Ruheübungen für grundnervösen Hund

  • Er bewegt sich nunmal ohne Anleitung im Alleingang in einem großen Radius, dafür ist er ja auch irgendwie gemacht.

    Das sehe ich anders.


    Er ist dafür gemacht, bei einem Arbeitsauftrag selbständig zu arbeiten.


    Wichtigste Lektion ist bei mir immer: Zu Lernen/zu Unterscheiden, wann Arbeitsmodus und wann Freizeitmodus angesagt ist.


    Im Freizeitmodus ist keine "Arbeit", also kein Jagen und auch kein Suchen nach Jagdbarem angesagt; Da soll der Hund einfach nur "Hund" sein, und hündischen Dingen nachgehen, die nichts mit Jagd zu tun haben.


    Bei manchen Hunden ist der Weg, Arbeit und Freizeit immer strikt voneinander zu trennen, der bessere Weg.


    Bei anderen Hunden - wie bei meinem (verstorbenem) Amigo und auch jetzt bei João mache ich bei den Spaziergängen kurze Arbeitseinheiten, und den überwiegenden Teil dann einfach Freizeit.

    Das hat sich angeboten, weil beide Hunde nach den "Arbeitseinheiten" an mir klebten, und "mehr, mehr, mehr" forderten - und das habe ich genutzt, indem ich sie dann anleinte, so lange bis ihr Hirn sich wieder mit etwas anderem beschäftigte.


    Das "an mir kleben" habe ich ignoriert, und sie erst dann wieder ganz nebenbei abgeleint, wenn sie anfingen Schnüffelstellen zum Markieren wieder interessant zu finden.

    Oder wenn sich zufällig eine Begegnung mit anderen Hunden anbot, die sie dann interessant fanden.


    Allerdings habe/hatte ich bei beiden Hunden einen "Superrückruf" etabliert, der sie IN IHREM JAGDVERHALTEN abholte - ein Dummylockruf, bei dem dann auch ein Dummy flog (immer weg vom Reiz, der ihr Jagdverhalten auslöste).


    Das gab mir sehr viel Sicherheit im Freilauf, wobei ich darauf geachtet habe, diesen Superrückruf wirklich nur in Notsituationen einzusetzen.


    Warum hast du so früh die "Dummy A" versucht?

    Nur weil ein Hund excellente Anlagen zeigt, heißt das noch lange nicht, dass er vom Kopf her bereit ist, diese auch verlässlich zu zeigen.

    Bei mir entsteht dadurch der Eindruck, du hättest das weniger für den Hund, sondern mehr für dich getan, was von einem hohen Druck/Anspruch an dich selber zeugen würde.

    Das geht oft an dem, was der Hund alters-/entwicklungsgerecht wirklich braucht, vorbei.

  • Alfred&Vanessa


    Hunde mit nicht so gutem Nervenkostüm schenken einem nicht viel, das Meiste ist aufwändige Arbeit.


    Aber eines machen sie: wenn DU dich darauf einlassen kannst, machen diese Hunde dich zu einem besseren Hundeführer.


    Weil du denke , reflektieren, korrekt managen und kleinschrittig arbeiten musst. Weil sie dir sonst um die Ohren fliegen und - was sehr schade ist - ihr Potential nie wirklich ausschöpfen können.


    Was du dir noch bewusst machen kannst ist, dass nicht alle im Alltag über Training oder Kommandos läuft. Ganz vieles bei diesen Hunde ist Management. Das bedeutet: wie bekomme ich den Hund und mich von A nach B ohne grosse Hektik, Gebrüll, Gezerre oder sonstigen Aussetzern. Manche Dinge muss man "gross" managen, mit Futtertube, Sicherung am HB oder Geschirr, mit Stressball für den Notfall etc.

    Anderes braucht nur "kleines" Management, ein kleines Leckerchen in der richtigen Hand führt ZB den Hund ganz ruhig weg, ohne Hektik, ohne Action, ohne Druck.


    Ja, du hast einen Gebrauchshund. Aber in erster Linie hast du einen jungen Hund mit flatterigen Nerven, der von dir ganz viel klare Linien braucht. Ganz viel Ruhe in DIR, dieses "ja dann hüpf halt, ist nur für dich anstrengend, ich steh hier gut". Weisst du was ich meine?

