ANTI-JAGD-TRAINING oder Dr. Jekyll und Mr. Hyde

  • Was machst du denn ansonsten mit Marley an Beschäftigung - irgendwas in Richtung Jagd (ersatz)training?

    Unsere Hauptbeschäftigung ist nach wie vor Alltagsbewältigung und Grundgehorsam was step by step ausgebaut wird. Ansonsten damit der Kopf auch was zu tun hat wird getrickst oder auch mal Leckerlies versteckt. Mir war die letzten Monate eigentlich wichtig, dass eine vernünftige Impulskontrolle aufgebaut wird und wir hatten zwischenzeitlich einen kleinen Zornickel also wurde vermehrt Frustrationstoleranz trainiert. Also in Richtung Jagd gar nichts. Im Gegenteil habe da eher drauf geachtet, dass wenn mal ein Ball geworfen wird (was selten passiert, weil er da völlig abdreht) nicht einfach nachgerannt wird sondern immer nur auf Freigabe.


    Ich hatte bisher das Gefühl, dass ihn Bewegungsreize nicht allzu sehr anfixen. Man hört ja häufiger, dass jagdlich ambitionierte Hunde schon von klein auf zum Beispiel fliegenden Blättern nach wollen. Auch bei unseren zwei Katern zeigt er keinerlei Interesse wenn die sich durch die Wohnung scheuchen. Vielleicht wars nicht die ganz optimale Herangehensweise aber ich habe von Tag 1 darauf geachtet, dass keinem Bewegungsreiz willkürlich nachgegangen werden darf, einfach damit er die Freiheit von Freilauf behalten darf.

    Jagen = positive Erlebnisse IN KOOPERATION mit dem Menschen

    hört sich plausibel an. Wie setzt man das denn in der Praxis um?

    Was isser denn?

    rumänischer Mix also alles und nichts aber seinem Verhalten nach würde ich auf einen Großteil Herdenschutzhund tippen. Glücklichster Hund wenn er einfach nur im Hof faulenzen darf und alles im Blick hat (er schaltet trotzdem ab und döst). Seine ganze Art ist eher gemütlich, wachsam aber ohne hohldrehen aufgrund Reizüberflutung. Territorialverhalten ist definitiv da wobei wir das bisher sehr gut im Griff haben, sprich er lässt sich weg schicken oder abrufen. Anschlagen ist erlaubt, danach übernehmen wir und da nimmt er sich dann auch raus behält aber alles im Auge.


    Edit: bisher zähle ich ihn aber nicht zu den selbstständigen Hunden was ja eigentlich Herdenschutzhunden zugesprochen wird. Er bleibt immer in der nähe also min. im Sichtfeld und fragt viel ab also es kommt inzwischen äußerst selten vor, dass er sein eigenes Ding macht ohne zumindest mit einem Ohr bei uns zu sein.

  • Du weißt aber schon, dass HSH genetisch oft ordentlich Jagdverhalten mitbringen?

    Ja hatte ich auch schon gelesen aber wie gesagt habe ich das Gefühl bisher gehabt, dass er selbst davon nichts weis. Dass er jetzt grad das Alter erreicht hat in dem sich auch Jagdverhalten von heute auf morgen zeigt ist mir durchaus bewusst. Und da wir eben nicht genau wissen was alles drin steckt und alles nur Mutmaßungen sind habe ich eben von Anfang an versucht jegliche jagdfördernde Spiele entweder zu meiden oder eben so zu gestalten, dass zeitgleich Impulskontrolle aufgebaut wird.


    Fakt ist mir bleibt gar nichts anderes übrig als ihn vorerst nur gesichert zu führen um eben zu schauen wie ausgeprägt der Jagdtrieb ist und jede Gelegenheit die sich bietet dazu zu nutzen das Jagdverhalten in kontrollierte Bahnen zu lenken. Im schlimmsten Fall bleibt er sein restlichen Leben an der Schlepp aber ich würde doch schon gern wenigstens versuchen das ganze so zu lenken, dass er auch im Freilauf führbar bleibt.

  • Das hier:

    Im Gegenteil habe da eher drauf geachtet, dass wenn mal ein Ball geworfen wird (was selten passiert, weil er da völlig abdreht) nicht einfach nachgerannt wird sondern immer nur auf Freigabe.

    widerspricht aber dem:



    Ich hatte bisher das Gefühl, dass ihn Bewegungsreize nicht allzu sehr anfixen

    insofern, dass dein Hund Bewegungsreize wohl sehr differenziert betrachtet und stark diskriminiert: Interessant und lohnenswert (gleich=nachjagen), und uninteressant und nicht lohnenswert (= wird bemerkt und abgehakt).


