Sozialhilfeempfänger mit Hund

  • Zitat

    Die Situation mit Eurer Firma erstaunt mich allerdings. Ihr habt schließlich qualifiziertes Personal gesucht, da sollte eigentlich die Einstellung stimmen. Hat sich das Arbeitsamt eigentlich (nach Eurer Einschätzung) an Euer Anforderungsprofil gehalten?


    In unserer Berufsbranche gibt es mehrere "Kartegorien" von Technikern.
    Das sind an oberster Stelle die Allrounder, die in allen Bereichen der Zahntechnik eingesetzt werden können.
    Dementsprechend ist natürlich auch der Verdienst.
    Dann gibt es die sogenannten "Spezialisten", die sich auf einzelne Gebiete der Zahntechnik beschränkt haben.
    Dementsprechend niedriger ist natürlich dann auch der Lohn.
    Jetzt ist es so, dass in den vergangenen Jahren viele Allroundtechniker der ZT den Rücken gekehrt haben, um in der Industrie-Dentalbranche erneut Fuss zu fassen.


    Die sogenannten arbeitslosen Spezialisten melden sich beim Arbeitsamt.
    Wir haben beim Arbeitsamt den Tätigkeitsschwerpunkt angegeben, und ich muss sagen, dass dem auch wirklich Rechnung getragen wurde.

    Zitat


    Es ist nicht zwingend Bocklosigkeit, warum diese Menschen nicht zum Viorstellungsgespräch erscheinen. Es ist teilweise schlicht Versagensangst, weil sie ihre 100 und mehr Ablehnungen bereits erhalten haben. Da ist nichts mehr mit Motivation u.ä. oder gar Zukunftshoffnung.


    Du, das glaube ich schon, dass es mitunter so sein kann.
    Was unsere Branche jedoch betrifft, da wird es nie auf 100 Absagen kommen, weil es der Markt gar nicht mehr hergibt.
    China, Ungarn, Türkei und Tschechien haben unser Handwerk kaputt gemacht.
    Jeder arbeitslose Zahntechniker kann froh sein, dass er überhaupt noch ein Vorstellungsgespräch aufgrund seines Profiles bekommt.
    Und das ist eine wahrhaft traurige Bilanz eines wunderbaren Handwerks.

    Zitat

    Es gibt in diesem Bereich viele Aspekte:


    Das stöhnen der Unternehmer, dass Fachkräfte fehlen. Die gleichen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren strukturell (also dauerhaft) Ausbildungsplätze abgebaut.


    So manches Unternehmen hat die Situation auf dem Arbeitsmarkt auch ausgenutzt: Dumpinglöhne, nur Praktikantenverträge, jede staatliche Förderung mitnehmend und sich anschließend von den Menschen wieder trennend (um dann für die nächsten die Förderung einzustreiten).


    Ist das wirklich so?
    Das war mir in der Form so nicht geläufig.


    Wir haben beispielsweise schon zig Lehrlinge ausgebildet, manchmal mehrere gleichzeitig, und sie, sofern von uns nach der Lehre übernommen, auch mit Weiterbildungen gefördert.
    Was für uns ein nicht unerheblichen Zeit,-und Kostenfaktor darstellte.


    Die richtig talentierten und guten Leute davon haben sich im Anschluss daran selbstständig gemacht.
    Auch haben wir es akzeptiert, dass während ihrer Meisterprüfung ein Grossteil der Arbeitskraft ausfiel...bei gleichem Lohn wohlgemerkt.


    Der Dank dafür blieb bis auf wenige Ausnahmen aus.
    Das stimmt einen, und das kannst Du mir glauben, richtig nachdenklich und traurig.



    Mittlerweile ist es so, dass wir aus Kostengründen keine Lehrlinge mehr mehr ausbilden können.

    Zitat


    Ich denke, es gibt auch eine soziale Verpflichtung der Unternehmen. Das wollen manche Unternehmen heute nur nicht mehr wahr haben und viele werden diesem auch nicht mehr gerecht.


    Oh ja, wie wahr.
    Vor allem betrifft es viele Grossunternehmen.


