Flegeljahre oder was?

  • Mein Mann und ich haben uns letztes Jahr im Juli unseren Benny aus dem Tierheim geholt. Er war damals 14 Monate alt und war schon bei zwei Familien gewesen. Angeblich hat er die Vorbesitzerin so dominiert, dass sie Angst bekommen hat (sie war schwanger), was ich mir aber nicht vorstellen kann, der Hund war in einem ebärmlichen Zustand: hat nur 22 Kilo bei einer Schulterhöhe von 60 cm gewogen und hatte ein stumpfes Fell. Die Muskeln an den Beinen waren unterentwickelt. Er hatte damals aber schon eine Zugkraft, wie ein Schlittenhund.


    Zunächst waren wir positiv überrascht:
    Autofahren, kein Problem.
    Zuhause: kein Problem, er bettelt nicht, er geht nicht an Essen dran, macht nichts kaputt und man kann ihn locker 3 Stunden alleine lassen, ohne dass etwas passiert (er holt sich nur einen Schuh, macht ihn aber nicht kaputt).
    Man kann ihn Bürsten, die Ohren saubermachen und beim knuddeln an den Händen knabbern lassen, ohne dass etwas passiert. Ich habe ihm schon Eistüten aus dem Maul gefischt, die er unterwegs aufgelesen hat, alles kein Problem. Selbst bei Kindern und Fremden legt er sich auf den Rücken und lässt sich den Bauch kraulen. Er mag Menschen und fasst schnell Vertrauen.


    Nun die Probleme:
    Das Leinenziehen ist besser geworden, dennoch kann es immer noch passieren, dass er, wenn er etwas interessantes gerochen hat, wie ein Blöder dorthinzieht. Bei mir ohne Erfolg. Mein Partner lässt sich leider oft mitziehen.
    Sein Gehorsam bei Freilauf lässt zu Wünschen übrig. Seit einem Jahr üben wir das "Hier", im Moment zeigt er uns den Stinkefinger. Beim 3-ten oder vierten Mal kommt er vielleicht, und auch nur, wenn man richtig Strenge in die Stimme legt. Manchmal muss ich 5 x "sitz" sagen bis er dann mal für ein paar Minuten sitzenbleibt.
    Selbst die Hundetrainerin in meinem Verein ist verzweifelt und hat ihn schon mehrmals zusammengefaltet.


    Schleppleinentraining? Er weiss ganz genau, wenn er an der Leine ist, dann macht er alles.


    Er ist sehr leicht erregt! Wenn ich mit ihm auf dem Hundeplatz bin flippt er aus und ist kaum noch zu halten. Er hat wahnsinnig viel Kraft! Konzentriertes Arbeiten ist so gut wie gar nicht möglich, immer zieht er und versucht zu machen, wonach ihm gerade ist. Selbst wenn ihn meine Trainerin zusammenfaltet juckt ihn das wenig. Er tollt rum, rollt sich auf den Rücken und spielt den Kasper.


    Wenn er mit anderen Hunden zusammenkommt, egal ob weiblich oder männlich, stellt er sofort den Kamm auf und legt die Ohren an.
    Raufen mit männlichen Artgenossen, die die gleiche Größe haben wie er tut er auch gerne.


    Folgende Maßnahmen habe ich schon ergriffen:
    - er darf nicht zur Tür rennen, wenn es klingelt, ich schicke ihn sofort auf seine Decke zurück
    - wenn er alleine war und ich komme nach Hause, wird er erstmal nicht beachtet, erst wenn er sich beruhigt hat, rufe ich ihn zu mir und begrüße ihn
    -ich gehe nicht zu ihm hin, wenn ich etwas von ihm will, rufe ich ihn zu mir ( im Moment kommt er von alleine gar nicht zu mir).
    - Beim Spielen habe ich immer ein zweites Spielzeug dabei, falls er mit dem ersten stiften geht.
    - Bei mir muss er jeden Befehl ausüben, den ich ihm gebe. Ich bin sehr konsequent mit ihm. Mein Mann leider nicht.


    Was ist los mit unserem Hund? Dominanzproblem? Führerproblem, Flegeljahre? Fehlende Bindung?( Ich habe gehört, dass kann locker 3 Jahre dauern bei einem Tierheimhund).


    Sorry für den Roman, aber der Hund ist etwas widersprüchlich in seinem Verhalten.


    Weiss hier jemand vielleicht Rat?


    LG


    Roisin und der ungezogene Flegel (wie ihn mal ein Hundetrainer genannt hat)

  • Hallo,


    Flegeljahre gehen auch bei anderen Hunden gerne mal bis 3 Jahre, nicht nur bei Tierheimhunden. Gerade dann, wenn es große Hunde sind.


    Es scheint mir, dass euer Hund euch recht gut im Griff hat. Er bestimmt ganz ordentlich euer Leben und er macht was er will. Daran müsst ihr arbeiten und anscheinend ist euch das ja auch klar.