    Gut, dass du bei dem Ball schon Impulskontrolle machst; Ich persönlich halte einen Ball für so ziemlich das ungeeignetste Arbeitsgerät zum Etablieren von intrinsischer Impulskontrolle (also einer eigenen, innerlichen Kontrolle des Impulses für NACHJAGEN des Hundes). Lieber ein Apportel nehmen, welches nicht so viel Bewegungsreiz bietet, und zumeist genau an der Stelle liegenbleibt wo es landet.
    Gerade beim Einsatz von Bällen sehe ich oft, dass die Kontrolle des Hundes dabei von Außen ausgeübt werden muss.
    Beim Ball habe ich aber von Beginn an die Kontrolle darüber, WANN ich ihn werfe und WOHIN ich ihn werfe. Ich kann meinem Hund also schon VORHER sagen, was er zu tun hat - nämlich WARTEN.
    Über rennendes Wild habe ich aber keine Kontrolle - das kommt plötzlich, und der Hund folgt schon seinem Impuls. In diese Bewegung hinein ist eine Kontrolle des Hundes ungleich schwerer, als wenn ich schon VOR dem Bewegungsreiz eine Anweisung gebe.


    Mal ganz abgesehen von dem Hinweis von @flying-paws, dass bei HSH durchaus ein größeres Potential für jagdliche Ambitionen vorliegt, würde ich bei JEDEM Hund zumindest einen Teil der Auslastung immer mit jagdlicher (Jagdersatz-) Ausbildung abdecken.


    Auch wenn bei manchen Rassen (vornehmlich Begleithunde, mal als Beispiel) die jagdlichen Verhaltensweisen kaum ausgeprägt sind, sind die Sequenzen des Beutefangverhaltens im Gehirn eines jeden Hundes veranlagt.
    Das würde ich mir bei jedem Hund zunutze machen, weil ich damit ein Bedürfnis des Hundes abdecke, mit viel Freude und Erfolgserlebnissen für den Hund. Außerdem ist es Kopfarbeit, neben der Bewegung, die noch dabei rausspringt.



    hört sich plausibel an. Wie setzt man das denn in der Praxis um?

    Indem du MIT dem Hund arbeitest :smile:
    Im Idealfall lernt der Hund dann von Beginn an, dass Jagen eine Gemeinschaftssache ist, die in Zusammenarbeit mit dem Menschen stattfindet.


    Lernt er, dass er da IMMER seinen Dopaminkick erhält, während er bei selbständigen Jagdausflügen gar nicht zu diesem beglückenden Erleben kommt, dann geht ein Hund begeistert auf die Angebote seines Menschen ein ... und lässt andere Umweltangebote liegen.


    Das ist die Theorie ... in der Praxis, je nach Hund, ist die Erfolgsquote ziemlich breit zwischen "wenig" bis "fast 100%" angelegt xD

  • insofern, dass dein Hund Bewegungsreize wohl sehr differenziert betrachtet und stark diskriminiert: Interessant und lohnenswert (gleich=nachjagen), und uninteressant und nicht lohnenswert (= wird bemerkt und abgehakt).

    Beim Ball habe ich aber von Beginn an die Kontrolle darüber, WANN ich ihn werfe und WOHIN ich ihn werfe. Ich kann meinem Hund also schon VORHER sagen, was er zu tun hat - nämlich WARTEN.
    Über rennendes Wild habe ich aber keine Kontrolle - das kommt plötzlich, und der Hund folgt schon seinem Impuls. In diese Bewegung hinein ist eine Kontrolle des Hundes ungleich schwerer, als wenn ich schon VOR dem Bewegungsreiz eine Anweisung gebe.

    Folgendes betrifft irgendwie beide Zitate: Da er unser erster Hund ist hab ich da leider keinen Vergleich. Wir haben uns durch verschiedene Reize und Ausgangssituationen durch getestet. Dinge die man wirft die dann an Ort und Stelle liegen bleiben läuft man zwar nach Freigabe hin aber geht dann einfach weiter also absolut uninteressant und ich glaube er läuft auch nur hin weil wir ihm durch die Freigabe ja quasi sagen los laufe mal hin :lol: Dinge die sich weiterbewegen (da haben wir es nur mit dem Ball ausprobiert) werden dann gefangen und dann legt man sich in eine Ecke und kaut genüsslich drauf rum, wenn man allerdings hin geht um ihm den Ball weg zu nehmen rennt er damit weg :doh: Das war für mich der Moment als ich sagte es gibt keine Bälle mehr (apportieren findet er mehr als sinnlos). Nächster Schritt war dann zum Beispiel einen Futterdummy zu werfen ihn freizugeben und auf halber Strecke wieder abzurufen. Funktioniert auch bei Vögeln hervorragend die ein paar Meter vor uns los fliegen, da sind wir inzwischen aber soweit, dass er sich rumdreht und wartet was kommt wenn er sie entdeckt hat. Hat sich aber irgendwie so eingeschlichen ohne, dass ich sagen könnte wie genau wir das mit ihm trainiert haben.
    Also das was du schreibst mit dem beim Ball bekommt er vorher ja schon sein Warten Kommando haben wir dann eben weiter ausgebaut.


    Ich glaube ich muss mich mal in die Sache mit dem gezielten Jagdtraining einlesen. Hab nur Angst, dass ich ihn dann damit quasi noch scharf drauf mache.

  • Du machst ihn nicht "scharf drauf". Wenn Jagdtrieb auf bestimmte Reize vorhanden ist, dann wird Tag X kommen, an dem dieser Reiz den Hund triggert und bäm, reagiert der Hund darauf.

