Freilauf: Risikofreude vs. Risikoaversion

  • aber nur weil es vlt irgendeinen Trigger geben könnte, den ich nur noch nicht gesehen habe, darf ich meine Hunde nicht frei laufen lassen

    Wer hat das denn gesagt? Ich suche gerade den Thread durch und finde nichts dergleichen.

    Guck mal hier:

    WorkingDogs Es mag den Trigger geben, der euch bislang bloß noch nicht begegnet ist. Nein, es gibt keine 100%, da schließe ich mich an.



    Ich finde die Diskussion super spannend, danke dafür!


    Der Frage von *Waldi* würde ich mich gerne anschließen. Das ist tatsächlich auch aktuell mein persönliches Problem.

    Ich habe eine Frage. Woher genau wisst ihr, dass der RR 99% (oder 100%) sicher ist, bevor ihr tatsächlich ableint?


  • WorkingDogs Es mag den Trigger geben, der euch bislang bloß noch nicht begegnet ist. Nein, es gibt keine 100%, da schließe ich mich an.

    Meine Hunde arbeiten mehrfach pro Woche aktiv an ihren größtmöglichen triggern und werden im Gehorsam trainiert. Sei es im Gelände bei der Jagd oder an künstlichen Beuten im Hundesport (ja, die sind hochwertiger als Wild). Was soll da bitte unvorhergesehenes kommen? Aliens die plötzlich neben uns landen? Auch unsere Welt ist nun mal begrenzt.


    Wenn ich einen selbstständigen Jäger habe, der im Alltag natürlich nicht so funktionieren wird, wie es Retriever, Vorsteher und Gebrauchshund tun, dann bleibt da die Leine einfach dran. Weiß ich doch vorher. Wenn mich das stört, kaufe ich andere Rassen. Wir leben nun mal in der westlichen Welt und nicht irgendwo in Sibirien. Früher waren freilaufende Hofhunde und so hier auch normal, die Zeiten sind einfach vorbei.


    Ich habe nirgends geschrieben, dass 100% mit jedem Hund immer möglich seien. Lediglich, dass es meine Voraussetzung für Freilauf ist. Ist das bei einem Hund nicht möglich, dann muss er an der Leine bleiben. Ja, es gibt sehr sehr viele Hunde die unter der Voraussetzung an der Leine bleiben müssen. Die Ausnahmen sind gesetzlich geregelt und treffen nicht auf den Halter von Begleithunden zu.


    Wenn ich sage, dass ich 100% nicht sehe, dann bleibt auch da die Leine dran und der Hund in meinem Einflussbereich.

  • Ich messe Erziehung von Lebewesen nicht nach Prozent, glaube das sehen hier einige so. Habe den Eindruck die Aussage Freilauf gibt es nur bei 100% Sicherheit kommt nur von Leuten die meinen man kann einen Hund in solche Schemen pressen und ein grosser Teil ist halt so realistisch um zu sehen es gibt da einfach keine 100% und der Hund bekommt trotzdem Freilauf, ohne dass der Halter gleich ein egoistischer Depp ist dem seine Umwelt egal ist. Schon in der letzten (auch sehr spannenden) Diskussion zu dem Thema hier kam man da am Schluss nicht zur Einigkeit.

  • Hier die Diskussion von damals:


  • Ich mache den Freilauf eigentlich nicht am Gehorsam fest, sondern an den Auswirkungen wenn der Hund nicht hören würde.

    Einer meiner Hunde läuft zu 100% frei im Alltag. Da vergesse ich regelmäßig die Leine. So richtig toll hört er nicht und das liegt daran dass ich sehr faul bin. Denn es funktioniert funktioniert auch so. Der weiß an welchen Übergängen er nicht allein rüber darf, der geht von selbst nicht auf fremde Menschen zu und stopt ab wenn er andere Hunde sieht. Wenn ich ihn rufe lässt er nicht alles stehen und liegen um zu mir zu kommen. Er ignoriert gern mal wenn ich was sage.

    Aber es funktioniert eben.


    Mein zweiter Hund hat einen wirklich guten Gehorsam. Einfach damit wir gut durch den Alltag kommen. Bei freier Sicht darf er auch mal frei laufen. Er hat so seine Phasen wo das gut klappt. Aber wenn es schief geht dann hat das mehr Auswirkungen. Deswegen mache ich Freilauf nicht am allgemeinen Gehorsam fest.

  • Ich hatte als ersten Hund gleich ein Hundertprozenttier. Nicht, weil ich, wie ich in meiner Teenieeitelkeit dachte, eine begnadete Erzieherin war, sondern weil diese Hündin als Professor McGonagall auf Pfoten geboren war. So lief sie überall, vom abgelegenen Dorf bis in die Großstadt, vom Bauernhof bis in die Uni und später ins Büro, immer frei mit mir, war jederzeit auf Empfang, und es klappte immer alles perfekt.


