ANTI-JAGD-TRAINING oder Dr. Jekyll und Mr. Hyde

  • Ich werf hier mal meine Frage rein:


    Mein Mischlingsrüde ist eine Jagdsau vor dem Herrn und generell (vielleicht aus seiner Straßenhundezeit?) extrem eigenständig, null Will-to-Please. Er weiß alles und kann alles und das dann am besten alleine.
    Generell läuft es inzwischen sehr gut (hab ihn jetzt 10 Monate hier und er ist jetzt geschätzt 6 Jahre alt), im Alltag klappt das Meiste ganz harmonisch. Aber wehe, wenn Wild auftaucht, dann ist was los. :rollsmile: Er ist definitiv auch ein Kandidat, der ein Reh erwischen würde und da mit vollem Ernst hinterhergeht, also das ist nicht nur Aufregung und 50m hinterherflitzen, um dann doch das Interesse zu verlieren. Vielleicht hat er in seinem früheren Leben auch Jagderfolge gehabt, ich halte es für gut möglich.


    Er läuft fast ausschließlich an der Schleppleine (je nach Baumdichte/freier Fläche 7m oder 20m Länge), nur auf überschaubaren Flächen ohne Wild kommt er zum Toben mit Kumpels mal ganz von der Leine.
    Er will alles jagen, was nicht wegfliegen kann, also nicht nur Wild, sondern auch Katzen und was uns sonst so im Ort begegnet. Vögel interessieren ihn nicht groß, nur bei Enten und Co. zuckt er mal in ihre Richtung.


    Ich hab bisher nicht groß mit ihm daran gearbeitet, also nicht gezielt mit Plan und allem drum und dran. Das liegt vor allem daran, dass wir manchmal wochenlang kein Wild sehen und auch nur selten mal eine Katze.


    Frage: Wie kann man Antijagdtraining am lebenden Objekt betreiben, wenn man nirgends zuverlässig und regelmäßig Wild sichtet?
    Wir haben endlos Wald und Wiesen, aber seit Weihnachten haben wir z.B. nur auf drei Tage verteilt insgesamt ca. 10 Rehe gesehen. Außer Rehen gibt es noch eine handvoll Feldhasen, und abgesehen von den Katzen war es das dann auch schon so ziemlich. Keine Wildschweine, keine Kaninchen, und Vögel spielen ja keine Rolle. Gaaanz wenige Hirsche gibt es noch, aber die fallen dann irgendwie auch unter "Rehe". :D
    Es gibt hier allerdings jede Menge Rehe, nur sind die Wälder so weitläufig, dass man sie fast nie zu Gesicht bekommt. Jäger sind hier zuhauf unterwegs, an jeder Ecke ein Hochsitz, es ist nicht so, dass es kein Wild hätte. Nur sieht man es einfach nicht zu normalen Zeiten (in der Dämmerung sicher, aber da hab ich selten Zeit für so riesige Runden, dass wir da vorbeikommen und regelmäßig üben könnten).


    Ich traue mich aber nicht, Elin einfach freilaufen zu lassen, weil er auch gerne mal anfängt ein Fährte ins Unterholz zu verfolgen und alle paar Wochen ja doch mal zwei Rehe vor uns über den Weg springen.


    Wie kann ich da sinnvoll trainieren? Ist das überhaupt möglich bei so wenigen Wildsichtungen?


    Er hängt dann immer sofort in der Leine, will hinterher und ist kaum bis gar nicht ansprechbar. Bisher habe ich ihn einfach festgehalten und hab so zügig wie möglich kehrt gemacht, irgendwie weg vom Wild. Nix weiter gesagt dabei und ihn erst wieder angesprochen und z.B. mit dem Futterbeutel abgelenkt, wenn er wieder etwas zu sich gekommen war. Wenn er schon weit genug runtergefahren ist, apportiert er dann auch mit Vollgas den Beutel, manchmal ist er noch zu sehr mit Gucken und Rumzappeln beschäftigt.