    Dein Hund ist genau richtig so wie er ist. Egal wie andere sind, er ist so und das ist okay (auch wenn es anstrengend ist 😅)

    Schaff DU selber bei dir den ruhigen Boden, damit der Hund mit seiner flatterigen Art bei dir sein kann ohne dass die Ansprüche an ihn gigantisch werden. Das ist eine innere Einstellung, aber da der Hund das sofort wahrnimmt, spricht er auch umgehend darauf an.


    Kann sein, dass das bisschen spooky tönt. Aber glaub mir, je entspannter du mit den Situationen umgehst, desto weniger hektisch ist der Hund.

    Dann die Anforderungen und Erwartungen

    Etwas, womit diese Hunde gaaanz schlecht umgehen können. Sie fliegen sich bereits selbst um die Ohren, da müssen wir schauen dass die Erwartungen klein bleiben. Umso schöner ist es dann, wenn der Hund Dinge plötzlich wunderbar machen kann.


    Nimm den Hund draussen an die Leine, entbinde ihn von der Verantwortung, sich in der grossen Welt selbst regulieren zu müssen. Eines Tages wird er es vielleicht können. Momentan eher nicht. Das bringt Entspannung.

    Überlege dir, was du an Ausrüstung für das Training benötigst und hab das IMMER dabei. Hier sind das: Stressball mit Seil, kleines Futter, Futtertube.


    Wir ein anderer Hund in der Gruppe auf ein Dummy geschickt, docke ich den Stresskeks an die Tube und ziehe ihn ganz entspannt in die Gegenrichtung. Weg vom Reiz. Dann wieder ruhig umdrehen und hinsetzen. Atmen!!

    Fliegen Matkierungen, bekommt meiner seinen Ball, um die aufsteigende Energie gleich daran abzureagieren.

    In längeren Wartezeiten streue ich etwas Futter welches er suchen kann. Suchen beruhigt die Nerven. Und ich spaziere mit ihm weg von der Gruppe, damit er sich bewegen kann. Er darf auch ma den Ball fangen, wenn das nötig ist. Aber immer wieder ij die Ruhe bringen, nicht hochknallen, sondern umlenken ist das Thema.


    Mittlerweile benötigen wir nur noch selten grosses Management. Meist reicht viel weniger, weil er gelernt hat viel mehr auszuhalten. Es ist ein langer Weg, aber man muss diesen Hunden die Möglichkeit zum lernen genauso schaffen, wie für alle anderen Hunde, denen es leichter fällt.

    Dafür muss man sich von ein paar antiquierten Ansichten verabschieden und sich auf seinen Hund konzentrieren. Egal wie doof andere das finden.

    Am Ende zählt das, was euch beiden hilft. Und wenn das ein rosa Plüschtier ist, dann ist es eben ein rosa Plüschtier 😉 so als Sinnbild.


    Wichtig ist eine coole Arbeit, viel Schlaf, schöne Spaziergänge und einen Menschen an der Seite zu haben, der einen versteht. Dann ist der Hund rundum glücklich und zufrieden.

    Take it easy, ehrlich. Ihr habt noch sooo viel Zeit zusammen. Die Basis dafür legst du jetzt.

  • Ich kann ihn ja aber auch nicht einfach raus springen lassen und mich dann wild durch die Gegend ziehen lassen, vor allem an Straßen.

    Es ist ja nicht für ewig, aber vorerst macht es meiner Meinung nach absolut Sinn, weniger Anforderungen an den Hund zu stellen. Wenn das im jetzigen Umfeld nicht gefahrlos möglich ist, dann muss halt am Umfeld gedreht werden. Besteht die Möglichkeit, öfter rauszufahren? Also irgendwo hin, wo eben keine Straßen etc. sind und er mehr "einfach machen" kann?


    Zumal ich das Gefühl habe, dass es nur noch schwerer wird da Ruhe rein zu bekommen, wenn einmal die Erwartungshaltung da ist, dass es immer sofort los geht und Action ist.

    Naja, eine Erwartungshaltung gibt es eigentlich immer. Die hat dein Hund sehr wahrscheinlich auch jetzt. Die Frage ist halt, was die Erwartung des Hundes ist.

    Mir persönlich wäre es lieber, wenn mein Hund Action und Party erwartet als wenn er Frust und miese Laune erwartet. Ersteres ist meiner Erfahrung nach deutlich einfacher wieder in den Griff zu kriegen.


