Hütehund - Infos!
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Hallo!
Ich muss ja gestehen, dass ich mich zwar schon mein ganzes Leben mit Hunden beschäftige, aber Hütehunde bisher immer außen vorgelassen habe!
Weiß auch nicht so genau warum! Nun kommt man in diesem Forum ja an Hütehunden und speziell an Border Collies nicht vorbei und ich muss sagen ich finde es hochinteressant!
Zwecks besseren Verständnisses würde ich gerne ein paar Fragen stellen und hoffe ihr erbarmt euch sie zu beantworten!
1.) Es gibt ja nun einige Schaf- und Rinderhalter unter euch, die mit Hunden an der Herde arbeiten, warum habt ihr euch in der übergroßen Mehrzahl für den Border Collie entschieden? Was zeichnet diese Rasse in ihrem Hüteverhalten besonders aus? Warum habt ihr z.B. keine Altdeutschen Hütehunde?
2.) Zwischen den einzelnen Hütehundrassen scheint es ja beträchtliche Unterschiede zu geben, wie sehen diese aus? Was unterscheidet einen Border Collie von einem Kelpie, einen Altdeutschen Hütehund von einem Aussie usw.?
3.) Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Hüte- und Schäferhunden, oder werden diese Begriffe synonym verwendet?
4.) Habe gerade mal nachgeschlagen, laut FCI-Einteilung gibt es 36 Schäfer- und Hütehundrassen, von denen viele auch in Deutschland gezüchtet werden, an der Herde sieht man aber eigentlich nur Border Collies, Altdeutasche Hütehunde und teilweise auch noch DSH, warum ist das so?
5.) Vielleicht ist das nur ein subjektiver Eindruck, ich habe aber noch nie einen Wanderschäfer mit Border Collies gesehen, sondern immer mit Altdeutschen Hütehunden, DSH oder dren Mischungen - eigenen sich Border Collies für diese Aufgabe nicht? Im Zusammenhang mit Border Collies hört masn ja immer wieder den Begriff "Koppelgebrauchshund", was bedeutet das genau?
OK, ich glaube das waren erstmal genug fragen, hoffentlich bekomme ich eine Antwort!
Liebe Grüsse,
Björn -
- Vor einem Moment
- Neu
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Hi Björn
Puh - das wird aber eine sehr lange Info ....
Also , das Vieh-hüten an sich ist unheimlich vielfältig
und von Land zu Land sehr unterschiedlich .
Hier in Deutschland , aber auch z.B. in Frankreich wird
traditionell das Weidevieh wirklich noch gehütet , sprich
es läuft ein Schäfer / Hirte vor weg und die Schafe laufen
hinterher .Die Herden wandern also weite Strecken um
ihre Futterflächen zu erreichen . Oft beweiden die Herden
Acker - und Grünlandflächen , die nicht dem Schäfer
gehören , sondern er darf das Futter von Landwirten nutzen ,
die etwas über haben und dafür erhält er eine sauber gepflegte
Wiese plus Dünger und " walzung " .
Jetzt ist es aber so , das nicht jede Fläche beweidet werden soll
und wenn der Nachbar seinen Weizen noch ernten soll , dann
muß der Schäfer dafür sorgen , das kein Schaf das Feld betritt .
Aus diesem Grund braucht er Hunde , die sich zwischen Herde
und Feld aufhalten und durch auf und ab patroullieren und zu einem
unsichtbaren Zaun werden . Ein traditioneller Schäferhund
begrenzt quasi das Weidegebiet . Beim ziehen mit der Herde darf
der Schäferhund nie hinter der Herde laufen sondern nur
auf den Seiten wehren . Er darf auch nie zwischen Herde und Schäfer
kommen damit die Leitschafe nicht den Kontakt zum Schäfer verliehren.
Nicht der Hund treibt die Schafe dem Schäfer nach , sondern die Schafe
müssen ihren Schäfer als Führer anerkennen und ihm vertrauensvoll
folgen .
Diese Hunde nennt man Herdengebrauchshund und zu ihnen zählen
alle altdeutschen und deutschen Schäferhunde , viel französische Hütehunde und ähnlich arbeitende Hütehunde anderer Länder .Die angelsächsischen Hütehunde haben traditionell eine andere
Arbeitsumgebung . Die meisten Farmen besitzen sehr große Weidegebiete
die um die Außengrenzen umzäunt sind . Eine Art Wanderschafhaltung
ist dort nicht praktiziert worden .Die Herden laufen auf riesigen Weiden
und werden zu Pflegemaßnahmen oder Sortierarbeiten von den Flächen
heruntergesammelt . Da sich die Schafe dort auch nicht in einer wirklichen
Herde - so wie bei uns - aufhalten , sondern in kleinen Familienverbänden
umherspazieren , müssen die dort arbeitenden Hunde eine besondere
Fähigkeit haben mit Schafen umzugehen , die sich 90% ihres Lebens
halb wild sich selbst überlassen sind . Dazu gehört eine besonders
behutsame Technik , wie es z.B. der Border Collie und der Kelpie hat.