    Bei Katzen bleibt er (mittlerweile!) manchmal nur stehen (meist so lange, wie die Katze auch an Ort und Stelle hocken bleibt), dafür hab ich ihn dann immer mit Stimme und Futter belohnt.
    Das ist dann meistens ungefähr so: Katze gesichtet - stehenbleiben und hinglotzen - Lob und Ansprache; wenn er sich mir zuwendet: Futter - schnell wieder Katze weiterfixieren - wenn er dabei bei mir bleibt wieder Versuch mit Futter zu loben und stimmliches Lob - Möglichkeit 1: Katze rennt irgendwann weg, dann will er meist hinterher wie bei Rehen, die Heftigkeit wird aber meinem Gefühl nach weniger inzwischen - Möglichkeit 2: Katze bleibt, wo sie ist, und wir müssen dran vorbei; dann tippelt er oft stückchenweise auf sie zu, für jedes Stehen dazwischen gibt es ein Lob, aber meistens endet es doch darin, dass er in der Leine hängt und ich ihn nur irgendwie vorbeimanövrieren kann.



    Ich würde ihn so gerne freilaufen lassen können, gerade auch am Fahrrad und beim Joggen wäre das sooo praktisch.
    Wie würdet ihr da vorgehen? Selbst wenn ich gezielt nach Wild suchen würde auf entsprechenden Strecken, würden wir vielleicht nur einmal im Monat ein Reh sehen.


    Liebe Grüße!

  • Hallo Elin,


    deiner doch recht ausführlichen Schilderung nach, würde ich noch gar nicht gezielt am Wild trainieren. Erstmal regelmäßig Impulskontrolle an Spielzeug, Dummy oder Reizangel. Kann er sich denn da beherrschen?
    Wenn das der Fall ist, kann man in quasi abgeschwächter Form in einem Tierpark, Zoo oder Wildgehge trainieren.
    Gibt natürlich Hunde, die den Zaun direkt begreifen, aber der Vorteil für das Training ist, dass die Tiere im Gehge auch nicht mehr ganz so stressanfällig sind, falls der Hund doch mal "rot" sieht.


    Grüße,
    Florian

  • Hallo, vielen Dank für die Antwort. :smile:


    Ich kann ganz problemlos den Futterdummy werfen, während er im Sitz oder Platz wartet, und ihn dann erst hinschicken. Wir haben auch von Anfang an geübt, dass er bei jeglichem Futter, was von mir kommt, erstmal auf Freigabe wartet. Generell kann er ganz gut warten, auch auf die Freigabe zum Losdüsen mit anderen Hunden usw.
    Beim Ball weiß ich gar nicht, ob er sich überhaupt dafür interessiert, wenn er nicht im Vollgas-Spiel-Modus direkt hinterherflitzen darf. Er ist nicht so der "Spielhund", erst nach einem halben Jahr hier hat er sich mal ein bisschen dafür interessiert. Den Futterbeutel holt er super, da ist ja auch was zu mampfen drin, ansonsten hängt das sehr von seiner Stimmungslage ab. Den Ball holt er oft nur 3 oder 4 mal und dann ist es wieder uninteressant.
    Mit der Reizangel hab ich mich noch nie befasst. Kann man das halbwegs unkompliziert alleine auf der Wiese betreiben?


    Wir haben hier leider keine Tiergärten in der Nähe, und ohne Auto ist das dann gleich ein Tagesausflug, sodass ich das nur ganz unregelmäßig mal machen könnte. Zum nächsten Wildgehege bin ich mit den Öffentlichen sicher um die drei Stunden unterwegs, wenn nicht mehr. :/

  • Wie kann ich da sinnvoll trainieren?

    In dem Du dem Hund antrainierst, dass er an der Schleppleine auf dem Weg bleiben muss und jeder Schritt vom Weg ab wird entsprechend korrigiert. Letzteres lässt Du einfach nicht zu.


    So muss der Hund zwangsläufig seine Schnüffeltour abbrechen und lernt dabei in Deiner Nähe zu bleiben.


    Kommt Wild ins Spiel: stehen bleiben, warten bis das Wild weg ist, warten bis der Hund ansprechbar ist, Hund zu Dir rufen und belohnen.

  • Ich kann ganz problemlos den Futterdummy werfen, während er im Sitz oder Platz wartet, und ihn dann erst hinschicken.

    Das kann man übrigens noch steigern, indem man wirft, während der Hund läuft (oder erst mal steht). Sowohl während der Hund das mitbekommt als auch überraschend.