    Wie arbeitet ihr? Wichtig ist alles zu loben was gut ist, der rest wird meistens ignoriert. Deine beschriebenen Ansätze sind gut. Ich arbeite nur mit Leckerchen. Alles was gut ist, wird so belohnt. Da brauche ich keinen Hund zusammenfalten.


    Zum Leinenziehen. Immer wenn er zieht bleibt ihr stehen und es geht erst weiter, wenn er locker lässt und euch anguckt. das kann auch mit Leckerchen gelobt werden. Zieht er wieder, stehen bleiben, auch wenns 30min. dauert. Oder aber umdrehen. Ich bin schon nach Hause gegangen, weil mein Hund so zog. Aber meistens reichen kurze schnelle Richtungswechsel. Hund muss lernen, nach euch zu gucken.


    Dann nehmt eine Schleppleine. Geht Hund links, geht ihr rechts, kommt er, loben, sonst herziehen. Immer wieder schnelle Richtungswechsel, damit er lernt zu gucken.


    Zum Hier: Du must spannend sein. Immer das Kommen mit kurzem Ballspiel oder Leckerchen loben. Du must interessant sein. Am besten mach dich klein, wenn Hund kommt und freu dich. Wer geht schon gerne zu jemandem, der sauer ist?


    Ich denke, euer Hund hat euch gut im Griff, ignoriert euch und ist nicht richtig ausgelastet. Was für ein Rassetyp ist er eher? Hütehund? Jagdhund? Windhund?...


    Was macht ihr auf dem Hundeplatz. Ich könnte mir für deinen Hund Obedience vorstellen. Hat bei meinem Hund Wunder gewirkt.


    Ansonsten würde ich euch den Clicker empfehelen. Damit kann man richtig gut loben, ohne dass der Hund die Stimmung am Ton erkennt.

  • ich bin im Rettungshundverein, und da lernt er sehr schnell was Sache ist, ich muss jetzt aber aus privaten Gründen aussetzen und ich will in der Zeit verstärkt am Gehorsam arbeiten, was die letzten Monate auf dem Hundeplatz zu kurz kam, da wir viel Trümmer- und Flächensuche gemacht haben.


    Wenn er etwas richtig gemacht hat, loben wir ihn (natürlich nicht mehr für Sachen wie Sitz und Platz). Im Verein arbeiten wir mit Spielen als Belohnung (meistens Beisswurst), nicht so viel mit Leckerlies. Wenn er spielen kann, dann lässt er die Leckerlies links liegen. Womit man mit ihm spielt ist ihm egal, er hat kein Lieblingsspielzeug.


    Danke für die Tipps mit dem Leinenziehen, werde ich ab jetzt befolgen. Bisher haben wir ihn immer zurückgeworfen, wenn er arg gezogen hat. Das juckt ihn aber wenig. Du hast Recht, man muss ihm weismachen, wenn er zieht, kommt er nicht weit.


    Ich bin viel mit meinem Hund unterwegs und Jogge mit ihm auch mehrmals die Woche, ab und zu schläft er einen Tag lang, das aber meistens nach angstrengenden Tagen, wo er wenig Ruhe gefunden hat.
    Er ist ausgelastet. Selbst nach drei Stunden spazierengehen und spielen hat er noch Energie, das ist der Wahnsinn. Was mir auffällt, ist dass wenn ich mit ihm jogge er sehr viel Sprints macht, d.h. er läuft von sich aus auf Maximumgeschwindigkeit und bremst dann ab. Das macht noch nicht mal der Galgo von einem Freund von mir.


    Rasse? Hmm Mix, aus was konnte mir bisher niemand sagen, wahrscheinlich Bernadiner, Schäfer, Staffordshire, Husky. Sieht aus wie ein Chinook. Kein Tierarzt und kein Trainer konnte es bisher sagen. Labbi, wie man uns im Tierheim weismachen wollte, ist definitiv nicht drin. Golden Retriever auch nicht.


    Hier mal Bilder von unserem Raufbold:
    http://www.popup-design.de/benny_01.jpg
    http://www.popup-design.de/benny_04.jpg


    Im Verein arbeiten wir nicht mit dem Clicker, ich weiss nicht, ob sich dass dann anbietet.


    LG


    Roisin

  • Hi du,


    das ist aber ein Hübscher.


    Wenn dein Hund vom Laufen nicht müde wird, dann hilft bestimmt Kopfarbeit.


    Ich habe damals mit Agility angefangen und habe durch die Begleithundeprüfung begriffen, wie mein hund lernt und arbeitet , und dass sie die Kopfarbeit braucht. Gerade die Unterordnung durch Obedience hat endlich Ruhe in den Hund gebracht. Aber bestimmt auch das Alter.


    Jetzt ist sie vier und ich ernte, was ich gesäät habe! Agility musste ich aus Gesundheitsgründen des Hudes aufgeben. Trotzdem habe ich einen ruhigen Hund.