    Bis - ja, bis sie mir mit 11 Jahren plötzlich quer über die Ausfallstraße schoß, weil sie auf der anderen Seite ein Eichhörnchen gesehen hatte - der eine Trigger, dem selbst diese Superhündin nicht wiederstehen konnte.


    Die Minuten, bis ich sie heil zurückhatte, gehören zu den längsten und qualvollsten meines Hundehalterlebens. Seitdem weiß ich, dass es 100 % eben doch niemals gibt, strebe nicht mehr danach und leine lieber im kleinsten Zweifelsfall an.

  • Freilauf findet nur dort statt, wo ich guten Überblick habe. Das ergibt sich aus der Erfahrung mit dem durchaus mal eigenen Kopf der Jungs, ungünstigen Zufällen, dass sie eher die Konfrontation (mit anderen/fremden Hunden) suchen, wenn sie sich provoziert fühlen und ihrer Verletzlichkeit.

    Möchte sie natürlich nicht verlieren.


    Meine Jungs hören grundsätzlich gut, ich würde sagen 95%.

    Und ca 90% der Hundebegegnungen sind völlig unaufgeregt, man geht einfach aneinander vorbei.


    Aber dieser kleine Rest kann im Zweifelsfall ausreichend sein, damit es blöd wird.

    Also ist Freilauf nur eingeschränkt drin, zudem wir viel in der Stadt unterwegs sind und da immer wieder viele unübersichtliche Stellen sind.

    Meistens sind sie dann an der 8m Flexi, die sie fast so nutzen dürfen/können, als wären sie im Freilauf.


    Habe allerdings auch nicht den Eindruck, dass ihnen etwas fehlt. Wir haben einen großen Garten und sie verhalten sich nicht großartig anders, wenn sie ohne Leine sind.

  • Ich kann gar nicht pauschal sagen wie ich das handhabe. Im Grunde mache ich es von den Rahmenbedingungen abhängig und der Tagesform (meiner und der meines Hundes).


    Wir haben hier eine extrem hohe Hundedichte und ein großstädtisches Umfeld. Mein Hund kennt die Spielregel, aber mal als Beispiel.

    Situation: Ich habe mit ihm (angeleint) am Rad einen 3km Weg vor mir, um auf einen Streckenabschnitt zu kommen auf dem er freilaufen kann. Nach der 10ten Hundesichtung auf diesen 3km, davon zwei nicht optimal (z.B. eskalierende Fremdhunde auf engen Gehweg) und womöglich noch ein Fremdhund im Freilauf der in uns reinballert und mich fast vom Fahrrad holt.. dann weiß ich, jetzt ist mein Hund nicht mehr ableinbar, weil er alle Gehirnkapazitäten verbraucht hat um die vorangegangenen Situationen angemessen auszuhalten.

    Gleiches Szenario mit 10 neutral an uns vorbei geführten Hunden, kein Hund der in uns reinknallt oder uns jagt, und kein Hund der meinen Hund fressen will, dann kann ich meinen Hund wie geplant freilaufen lassen, weil ich weiß, er hat die Gehirnkapazität jetzt auch eine vorbeilaufende Katze zu irgnorieren bevor ich sie sehe.


    Klar ist, je weniger Außenreize wir begegnen, umso höher die Wahrscheinlichkeit dass er (weiterhin) offline laufen darf.

    Wenn uns im Wald/Feld 2x ein Reh übern Weg springt und ich ihn per Kommando auf dem Fleck festnagel, dann leine ich im Anschluss trotzdem an wenn ich nicht überzeugt bin dass er es schafft den nächsten Hasen zu ignorieren, der uns womöglich 200m weiter erwartet.


    Vor einigen Monaten haben wir auf einer rieeeesigen Wiese UO gemacht. Er war dabei ca. 30m von mir weg. Da rast aus dem angrenzenden Wald auf einmal ein Reh quer über diese Wiese, gehetzt von zwei größeren Hunden. Diese drei sind ca. 50m hinter ihm über die Wiese gerannt. Mein Hund stand da und hat vor Anspannung gezittert, so sehr wollte er hinterher, ist er aber nicht weil er ein STOP bekommen hat. Danach habe ich ihn angeleint - schon alleine weil ich nicht mehr darauf vertraut habe dass er es aushält, wenn diese beiden Hunde gleich womöglich wieder zurückrennen, auch wenn er die erste Szene prima gemeistert hat.


    Im Grunde also ein Mix aus Einschätzung der Gesamtsituation, Intuition & Erfahrung. Dennoch weiß ich, es gibt immer ein Restrisiko. Für mich gibt es keine 100% bei einem Tier. Aber es ist für mich kein Grund meinem Hund keinen Freilauf zu gewähren. Aber ich muss die Gegebenheiten dafür schaffen (z.b. indem wir 3Tage/Woche mit dem Camper raus aus dem städtischen Umfeld fahren).

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