  • In dem Du dem Hund antrainierst, dass er an der Schleppleine auf dem Weg bleiben muss und jeder Schritt vom Weg ab wird entsprechend korrigiert. Letzteres lässt Du einfach nicht zu.
    So muss der Hund zwangsläufig seine Schnüffeltour abbrechen und lernt dabei in Deiner Nähe zu bleiben.


    Kommt Wild ins Spiel: stehen bleiben, warten bis das Wild weg ist, warten bis der Hund ansprechbar ist, Hund zu Dir rufen und belohnen.

    Das ist so halbwegs konsequent eh schon die Regel, ich werde noch mehr darauf achten. :)


    Also nicht vom Wild weg, sondern einfach nur abwarten und dann herrufen, wenn er wieder zu sich kommt?



    Das kann man übrigens noch steigern, indem man wirft, während der Hund läuft (oder erst mal steht). Sowohl während der Hund das mitbekommt als auch überraschend.

    Danke für die Idee, werde ich auf jeden Fall einbauen! :gut:

  • Bezüglich der Wege: Sobald sie nicht nur an einer Stelle schnuppert sondern weiter runter vom Weg will, angele ich mich an der Schleppleine zum Hund. Kein ziehen, nur dass der Hund nicht weiter kann. Dann stelle ich mich vor den Hund, breite die Arme aus und gehe auf den Hund zu, dass er zurück auf den Weg geht. Ich verharre dann noch 2-3 Sekunden an der Stelle und gehe weiter. Das Ganze passiert wortlos. Bei einem "raus da" weiß der Hund zwar, dass er aus dem Gebüsch soll, aber nicht, dass grundsätzlich Wege einzuhalten sind weil ich in der Regel ja erst den befehl gebe, wenn der Hund zu weit vom Weg ab ist.
    Unsere hat das recht schnell kapiert und lässt sich mittlerweile auch mit einem aufgebauten "weiter" direkt wieder auf den Weg motivieren.

  • Bei einem "raus da" weiß der Hund zwar, dass er aus dem Gebüsch soll, aber nicht, dass grundsätzlich Wege einzuhalten sind weil ich in der Regel ja erst den befehl gebe, wenn der Hund zu weit vom Weg ab ist.

    Kommt drauf an wie man es anwendet. Im Trainingsverlauf sollte es ja darin münden, dass man dem Hund dadurch mitteilen kann, den Weg gar nicht zu verlassen. Das funktioniert in der Regel auch, wenn man es gut aufbaut. Meiner Erfahrung nach ist die "Auf den Weg"-Regel häufig das erste, was beim Thema Jagen den Durchbruch schafft.


    Man muss halt immer bedenken: Je mehr man die Schleppleine benutzt im Trainingsaufbau, desto schwieriger wird es sie jemals wieder loszuwerden.

  • Kommt drauf an wie man es anwendet. Im Trainingsverlauf sollte es ja darin münden, dass man dem Hund dadurch mitteilen kann, den Weg gar nicht zu verlassen. Das funktioniert in der Regel auch, wenn man es gut aufbaut. Meiner Erfahrung nach ist die "Auf den Weg"-Regel häufig das erste, was beim Thema Jagen den Durchbruch schafft.
    Man muss halt immer bedenken: Je mehr man die Schleppleine benutzt im Trainingsaufbau, desto schwieriger wird es sie jemals wieder loszuwerden.


    Da stimme ich Dir auf jeden Fall zu. Hat bei uns schon deutlich mehr Ruhe in den Spaziergang gebracht. Voraussetzung ist wie immer, das man den Hund permanent im Auge hat. Ich persönlich nehme lieber die wortlose Hingeh-Variante, da ich eher Freund von wenigen Kommanos bin. Grundsätzlich ist es wie immer jedem selbst überlassen wie das auf dem Weg bleiben gefestigt wird.
    Im Fazit wollen wir ja alle, dass der Hund auf dem Weg bleibt. Bei uns sind seitdem alleine die Mäusesprünge bzw. das Festbuddeln an einem Loch von 2-5x je Spaziergang auf 0-2x gesunken. Und dabei wende ich dieses fixe auf dem Weg bleiben erst seit 1,5 Wochen an.

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