich es ihm sage. Also ganz klassischer Gehorsam.


    Unsere Hündin ist rassetypisch (Pudel) relativ skeptisch und zurückhaltend. Sie hat gelernt, dass sie zu uns kommen kann, wenn sie etwas gruselig findet und wir sie dabei unterstützen. In der Situation in der Hundeschule lasse ich sie dann aber gefühlt im Stich: sie (und auch andere Hunde) sind tendenziell beunruhigt aufgrund der Geschehnisse drumherum, wollen weggehen, aber Frauchen/Herrchen sagen "Nein, du bleibst jetzt auf der Decke". Was lernt der Hund daraus? Gewinnt er Vertrauen, weil ja am Ende nichts passiert?


    Je mehr ich darüber nachdenke, ist das wohl tatsächlich viel eher eine Übung für Gehorsam und nicht für das klassische Deckentraining, das ja irgendwo auch das Ziel verfolgt, dass Hunde in allen Umgebungen zur Ruhe kommen.


    Das war übrigens ein Kurs, der sich über mehrere Wochen zog. Die Stunden waren also nicht nacheinander, sondern nur wöchentlich.

  • Das Deckentraining kann übrigens nicht zum Aufbau einer besseren Frustrationstoleranz führen. Nie.

    Weil der Hund beim aushalten von Frust Lösungsstrategien ausprobieren können muss, um dann am Ende sich zurück zu nehmen und sich damit abzufinden. Nie darf er dabei an sein anvisiertes Ziel gelangen.

    Weil: es sonst nur ein aushalten der Zeit bis zur Auflösung (also bis zum Belohnungspunkt) ist. Und das ist keine Frustrationstoleranz. Das ist nur aushalten von Zeit. Verschieben des Belohnungszeitpunktes (und von der Decke weg dürfen ist in dem Moment belohnend).

    Siehe dazu Maren Grothe.

  • In der Situation in der Hundeschule lasse ich sie dann aber gefühlt im Stich: sie (und auch andere Hunde) sind tendenziell beunruhigt aufgrund der Geschehnisse drumherum, wollen weggehen, aber Frauchen/Herrchen sagen "Nein, du bleibst jetzt auf der Decke". Was lernt der Hund daraus? Gewinnt er Vertrauen, weil ja am Ende nichts passiert?


    Je mehr ich darüber nachdenke, ist das wohl tatsächlich viel eher eine Übung für Gehorsam und nicht für das klassische Deckentraining, das ja irgendwo auch das Ziel verfolgt, dass Hunde in allen Umgebungen zur Ruhe kommen.


    Das war übrigens ein Kurs, der sich über mehrere Wochen zog. Die Stunden waren also nicht nacheinander, sondern nur wöchentlich.

    Gut, dass du erkennst, dass da mächtig was schief gelaufen ist.

    Ich denke das passiert jedem, der mit Hunden anfängt, aber nicht alle überdenken solche Situationen analytisch/beziehungsweise, reflektieren, wie es ihnen in der Situation erging und wie unstimmig sich das anfühlt.


    Das wichtigste im Hundetraining ist zu bemerkten, wenn was nicht stimmig ist und dann erstmal auf zuhören (an dem Tag / in der Stunde)

    Es sind manchmal Kleinigkeiten, so wurde von unserem 7 monatigen Hund in der 1. Junghundstunde verlangt 100!!!!! JA mal die Grundstellung zu "üben".


    Völliger Humbug, weil der Hundeführer des Hundes, nicht mal seine Hände und die Leine und die Leckerchen koordiniert bekam und der Hund gar nicht wusste, was los ist, weil die Leine ständig vor ihrenm Kopf baumelte.

    Wir haben dann beendet.


    Und dieses BEENDEN empfehle ich jedem mal einfach zu machen, einfach NEIN sagen!

    Wenn man das mal geübt hat, kann man das in anderen wichtigen Situationen gut.


    2. Regel :NIE!!! als Anfänger den Hund einem Trainer in die Hand geben!

    Erst wenn man selbst Ahnung hat. Vorher nicht.

  • Das Deckentraining kann übrigens nicht zum Aufbau einer besseren Frustrationstoleranz führen. Nie.

    Weil der Hund beim aushalten von Frust Lösungsstrategien ausprobieren können muss, um dann am Ende sich zurück zu nehmen und sich damit abzufinden. Nie darf er dabei an sein anvisiertes Ziel gelangen.

    Weil: es sonst nur ein aushalten der Zeit bis zur Auflösung (also bis zum Belohnungspunkt) ist. Und das ist keine Frustrationstoleranz. Das ist nur aushalten von Zeit. Verschieben des Belohnungszeitpunktes (und von der Decke weg dürfen ist in dem Moment belohnend).

    Siehe dazu Maren Grothe.

    Ich denke das ist eine Frage der Definition des Ziels. Wenn der Hund das Ziel hat, von der Decke runterzukommen - klar, dann wird er das irgendwann erreichen. Wenn es aber darum geht, dass während er auf der Decke liegt bestimmte Reize kommen und gehen, dann wird er diese nicht erreichen, z.B. wenn zwischendurch ein anderer Hund vorbeigeht, zu dem er will oder ein Stück Käse ausgelegt und wieder weggenommen wird. Oder?


    Bei Doguniversity gibt es auch einen Kurs von Maren, in dem es um Frustrationstoleranz geht. Ich weiß nicht mehr, ob dort auch explizit Deckentraining dabei ist, aber auf jeden Fall die Hausleine, mit der der Hund z.B. am Sofa festgemacht wird. Das verfolgt ja ein ähnliches Ziel.