Diese Hunde arbeiten mit dem Auge - d.h. sie beeinflussen die Schafe
mit ihrem Blick . Dabei halten sie eine angemessene Distanz zu den
Schafen um diese nicht in die Flucht zu schlagen .
Bei diesen Sammelaktionen kommt noch eine wichtige Eigenschaft diese
Hunde hin zu . Sie sind darauf gezüchtet den Wunsch zu haben das
Vieh immer zu ihrem Boss zu bringen , egal wie weit dieser weg steht .
Sie sind also kein " beweglicher Zaun " wie der Schäferhund , sondern
sie treiben direkt das Vieh zu ihrem Schäfer .
Durch die Fähigkeit mit wenigen Schafen sehr vorsichtig umzugehen ,
eigenen sich diese Rassen besonders für Schafhalter mit kleinen Herden.
Für Schäfereien die Koppelschafhaltung betreiben sind sie optimal -
daher Koppelgebrauchshund .So ich mach jetzt ne Pause sonst fällt mein Finger ab .
Antje
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....und weiter geht's .
Als dritten Typ Hütehund würde dann die Art kommen ,
die sich treibend auf der Seite der Hüter aufhalten .
Sie können zwar auch die Tiere zum Schäfer / Hüter
bringen , aber haben in der Regel eine andere Arbeitstechnik
wie ein " eye -dog " .Zu dieser Gruppe zählen z.B. Australian
Shepherd , Cattle Dog , English Shepherd .
Diese Hunde haben in ihrem Ursprungsland Amerika die Aufgabe
Rinderherden auf den riesigen Weideflächen zu treiben .
Meist werden sie von berittenen Cowboys begleitet , die sich hinter
oder neben der Herde befinden .Halbzahme Rinder kann man
nicht hinter sich herlocken , aber man kann durch seitlichen Druck
die Marschrichtung verändern . Rinder sind sehr schwierig zu
arbeiten und die Hunde müssen sich auch durch Gebell und gezielte
Bisse durchsetzen .
Sicher können auch BCs und Kelpies an Rindern arbeiten - genau
wie Shepherds an Schafen nett aussehen können , aber es kommt
auf die Veranlagung des einzelnen Hundes an und welches eigene
Zuchtziel der Farmer hat .GB hat z.B. auch viel beinahe " vergessene " Hütehunde , die auch in
den Ackerbauregionen ihren Einsatz finden . Auch diese Hunde sind
fähig genügend Druck einer Schafsherde zu machen , sie dürfen
bellen und sie werden in Viehhöfen eingesetzt in engen Sortieranlagen .
Der Welsh Sheepdog hat z.B. auch etwas Auge , arbeitet aber an
vielen Schafen aus der Bewegung heraus ,
So gibt es auch durchaus Mischtypen innerhalb der Hütehundeschläge .Ich hoffe , das ich dir ein paar Fragen beanworten konnte .
Antje
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Vielen Dank, das war ja schonmal hochinteressant!
Hoffentlich haben weinige andere von euch auch noch was zu sagen!
Liebe Grüsse,
Björn -
@ Antje
Boooaaaah! Das war richtig klasse
Ich bedanke mich gleich mit :flehan:
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super spannend, danke Antje. Also ist mein Briard ein "Herdengebrauchshund", einer dieser beweglichen Zäune, wie du das so toll genannt hast, oder?
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anke, das war ein super bericht, klasse geschriben. vielen dank dafür
viele grüße tanja
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Super Antje !
Und ich hatte die immer alle in einen Pott geworfen.........
Gedankenvolle Grüsse
Chrissi -
Antje hat Deine Fragen wirklich sehr eindrucksvoll und sachkundig beantwortet.
Du wolltest wissen warum wir uns für Koppelgebrauchshunde entschieden haben.Bei mir war es so, dass ich Hundesport machen wollte. Gleichzeitig haben wir auch noch die Hundeschule.
Das heißt der Hund sollte so verträglich mit Artgenossen wie möglich sein und bei geringem Trainingsaufwand auch mal zu Demonstrationszwecken vorzeigbar sein.
Wir wohnen direkt am extrem wildreichen Wald. Ein Hund der sich leicht erziehen lässt und jederzeit vom Wild abrufbar ist bzw. keine Interesse zeigt war mir wichtig.