  • Du machst ihn nicht "scharf drauf". Wenn Jagdtrieb auf bestimmte Reize vorhanden ist, dann wird Tag X kommen, an dem dieser Reiz den Hund triggert und bäm, reagiert der Hund darauf.

    allein Trau ich mich an das Thema wirklich nicht ran. Ich glaube da kann man unbewusst ganz viel falsch machen. Also wird es ordentlich mit dem Trainer angegangen.

  • Ich hatte heute Trainerstunde im Wald.
    Ratet, wessen Hund sich kein Stück aufgeregt war und absolut ansprechbar blieb? Tipp: meiner.
    Die Trainerin war aber trotzdem gut. Meine Korrektur ist tlw immernoch (oder wieder?) zu zögerlich. Ich erinnere meist erst bevor ich korrigiere, was sie bei Lola nicht günstig findet, weil die sich eben Lücken sucht.
    Insgesamt würde sie Lola länger an kurzer Leine Fuß laufen lassen, Platz und Bleib einfordern (Ruhe und Konzentration rein) bevor sie überhaupt die Schlepp freigegeben bekommt.
    Platz auf Distanz hat mein Hund also wirklich gut gemacht. Pfiff, Hund fliegt ins Platz und bleibt da.


    Deutlich war Lolas Radius in dem sie ansprechbar ist. Wir haben das absichtlich mal ausgereizt zum Probieren. Lola ist dann prompt abgehauen am Ende des Trainings (kein ersichtlicher Hund, keiner von den anderen beiden hatte die Nase in der Luft und vorher haben die Hunde synchron angezeigt, vermutlich Löffel aufgebraucht), kurz ins Unterholz und auf dem Weg zurück. Dort hat sie auf den 2. Platzpfiff gestoppt und wahrscheinlich abgewogen, was sie macht, als aber schon der Schlüssel flog. Der landete nicht so dicht bei ihr, war aber überzeugend.


    Im Fazit soll ich an meiner Korrektur arbeiten und ggf mal filmen, wenn sie sich so aufregt. Der Hund steht gut im Gehorsam, es sind eher Kleinigkeiten wie das Erinnern anstatt gleich zu korrigieren und einfach zu zaghaft zu sein (wobei sie klar sagt, dass keiner davon spricht, den Hund zu verhauen oder so). Evtl ist das auch bereits ausreichend.
    Ich würde das schon gut machen, auch dem Hibbelhund in ihr Rechnung tragen, den hat sie nämlich auch gesehen und gesehen, dass ich zusehe, Ruhe reinzubringen. Auch da Feinheiten wie einen Ticken länger zu warten bis zur Freigabe oder auch eben bis man am Auto los geht. Außerdem bin ich manchmal unsicher, das checkt Lola dann sofort, ich soll dem Hund und mir ruhig mehr zutrauen, Ruhe, mich ruhig erstmal sortieren bevor ich weitergehe oder starte - also faktisch auch das, was ihr im Video gesehen habt bei der Suche, dass ich überlege während ich tue und besser erst überlege und dann handle).


    Ich fahr nächste Woche nochmal dort hin, arbeite entsprechend an mir, dann guck ich wie Lola reagiert.


    Wechsel hat Lola übrigens angezeigt, geguckt, weiter, Gerüche ebenfalls. Also, die will definitv nicht jedem Geruch nach und die Trainerin (selbst Jägerin, die die Hunde frei laufend hat auch außerhalb der Jagd) fand, dass Lola ein toller Hund ist und sich auch gut arbeiten lässt.


    Doof war jetzt mal eine Katze, da musste ich zwei reinkorrigieren, weil Lola nach der Freigabe beim ersten Mal direkt wieder los wollte. Da weiß ich aber warum.
    Und sonst ging es super mit so Vöglein aus nächster Nähe. Entweder "Nein, laufen" oder Lola guckt und orientiert sich zu mir, das haben wir ganz gut konditioniert.
    Auch heute im Wald hat Lola viel nach mir geguckt. Aber bei so 30 m vielleicht bin ich eben nimmer präsent im Rückspiegel.


    Soweit der Zwischenstand.

  • Du machst ihn nicht "scharf drauf". Wenn Jagdtrieb auf bestimmte Reize vorhanden ist, dann wird Tag X kommen, an dem dieser Reiz den Hund triggert und bäm, reagiert der Hund darauf.

    Genau, der ist ggf eh scharf drauf. Vielleicht weiß er es auch nur noch nicht.
    Bzgl Trainer schau, dass du einen findest, der sich mit Jagdhunden auskennt. Ich hab jetzt zwei davon. Eine bildet auch Jagdhunde für die Jagd aus oder arbeitet die Hunde eben auch für den Privatgebrauch. Und diese Jägererfahrung (oder wirklich große Erfahrung mit Jagdhunden) ist super. Die kann sich ganz anders auch in den Hund versetzen, weiß im besten Falle um rassespazifische Eigenarten.

  • Toller Bericht. Hört sich doch gut an finde ich. Die Grundlagen stimmen bei Euch anscheinend.

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