  • Natürlich forme ich den Charakter - nennt sich Erziehung.

    Meiner Meinung nach forme ich mit Erziehung Verhalten. Aber gut, da müssen wir ja nicht einer Meinung sein.

    Du denkst dabei an "Aberziehen", und dieser Gedanke beinhaltet mehr ein Verformen der Anlagen als deren Formen.


    Gerade Frust und Impulskontrolle haben sehr viel mit Lernen zu tun.

    Nein, ich meine tatsächlich auch ein Formen. Aber eben Verhalten formen. Mit dem Charakter hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.


    Wenn ich durch Erziehung den Charakter formen könnte, dann müsste es durch ein gutes Impulskontrolltraining ("Erziehung") ja möglich sein, den Hund in allen, also auch in gänzlich neuen Situationen gelassener zu machen ("Charakter").


    Dem ist aber, wie diverse Untersuchungen beweisen, nicht so.


    Schau mal: Brucks, D. et al. (2017): Measures of dogs' inhibitory control abilities do not correlate across tasks. Frontiers in Psychology, 8, 849


    Impulskontrolle heißt, das eigene Verhalten bei Emotionen, Reizen etc zu kontrollieren. Am grundlegenden Temperament meines Hundes (= "Charakter") ändert das noch lange nichts.

  • Das Verlassen der Decke ist immer ein auflösen.

    Und du löst nie was auf durch Belohnung bei Frusttraining.


    Du musst dir das nochmals genauer anschauen.

    Die Leine sichert nur den Hund. Er kann sich trotzdem bewegen und ausprobieren. Das ist überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Befehl, auf der Decke zu bleiben. Ganz anderer Lerneffekt.


    Frust aushalten ist ein innerer Zustand, die Toleranz Frust gegenüber wird verbessert durch - dem Hund angepasstes - aushalten von für ihn frustrierenden Momenten.

    Er darf dabei nie zum Ziel kommen. Entweder wird das Objekt der Begierde entfernt oder der Hund aus der Situation genommen.

    Das darf nicht über Belohnung geschehen, weil dann ist es kein Frust aushalten. Man muss immer gut aufpassen, was eine Belohnung darstellt.


    Wenn er den Befehl bekommt auf der Decke zu liegen und du legst Käse hin, musst du ihn am Anfang für den Gehorsam bestätigen. Sonst lernt er nicht, dass "sich zurück nehmen" lohnenswert ist und er wird das Verhalten nicht weiter zeigen. Klassische Konditionierung. Und das bitte ohne Frust.

    Impulskontrolle ist in dem Moment das Thema. Dann geht es weiter in die operante Konditionierung.

    Und an der Impulskontrolle kann man den Belohnungszeitpunkt immer weiter nach hinten schieben.

    Auch Hunde die vorbeigehen: nicht Frust sollte da das Thema sein, sondern sich zurück nehmen (Impulskontrolle) und DAS sollte tunlichst bestätigt werden.


    Wenn der Hund eines Tages eine enorm hohe Impulskontrolle hat, ja dann könnte man theoretisch ne Decke für das Frust Training benutzen. Die Frage ist: macht das Sinn?


    Denn die Decke soll ein Ort sein wo der Hund in die Ruhe kommt.


    Im Alltag in den Situationen gehen Impulskontrolle und Frustration oft ineinander über. Aber im Training sollte man gut darauf achten, WAS genau ich trainiere. Zu schnell wird gerne über Frust trainiert ohne dass man es merkt.

  • Was lernt der Hund daraus? Gewinnt er Vertrauen, weil ja am Ende nichts passiert?


    Je mehr ich darüber nachdenke, ist das wohl tatsächlich viel eher eine Übung für Gehorsam und nicht für das klassische Deckentraining, das ja irgendwo auch das Ziel verfolgt, dass Hunde in allen Umgebungen zur Ruhe kommen.

    Für mich ist genau das ein klassische Deckentraining. Deckentraining kommt aus der Jagd wo der Hund zum Beispiel stundenlang unterm Ansitz verweilen soll.


    Dieser Ruhe-Ansatz hingegen ist eher was neumodernes aus dem Begleithundetraining.


    Ob das so Sinn macht, muss man sehen. Das kann dir keine übers Netz beantworten. Für mich klingt das alles erstmal nicht wild, dein Hund scheint sich unwohl zu fühlen und ist ein weicher Typ. Es gibt eine Haufen Hunde, die würden da nicht mit der Wimper Zucken und sich vom Typ anders gestrickt. Eine Hundeschule kann kaum alles abdecken in einer Gruppeneinheit.


    Wenn du dich damit nicht gut fühlst und es eh nicht brauchst, würde ich jetzt auch keinen Sinn darin sehen und eher etwas machen, was mir mehr Freude bereitet.

  • Im Alltag in den Situationen gehen Impulskontrolle und Frustration oft ineinander über. Aber im Training sollte man gut darauf achten, WAS genau ich trainiere. Zu schnell wird gerne über Frust trainiert ohne dass man es merkt.

    Es gibt auch Hundetypen, die werden bewusst über Frust gearbeitet und da kann manch ein Trainingsansatz eine Never-Ending-Story werden, weil man züchterisch will, dass die so sind. Ich habe hier zum Beispiel einen extrem frustigen Hund, welcher aber eine enorm geniale Impulskontrolle und „Zuhören“ hat. Genauso gibt es reaktive Hunde, die aber wenig Frust aufbauen.

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