    Der Mittelständler tut sich da schon etwas schwerer, und dieser stösst des Öfteren dadurch an seine finanzielle Grenze, weil es einfach nicht mehr geht. Verpflichtung übernimmt man gerne, wenn es denn auch machbar ist.
    Bei mir spielt nach wie vor die menschliche Komponente ein riesen Rolle.
    Mir wurde es auch schon als Hemmschuh meiner Karriere an den Kopf geworfen.
    Auch das stimmt mich nicht minder traurig und nachdenklich.


    Diese Diskussion wird schon fast zu politisch, aber dennoch sehr interessant zu hören, wie es aus unterschiedlichen Perspektiven erscheint.

  • Zitat

    Bei mir spielt nach wie vor die menschliche Komponente ein riesen Rolle.
    Mir wurde es auch schon als Hemmschuh meiner Karriere an den Kopf geworfen.
    Auch das stimmt mich nicht minder traurig und nachdenklich.
    Diese Diskussion wird schon fast zu politisch, aber dennoch sehr interessant zu hören, wie es aus unterschiedlichen Perspektiven erscheint.


    britta
    Nichtsdestotrotz solltest du deine Menschlichkeit nicht dem Zeitgeist opfern.
    Die Menschen wahrzunehmen finde ich so wichtig.
    Es kommen auch wieder andere Zeiten.
    OT: Glückwunsch zum Einjährigen :D


    Friederike

  • Zitat

    britta
    Nichtsdestotrotz solltest du deine Menschlichkeit nicht dem Zeitgeist opfern.
    Die Menschen wahrzunehmen finde ich so wichtig.
    Es kommen auch wieder andere Zeiten.
    OT: Glückwunsch zum Einjährigen :D


    Friederike


    Siehste Friederike, also liege ich doch nicht so falsch? Danke Dir!


    Ausserdem ist es so, dass man nun nicht definitiv über seinen Schatten springen kann.
    Zumindest ich nicht, ich werde es nie können.
    "Du musst Schwein sein auf dieser Welt", das wurde mir persönlich kürzlich so gesagt. :???:


    Ja aber natürlich, es werden sicher bessere Zeiten kommen...allerdings wird altersbedingt die Zeit eng werden.
    Darum mein zweites Standbein nebenher.



    OT: Was meinst Du mit Einjährigem?
    Irgendwie bin ich heute auf der ganzen Linie leicht begriffstutzig :ops:

  • Zitat

    OT: Was meinst Du mit Einjährigem?
    Irgendwie bin ich heute auf der ganzen Linie leicht begriffstutzig :ops:


    Das habe ich jetzt auch nicht verstanden. :D


    Zum Arbeitsamt hätte ich aber noch was beizusteuern: Ein Bekannter von mir, der letzten Sommer sein Informatikstudium beendet hat und sehr erfolgreich in diversen Projekten mitgearbeitet hatte, dachte sich auch, neben der Stellensuche auf eigene Faust kann es ja nicht schaden, sich mal beim Amt zu melden.


    Als sie ihn fragten, welche Fähigkeiten er denn bisher erworben hat, fing er an, diese aufzuzählen, wobei es durchaus auch ganz übliche für jemanden waren, der dieses Studium absolviert hat. Daraufhin meinte der Mitarbeiter, nee, wie jetzt, er hätte hier nur das und das in seiner Liste und vieles (eigentlich die interessanten Dinge) könne er in seine Maske, die er vor sich hätte, überhaupt nicht eingeben, um damit das Profil meines Bekannten zu erfassen. Naja, hat sich mein Bekannter mal mit dem Mitarbeiter gemeinsam durch das Programm gekämpft und uns danach lachend berichtet, dass, wenn sich irgendein Arbeitgeber auf dieses Profil melden würde, dann kann es eigentlich nur unpassend sein.


    Und so war es dann auch; es meldete sich zwar tatsächliche der ein oder andere, der aber mittels eines kurzes Telefonates sofort Abstand von meinem Bekannten nahm, da dieser einfach viel höher qualifiziert war/ist. Eine Stelle hat er natürlich gefunden, aber dann doch ganz selbstständig und ohne Arbeitsamt. :D

  • Zitat

    OT: Was meinst Du mit Einjährigem?
    Irgendwie bin ich heute auf der ganzen Linie leicht begriffstutzig :ops:


    Ähh, da gibts nichts zu sagen. War ein Kabelbrand im Gehirn. Habe einfach Daten falsch gelesen. :ops:


    Friederike

  • Zitat


    Ist das wirklich so?
    Das war mir in der Form so nicht geläufig.


