ANTI-JAGD-TRAINING oder Dr. Jekyll und Mr. Hyde

  • Puh ....


    1. Erwartungshaltung ist UNGLEICH Sucht. Das ist noch nicht mal ähnlich. Erwartungshaltung KANN in Sucht enden, wenn ich den Hund auf nur EINE EINZIGE Sache fokussiere, bei der er sich zumindest teilweise ausleben kann ... und ihn ansonsten geistig verkümmern lasse. Leider merken viele Halter gar nicht, dass ihr Hund z. B. zu einem Balljunkie geworden ist. Oder zu einem Trainingsjunkie, der immer nur das abspulen will, was mit ihm trainiert wurde.


    2. "Jagdverhalten ist selbstbelohnend" - was heißt das?

    Ganz konkret: Beim TUN schüttet der Organismus DOPAMIN aus. Dopamin ist ein Hormon, welches den Sinn hat einen Organismus "bei der Stange zu halten", das heißt, trotz Misserfolge(n) nicht aufzugeben, sondern es (bei passender Gelegenheit) erneut zu versuchen.

    Wäre ziemlich Scheixxe, wenn ein Wolf das Jagen aufgeben würde, nur weil ihm 1 oder 2 mal der Jagderfolg nicht gelungen ist...

    Dieses Dopamin wird WÄHREND des TUNS ausgeschüttet - und Dopamin ist ein Botenstoff, der für die Stärkung des Parasympathikus notwendig ist. Er macht GLÜCKLICH - so wie ein Mensch nach dem Joggen, oder einem anstrengenden Training, oder einem tollen Tennisspiel total kaputt, aber GLÜCKLICH aufs Sofa plumpst ... und sich auf das nächste Laufen/Training/Spiel freut.


    Jeder (zumindest Säugetier-)Organismus BRAUCHT Dopamin, um überlebensfähig sein und bleiben zu können. Bestimmte genetische Veranlagungen führen dabei zu einer höheren Dopaminausschüttung, bei Raubtieren ist das grundsätzlich das spezifische Jagdverhalten.


    Beim sogenannten JagdERSATZ kommt es also darauf an, ob BEIM TUN die Dosis Dopamin ausgeschüttet wird, die der Organismus benötigt um das gesamte Hormonsystem in einer ausgewogenen Balance zu halten.


    Bei diesen Jagdersatzangeboten bestimmt DER MENSCH den Inhalt und den Ablauf - und diesen können wir mit unserem Verstand so gestalten, dass es zur Dopaminausschüttung KOMMT.


    Dem Hund ist es egal, wo er sein Dopamin herbekommt.


    Unserer Umwelt nicht.


    Abschließend: Ich mag, nein, ich LIEBE Erbsensuppe. Ich koche sie immer selber, und schon beim Vorbereiten freue ich mich aufs Essen.

    Aber wenn mir jeden Tag Erbsensuppe vorgesetzt werden würde, vielleicht an einem Tag mal mit etwas mehr Salz, am nächsten mit etwas mehr Pfeffer, dann mit Mettwurst, und dann wieder mit Fleisch drin ... ich würde sie demjenigen, der sie mir vorsetzt, nach spätestens einer Woche um die Ohren schmeißen, so leid hätte ich den Papp...

    Meine Geschmacksknospen benötigen ABWECHSLUNG, immer mal wieder neue oder zumindest unterschiedliche Anregungen - und manchmal reicht dann auch ein Dosensüppchen, oder Currywurstpommesschranke, oder ein veganes Karottensüppchen, um mich GLÜCKLICH zu machen.


    Mit dem Jagdverhalten ist es genau so. Fordern und Fördern - und nicht verdummen lassen.

  • Also bei Lola zieht tatsächlich Futter. Jegliches leblose Gelumpe kann sie noch so geil finden. Biete ich das als Jagdersatz an, fragt mich der Hund, obs hackt.

    Jedenfalls noch. :ka:

    Da sind unsere Erfahrungen tatsächlich total unterschiedlich. :smile:

    Wir haben ja auch alle unterschiedliche Hundetypen, mit verschiedenen Veranlagungen, Temperament, Beuteschema, durch Zucht verstärkte oder vernachlässigte Jagdsequenzen etc. pp..