    Wenn er im Freilauf ist kann ich ihn ja auch nicht einfach machen lassen, weil dann verschwindet er auf kurz oder lang im Gebüsch und macht sein Ding. Er bewegt sich nunmal ohne Anleitung im Alleingang in einem großen Radius, dafür ist er ja auch irgendwie gemacht.

    Dann muss eben eine Schleppleine ran. Das kann tatsächlich unglaublich wohltuend für Mensch und Hund sein. Gerade in stressigen Phasen kann die Absicherung echt viel Entspannung und Ruhe reinbringen.


    Ich denke auch oft, dass Regeln und Grenzen ja eigentlich konsequent durchgezogen werden müssen. Wenn ich heute so und morgen so mache versteht er es ja auch nicht.

    Ich glaube (hoffe), dass hier niemand Inkonsequenz als Lösung anpreist. Natürlich ist es super wichtig, das, was du einforderst, auch verbindlich durchzusetzen, gar keine Frage.


    Aber das heißt nicht, dass du nicht daran drehen kannst, was du einforderst.


    Es hat nichts mit Inkonsequenz zu tun, wenn du deine Erwartungen (und damit auch die bestehenden Regeln und Grenzen) an den aktuellen Lernstand des Hundes anpasst. Im Gegenteil: Das ist einfach nur Fairness.


    Mir fallen so viele Situationen ein, in denen ein Kleinkind nicht dieselben Regeln befolgen muss wie ein erwachsener Mensch. Weil einfach jedem klar ist, dass ein Kleinkind diese Regeln noch gar nicht einhalten kann. Ist ja nicht schlimm, lernt es noch. Dass man da die Regeln an den Entwicklungsstand des Kindes anpasst und die mit dem Alter dann ausweitet, ist das Natürlichste der Welt.


    Warum wird dann aber vom Junghund - der in seiner Entwicklung eben auch noch nicht fertig ist - so oft erwartet, dass er schon genau dieselben Regeln zu befolgen hat wie ein erwachsener Hund? Warum ist es da so egal, was der Hund eigentlich schon leisten kann? Das macht für mich keinen Sinn.


    Es geht mir überhaupt nicht darum, dem Hund alle Regeln und Grenzen zu erlassen, sondern die Regeln und Grenzen (und ggf. das Drumherum) vorerst so anzupassen, dass dein Hund deren Einhaltung gut leisten kann.


    Konsequenz, Strukturen und Routine sind ganz arg wichtig, dem stimme ich ja absolut zu. Gerade mit einem nervösen Hibbel.

    Aber mindestens ebenso wichtig ist meiner Meinung nach, zu erkennen, wann man sich verrennt und aus lauter Konsequenz und Struktur und Routine eine Prinzipienversessenheit wird, bei der man den eigenen Hund aus den Augen verliert.


    Ein Hund lernt nicht schneller oder besser oder nachhaltiger, wenn er vor lauter Konsequenz in die Überforderung getrieben wird. Ein glücklicher Hund, der seiner Leistung entsprechend gefordert und gefördert wird, der wird das mit der Ruhe und Geduld schon irgendwann noch lernen. Auch wenn's erfahrungsgemäß auch mal 3 1/2 Jahre dauern kann :pfeif:

  • Meine Kleinpudelhündin Cara war aktiv und lernfreudig und hat viel angeboten und ich habe auch von Anfang an viel mit ihr gemacht. Aber im Alter von einem Jahr war sie schlicht mental noch absolut nicht prüfungsreif. Weder für die BH noch für Dummy. So einiges, was du beschreibst, kenne ich auch von ihr, als sie ein Junghund war, besonders den "derdarfundichnicht"- Frust beim gemeinsamen Dummytraining mit anderen Hunden. :roll:


    Was du heute krampfhaft zu erzwingen versuchst, wird dir von selbst geschenkt werden, sobald der Hund mental ausreift und mental erwachsen wird. Aber nur dann, wenn du jetzt den jugendlichen Hund nicht überforderst mit deinem Leistungsanspruch, sondern seine Grenzen erkennst und auch innerlich wirklich gelassen akzeptierst.


    Sie sehen mit einem Jahr schon so erwachsen aus, aber es sind eben 13, 14, 15 jährige Teenies, keine Erwachsenen. :smile:

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