    Moin,


    ja, leider.


    Insbesondere sehr große Firmen beschäftigen oft extra Kräfte, die gezielt alle staatlichen Förderung ausloten und mitnehmen. Dann werden eben Arbeitnehmer, für die es Zuschüssse gibt, die vorgeschriebene Zeit beschäftigt und danach gegen den nächsten ausgetauscht.


    Mitnahmeeffekte und Ausnutzen des Sozialstaates machen nicht nur manche Arbeitnehmer.



    Zu Ausbildungsplätzen:


    Große Firmen hatten früher oft Lehrwerkstätten, in denen nur ausgebildet wurde. Diese wurden in den letzten Jahren (jahrzehnten) oft geschlossen und damit wurden dauerhaft Ausbildungsplätze gezielt abgebaut. Manche dieser Firmen steht heute an erster Stelle der Stöhner, es gäbe keine Fachkräfte mehr in Deutschland.


    Tschüss


    Jörg

  • Hallo,


    Ich kann nur sagen, Pebbles hat mir mit ihren Beiträgen auws der Seele gesprochen. Ich habe auch Hartz IV bezogen und kann nur sagen, das ist wirklich kein Zuckerschlecken. Ich wollte einen Job finden, angeboten wurde mir nicht ein einziger vom Jobcenter, wenn ich mich nicht dahinter geklemmt hätte, hätte ich gar nichts gefunden, so hatte ich wenigstens Aushilfsjobs. Aber auch bei mir hieß es immer, ich bin überqualifiziert, blala. Na toll, ich möchte aber meinem Kind eine Perspektive bieten.
    Ich bin dann zurück nach Mexiko gegangen, hier habe ich einen Job angeboten bekommen, aber wenn ich zurück nach Deutschland gehe stehe ich vor der gleichen Situation.
    Überlege jetzt ernsthaft umzuschulen um ein zweites Standbein zu haben.
    Viele Jobs habe ich beispielsweise auch nicht bekommen, da ich keine Kinderbetreuung hatte und nicht flexibel einsetzbar war. Aber eine Kinderbetreuung hätte ich mir einfach nicht leisten können.


    Und ich denke es sind verdammt viele in einer solchen Situation, die, die unverschuldet da hineingeraten, Die wenigen Beispiele, die in die Presse geraten werden als Normalzustand genommen und das sehe ich absolut nicht so.


    Und wenn ich keine Eltern gehabt hätte, die mir mal Lebensmittel oder Hundefutter mitgebracht hätten, wäre es gar nicht gegangen.


    Liebe Grüße,
    Nicky

  • Zitat

    Und ich denke es sind verdammt viele in einer solchen Situation, die absolut unverschuldet da hineingeraten sind und lieber heute als morgen da hinaus wollen. Die wenigen Beispiele, die in die Presse geraten sind, sind absolut nicht der Durchschnitt!


    Habe mal Deinen Beitrag noch ein wenig entschiedener nach meiner Meinung editiert :ops:, denn ich sehe es ganz genauso wie Du!!!

  • Man kann schneller in die Situation kommen als man denkt.
    Ein 55-jähriger Bekannter hat nach 41 Jahren ununterbrochener Arbeit zum Jahresende die Kündigung bekommen mit dem Hinweis er wäre zu Teuer :kopfwand: , denkt denn jemand dieser Mann hat noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt?
    Selbst mit zwei erlernten Berufen und sehr guten Abschlüssen ist man ab einem bestimmten Alter chancenlos. Einmal heisst es, doch keine Frau in dem Beruf, dann ist man überqualifiziert oder man ist zu alt.


    Die Arbeitgeber suchen heute Personal im Alter von max. 25 Jahren mit 30 Jahren Berufserfahrung, keinem Privatleben, also am besten 24h am Tag verfügbar, 200km Arbeitsweg und das für 2,50€ Brutto die Stunde :ironie:
    Die sogenannte Entspannung des Arbeitsmarktes ist doch nur auf die Leiharbeit zurückzuführen.


    Arbeiten ja gerne, aber man muss davon leben können.


    LG Iris + Schäfis

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!