    Mein Jacky wäre auf die Reizangel angesprungen; eigentlich alles, was Mensch schnell wo durch zieht oder wirft (gerne auch was Kleines an der Longiergerte). Ob es ihn davon abgehalten hätte, die nächste Maus oder Ratte zu killen, die ihm über die Schnautze huscht, halte ich allerdings für fraglich (also bei meinen, nö, auf gar keinen Fall). Der Pinscher-Spitz hat nicht mal hin geschaut, bei so etwas (lebt nicht, uninteressant, immer uninteressant, nix zu fressen auch immer uninteressant; er war stets über Futter zu kriegen). Dafür hatte ich kein Problem, etwas auf einem Ausflug mitzunehmen (Dummy, Spielzeug, Futter), also wenig Probleme mit Erwartungshaltung (eigentlich gar keine). (Jow, Stall ... dort hat es Nager ... aber selbst das war dann kein Problem, mehr als ein bisserl ... hhm ... aufgestellter, war nicht zu erwarten).


    Für die Beaucis ist weder eine Dummyweste für tägliche Spaziergänge geeignet, noch eine Reizangel, weder zum Spiel, noch zum Üben von Impulskontrolle. Wenn ich was mitnehme (das erschnuppern sie immer) bekäme ich den Dicken erst gar nicht mehr von mir weg. Die Maus macht zwar einen grösseren Radius zu Beginn, steigert sich dann aber rein. Beide puschen sich hoch und wenn ich Stress zwischen den Beiden haben wollen würde, dann genau so machen. :nicken: Deswegen brauche ich dringend noch andere Impulse, wie "hier nixe", hier ist pure Freizeit und Entspannung gefragt.


    Bei Reizangel ähnlichem Zeug, konzentrieren sie sich quasi auf den Ursprung der Kraft. Also nicht auf das, was dran hängt, sondern die "Angel" selbst. Etwas über den Boden ziehen ... pffhhh ... wieso sich damit aufhalten. Ihr Beuteschema liegt mehr auf Augenhöhe.


    Deswegen habe ich "Arbeitsgebiete" und "Spaziergehgebiete" strikt voneinander getrennt. Selbst die Zone direkt am Haus ist aufgeteilt und hier hilft mir zusätzlich ein bisserl das vorausgelagerte Ritual (wie gesagt, die bekommen schon mit, immer, wenn ich was einpacke) und das Procedere selbst. Spielzeug oder Dummys nehme ich auf der normalen Runde nicht mit. Erst wenn wir wieder zu Hause sind. Beim Dummy empfiehlt es sich, die Hunde nicht mitzunehmen (die bleiben also auf dem Gelände abgelegt) und sie IMMER einzeln zu schicken. Gleiches gilt für Spiel, erst spazieren gehen und das Spielzeug erst anpacken, wenn wir wieder zurück sind.


    Weiche ich auch nur 1 x davon ab, habe ich den nächsten Tag auch noch was von und noch ein gewisses Misstrauen, für einen weiteren Tag. Es wird kontrolliert, als könne man es nicht glauben, dass ich nichts mit habe "es könnte ja doch ... irgendwo ... vll. hat sie es diesmal besser getarnt" (und das tun sie, obwohl ich das gar nicht erst versuche).


    Aufgeputschte Beaucis im Erwartungsfieber, Haltung kann man das dann nicht mehr nennen, kommen sehr schnell auf dumme Ideen (und das ist schlecht, sehr, sehr schlecht ... und wenn man so einen Second Hand übernimmt, in dem das schon konditioniert wurde, ordentlich Baustelle). Aus diesen gelassenen, eigentlich sehr coolen, kopfgesteuerten, ruhigen, verlässlichen und leichtführigen Hunden, werden auf einmal ... hmmm ... kopflose Monster. Auf einmal ist draussen alles interessant (nein, nicht nur nett interessant), alles, was sonst nicht mal eines Blickes würdig ist (wie Radfahrer etc. pp. ... undenkbar, an ein paar Störchen unangeleint vorbei zu führen, sonst voll normal hier ... ) und Du kommst aus dem Korrigieren kaum mehr raus (dann punktet auch nur noch strikter Gehorsam und sichern, aber das ist Spannung pur).