Dann waren da noch unsere Enten, die uns beim abendlichen in den Stall bringen regelmässig zur Verzweiflung brachten. Eine Hilfe wäre da schon schön gewesen.
Damit sind wir beim Hütehund.Über Deutsche Schäferhunde will ich mich lieber nicht auslassen...
Die hier ansässigen Harzer Füchse sind sehr hübsch. Für Enten allerdings weniger geeignet. Außerdem hatten sie immer auch Wehraufgaben und damit sind sie schon ein bißchen territorialer als die Koppelgebrauchshunde, zumindest die, die ich kenne. Sind auch nicht immer ganz sooo leichtführig. Außerdem kenne ich Altdeutsche noch aus meiner Kindheit und weiß, dass sie an der Herde den ganzen Tag auf und ab rennen. Hatte Angst, dass sie bei uns unterfordert wären.Der Border Collie war ein heißer Favorit. Leider sind einige Border sehr hitzeempfindlich und ich habe schon welche auf Agility-Turnieren bei Hitze kollabieren sehen, wenn mein dicker Spanier erst richtig zu Hochform aufgelaufen ist.
Und dann sind viele Border auf Agility-Turnieren leider auch nicht gerade ein Aushängeschild für ihre Rasse. Hypernervöse, hysterische, Menschen und Hunde attakierende Hunde sind nicht mein Ding. Wenn die Hunde vom Charakter her o.k. waren, gefielen sie mir vom Aussehen nicht, weil ich mit kompakten Fellwuscheln nicht so viel anfangen kann.
Mittlerweile kenne ich auch viele tolle Border, die ich vom Fleck weg mitnehmen würde aber jetzt haben wir unsere Kelpies.Meine Pai erfüllt bisher alle Anforderungen bis auf die Hitzeunempfindlichkeit...
Jazz entspricht da dann doch schon eher dem Rasse-Ideal. -
Das waren ja tolle Berichte!
Es gibt aber auch Hirtenhunde,die regional eingesetzt werden, einfach weil es so entstanden ist, wie der Bergamasker oder Gos d atura. Hier eine Veranschaulichung:
Der Bergamasker Nicht nur ein Hirtenhund
(Übersetzung aus dem Italienischen)
OriginaltextVor einigen Jahren traf ich am Flussufer des Serio einen Hirten mit seiner Schafherde und diskutierten über Schafe, Lämmer und natürlich Hunde. Wir waren umringt von ca. 1000 Schafen, die am Ufer grasten. Mit dieser Herde waren noch Lastesel dabei die den Hausrat des Hirten trugen und vor allem zum Transport der schwächeren Lämmer dienten. Während ich und der Hirte sprachen, sagte er, ohne die Stimme zu verstellen, zu seinem Bergamasker: "Bring die Esel hier her" . Es hörte sich nicht an wie ein Befehl, sondern eher wie ein Ratschlag zu einem guten Freund. Der Bergamasker ging voller Gemütlichkeit zu den Eseln und brachte sie zum Hirten, während die Herde dabei ruhig blieb. Der Hirte bestätigte dem Hund seine Zufriedenheit nur mit einem nickendem Blick, ohne Belohnung oder einer Streicheleinheit. Der Bergamasker legte sich hin, und wartete auf eine neue Aufgabe. Die Bergamasker leben für ihren Rudelführer, immer bereit für eine neue Arbeit, zwischen ihnen wächst eine enge und freundschaftliche Beziehung. voller gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Es sind Hunde, die zuhören und verstehen was ihnen gesagt wird. Für den Hirten sind es nicht nur Helfer sondern auch gute Freunde die sie in den langen einsamen Stunden auf der Wanderschaft begleiten.
Noch heute haben die Bergamasker alle diese Charaktereigenschaften beibehalten die schon damals von den Hirten selektioniert worden sind. Die Bergamasker sind Hunde die mit den Menschen sehr gut zusammenleben. Sie sind bereit Befehle auszuführen, zu spielen, zu rennen oder auch geduldig neben seinem Herrchen zu warten.
Sie sind aufmerksame und aufgeweckte Hunde, immer interessiert was in der Umgebung passiert, gute Wächter und bereit mit der notwendigen Kraft je nach Situation einzugreifen. Sie sind leicht auszubilden als Begleithunde, Obidience, Agility, Sanitätshunde usw. aber ihre eigentliche Aufgabe ist und bleibt das Hüten von Herden, dies tun sie mit Leidenschaft. Diese Begabung ist eine innere, spontane Pulsierung die aus der atavistischen Selektion herkommt. Zitat Ende.
Ich denke, das veranschaulicht zu Beispiel diesen Hundetyp, der dem altdeutschen Schäferhund sehr ähnlich ist.
LG Kindhund
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- Vor einem Moment
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