    Während meiner Spaziergänge übe ich immer wieder. Eigentlich ist alles Übung. Beim Radfahrer hinsitzen, beim Jogger Fuß laufen usw. Vor dem Ableinen muss sie hinsitzen. Immer wieder gibt es eine Aufgabe. So ist mein Hund total zufrieden, da sie immer, wenn es gut war, gelobt wird. Wenn dein Hund auf Spielen abfährt, ist das doch klasse. Für alles was gut war, wird gespielt. Das blickt der schnell.


    Grüße Biber

  • Hallo,
    also ich würde auch mehr auf Kopfarbeit gehen, vorallem Zuhause und bei den gemeinsamen Spaziergängen.


    Hab selber so eine Sportskanone daheim und glaub nur mit Laufen, Joggen oder Radfahren ist er auch nicht Müde zu kriegen, haben dann Angefangen Ihm Tricks beizubringen oder Leckerlie in Dosen gesteckt die er erst Suchen und anschließend selbsttändig öffnen muss und natürlich viele andere Dinge.


    Auch beim Spazierengehen, bau ich alles was so im Weg liegt irgendwie ein. Was auch sehr beliebt ist, während dem Spaziergang ab und an Leckerlie am Wegesrand verteilen und beim zurücklaufen Suchen lassen.

  • Hallo Ihr,


    vielen lieben Dank für die Anregungen. Ich werde es mit verstärkter Kopfarbeit versuchen meinen Hund alle zu machen :-).


    Obedience bzw. Unterordnung ist im Moment auch das Wichtigste für meinen Rüpel. Habe mir ein Buch bestellt um etwas mehr zu machen als, sitz, platz, bleib und hier. Mehr haben wir bisher auf dem Hundeplatz auch nicht gemacht :-(. Was nützt es mir, das mein Hund Kaltanzeige machen kann, wenn er ni cht gehorcht!


    Das mit dem Stehenbleiben funktioniert sehr gut, er hat schnell geblickt, dass er mich anschauen muss, damit es weitergeht. Heute ist er sogar von sich aus eine Zeit lang Fuss gelaufen und hat meine Hand angestupst :) (vielleicht war er aber nur fertig, weil er vorher eine halbe Stunde mit einem Dackel rumgetobt ist).



    Viele Grüße


    Roisin

  • Ich kann meine Vorredenern nur zustimmen denn auch wir haben eine Hund der durch laufen nicht kaputt zu kriegen ist
    viel Kopfarbeit zu hause in der Wohnung oder im Garten wenn du tipps brauchst gerne habe da schon viele Dinge machen müssen denn sonst ist unser kleiner nicht ausgelastet dies machen wir auch vor der Hundestunde und siehe da Konzentration ist besser ich bin interessant und alles geht leichter
    LG Nicole

  • für Tipps bin ich immer dankbar :-)....im Moment mache ich mit Ihm Sachen, wie: Sitz am Treppenabsastz machen und dann abrufen, d.h. er muss konzentriert warten, oder nach dem Ableinen warten lassen, bis er loslaufen darf, weil er sonst unkontrolliert losläuft. Darf er jetzt nur noch mit Kommando....versteckte Leckerlies in der Wohnung suchen, oder auch mal mich suchen,


    LG


    Roisin

  • Bei unserm ist es ähnlich habe ihm das auch einfach irgendwelche für den alltag ungeeignete Kunststückchen beigebracht wie High Five oder ne Rolle machen das strengte unseren so an das er dann echt kaputt aber happy weil ihm das echt Spaß macht dies mache ich auch als einheit im Trainig weil ihn das gut ausgleicht und ich es dann wieder leichter habe
    LG Nicole

  • Kann es sein, dass ihr eine zu aggressive Ausdrucksweise (Körpersprache/ Lautsprache) habt ? Für mich klingt das weniger nach Ungehorsam sondern nach mangelndem Vertrauen in gewissen Situationen ?


    Vorallem, wen ich dann höre, dass er von der Trainerin zusammengefaltet wird, Woher nimmt sie sich das Recht. Sie gehört ja noch nicht einmal zum Rudel. Oder dürfte ein Lehrer bzw. jeder X-beliebige auch eure Kinder zusammenfalten ? Das steht doch wenn, dann nur den Eltern zu.


    Zitat

    Sein Gehorsam bei Freilauf lässt zu Wünschen übrig. Seit einem Jahr üben wir das "Hier", im Moment zeigt er uns den Stinkefinger. Beim 3-ten oder vierten Mal kommt er vielleicht, und auch nur, wenn man richtig Strenge in die Stimme legt. Manchmal muss ich 5 x "sitz" sagen bis er dann mal für ein paar Minuten sitzenbleibt.


    Beobachtet euch mal beim Befehle geben gegenseitig, ob ihr eine bedrohliche Haltung annehmt.


    Ich habe einige Befehle/ Sichtzeichen inzwischen verändert, weil ich merkte das sich mein Hund durch die Körperhaltung bedroht fühlte. Und auf einmal klappte das auf Anhieb. Sie hat also genau verstanden, was ich von ihr wollte. Nicht Ungehorsam hat sie von der Ausführung abgehalten, sondern Angst.

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