    Wären meine immer so, nein Danke, das nächste Mal doch eine andere Rasse (oder vll.: wie konnte ich mich nur für diese Rasse entscheiden ...). Diese Erwartungshaltung, eigentlich ein Arbeitsmodus, der dann unerfüllt (aus ihrer Sicht) bleibt, kann ich draussen im Alltag nicht gebrauchen. Denn sie finden ja selbst kein Ende, wenn sie einmal im Arbeitsmodus sind. Man muss sie richtig runter fahren, nach der "Arbeit". Das dauert, für Level "wieder normal" so ca. 15 - 30 Minuten, je nach Tagesform (und Alter). Gehe ich spazieren, in diesen Minuten (das mache ich auch hin und wieder, wenn draussen nix los ist, zu bestimmten Zeiten tut sich bei mir nicht viel) habe ich mehr Arbeit, als im ganzen Jahr spazieren gehen (muss ja sonst eher sehr selten was sagen, die wissen schon, was sie tun sollen, wo und wann genau was, das leiten sie schon von selbst ein). Das wäre mir für den Alltag zu anstrengend (und für meine Hunde letztlich auch) und ich müsste wesentlich mehr sichern.


    Und so denke ich, anderer Hund, andere Anlagen, andere Rasse, anderes Individuum, andere Erfordernisse, andere Lösungen ... Was bei einem funktioniert, kann bei einem anderen als Schuss nach hinten losgehen. Der einzige Nenner wäre für mich, und vll. meint das flying-paws , wenn man erst gar keine Erwartungshaltung weckt, dann könnte sie einen auch nicht mehr einholen. :ka:


    Aber wie gesagt, beim JRT oder beim Mix wäre es kein Problem gewesen. Die hatten einen flotten On-Off-Schalter und die Auswirkungen selbst waren schon nicht die gleichen. Bei bestimmten Jaghunderassen, wie auch vielen Hütis (oder Veranlagungen die dem gleichen, wenn auch mit einem anderen Ziel) u.v.a.m., wie meine Beaucis, dann muss man sich was anderes einfallen lassen.


    Wieso sich drüber streiten?

  • Ob es ihn davon abgehalten hätte, die nächste Maus oder Ratte zu killen, die ihm über die Schnautze huscht, halte ich allerdings für fraglich

    Ohne weiteres Training sicher nicht. Der Sinn des Trainings (das nicht nur aus der Reizangel besteht) ist für mich genau das hier:

    Trotzdem ist die Reizangel eine Möglichkeit den Gehorsam in hoher Erregungslage zu üben, diese Erregunslage kontrolliert runter zu regulieren und den Jagdtrieb kontrolliert ausleben zu lassen.

    und im vierten Schritt, eine Erregungslage/ Erwartungs-/ Arbeitshaltung im Alltag erst gar nicht entstehen zu lassen.

  • Sonst könnte man ja auch sagen, Windhunde, die im Coursing laufen, wollen nur noch Coursing laufen, wenn sie das Haus verlassen oder halt so jagen... aber es soll ja auch durchaus welche geben, die 'normal' Gassi gehen können.

    Hier ist der erste Unterschied schon der andere Ort, die dortigen Gegebenheiten und vermutlich auch schon das vorgelagerte Ritual (das, was man mit nimmt, was man dem Hund anzieht und wie man hin fährt ...) ;). Die Coursing-Bahn schleppt man ja in der Regel nicht auf seinen Spaziergängen mit, während man vorher in seine üblichen Schuhe schlüpft, die Jacke überwirft ... sich die Bahn und Konstruktion sowie die weiteren Lauf-Kumpels unter die Arme klemmt xD

  • Ups, jetzt ist der Rest meiner Antwort verschluckt worden. Also noch einmal:

    Mein Jacky wäre auf die Reizangel angesprungen; eigentlich alles, was Mensch schnell wo durch zieht oder wirft

    Darauf springen meine Hunde überhaupt nicht an. Der PRT nicht einmal auf tierische Bewegungsreize und Bälle & Co ignoriert er komplett.

    Deshalb ist die Angel auch kleinschrittig auftrainiert worden. Außerhalb der Trainingssituation könnte ich mir mit der Reizangel den Wolf wedeln- beide Hunde würden sich (ebenso wie ihre Vorgänger) Null dafür interessieren und nicht einmal mit der Wimper zucken. Die wollen nicht hirnlos hetzen, sondern konzentriert arbeiten.


    Es geht ja auch nicht darum, dass die Hunde ohne zu überlegen jedem natürlichen oder künstlich erzeugten Bewegungsreiz nachgehen und das weiter auszubauen. Bei Rütter habe ich diesen Blödsinn einige Male gesehen. Der hat die Reizangel genutzt, um Hunde "auszupowern". Um das zu schaffen, brauchst Du einen Hund, der sofort auf das Gewedel anspringt und sich verausgabt. Aber das ist ja eben nicht das Ziel.

  • Die Coursing-Bahn schleppt man ja in der Regel nicht auf seinen Spaziergängen mit,

    Aber die Reizangel doch auch nicht?

  • @Das Rosilein Aber hier werden ja offenbar Reizangel und co auch nicht mitgenommen. D.h. es ist dasselbe - Reizangel findet nur an bestimmten Orten unter bestimmten Begebenheiten statt.


    Wieso dann auf einmal ne Erwartungshaltung beim Hund sein soll... .


    Wie gesagt - wenn man jetzt die Reizangel immer in der Hand hätte und spontan einfach mal loslegen würde, dann wäre das was anderes.


    Aber 'eingeteilter' Reiz wie auch die Coursingbahn es ist... . Als "Ritual" ... ich wüsste nicht, wieso jetzt auf einmal alle Hunde da in Erwartungshaltung verfallen sollten.

  • Ob es ihn davon abgehalten hätte, die nächste Maus oder Ratte zu killen, die ihm über die Schnautze huscht, halte ich allerdings für fraglich

    Ohne weiteres Training sicher nicht. Der Sinn des Trainings (das nicht nur aus der Reizangel besteht) ist für mich genau das hier:

    Trotzdem ist die Reizangel eine Möglichkeit den Gehorsam in hoher Erregungslage zu üben, diese Erregunslage kontrolliert runter zu regulieren und den Jagdtrieb kontrolliert ausleben zu lassen.

    und im vierten Schritt, eine Erregungslage/ Erwartungs-/ Arbeitshaltung im Alltag erst gar nicht entstehen zu lassen.

    Ja klar (und man arbeitet in Stufen ja auch an verschiedenen Ebenen/Sequenzen der Erregungslagen). Aber es setzt voraus, dass sich ein Hund mit Reizangel in eine hohe Erregungslage versetzen lässt. Das funktioniert hier bei meinen Beaucis nicht. Die Futterdummysuche kommt dem sehr nahe (die wollen nicht nur erjagen, sondern ihre Zähne auch wo reinschlagen und es fressen. Es vorher in Einzelteile zu zerlegen, kann ich gerade noch so verhindern, meistens zumindest ;) ... meine Zerstörer ...). Wild ist dann aber immer noch eine Nummer höher gelagert (das halte ich aber nicht für aussergewöhnlich). Trotzdem hilft auch das Training und das Üben von Impulskontrolle in den niedrigeren Erregungslagen, und das Ausleben dort, hilft der Gesamtzufriedenheit. Das macht es für die höchste Erregungslage Wild erbeuten wollen einfacher, ersetzt sie aber nicht. (Das kann ich ja auch nicht zulassen ... will ich auch nicht zulassen ... wenn sie einmal echte Beute gemacht haben, dann hast Du ein Problem ...).

  • Das Rosilein Aber hier werden ja offenbar Reizangel und co auch nicht mitgenommen. D.h. es ist dasselbe - Reizangel findet nur an bestimmten Orten unter bestimmten Begebenheiten statt.

    Vermutlich war das ein Missverständnis, oder eine Warnung, auf dass es nicht missverstanden werden soll. Denn man konnte es gut missverstehen. Und wenn jetzt unbedarfte Leser reintapsen ... tun sie es vll., ohne evtl. Konsequenzen zu bedenken.


    Auf Dich hatte ich ja nur geantwortet ... wg. der Windhunde und Deiner Erklärung. Konnte mal wieder nicht widerstehen, alleine die Vorstellung ... mit Coursing-Bahn unter dem Arm ... xD

    Aber 'eingeteilter' Reiz wie auch die Coursingbahn es ist... . Als "Ritual" ... ich wüsste nicht, wieso jetzt auf einmal alle Hunde da in Erwartungshaltung verfallen sollten.

    Denke, genau um diese Unterscheidung ging es. Also dass man es nicht tun sollte (zumindest nicht bei jedem Hundetyp), eine solche Erwartungshaltung auf Spaziergängen zu riskieren. Wie gesagt, bei den Vorgängern der Beaucis wars eh egal ... die hatten erst gar keine solchen Probleme. Hätte mir das Spielzeug rundum binden und schlenkern lassen können ... Solange ich die Spielsequenz nicht eröffnet habe, interessierte das keinen Hund (den Mix eh nicht ... der spielte nicht, mit nix und niemanden).

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