Ignorieren, korrigieren oder strafen?

  • Zitat

    Wenn ich ein Kommando gegeben habe, bestehe ich auf die Ausführung. Wir arbeiten sehr viel mit Lob und Leckerlis, damit kommen wir gut weiter bisher.



    Unerwünschtes Verhalten wie Hochspringen ignoriere ich.


    Wenn ich bei Lotte ignorieren würde, dass sie essen vom Tisch mopst, wäre sie bald kugelrund


    Wenn ich bei Trudi ignorieren würde, dass sie aus dem Auto springt, sobald die Tür auf geht, wäre sie bald platt wie eine Flunder

  • Diese Zahlen "geistern" deswegen durch die Hundewelt, weil sie stimmen.
    Es soll ein paar Trainier geben, die einige Tausend Tiere der verschiedensten Tierarten trainiert haben, diese Anzahl von Wiederholungen wahrscheinlich noch lächerlich finden dürften, aber diese Tiere konnten dann auch extrem präzise, sehr komplexe Verhalten unter extrem starken Ablenkungen immer korrekt ausführen.
    Ich brauchs weder so präzise noch so komplex, und was wie ablenkend ist, ist individuell voin Hund zu Hund eben sehr unterschiedlich.


    Ich zähle von der ersten Bestärkung von irgendeinem Ansatzverhalten, bis zur Doktorwürde, und nicht bis zum einmaleins der Grundschul-Klasse.
    Also bis: Ja, es funktioniert tatäschlich unter jeder Art von Ablenkung.
    Diese Art Denk- und Zählweise hindert mich daran, unnötige Strafen, Verbote Tabus zu setzen, ungeduldig zu werden, zu viel zu verlangen, sprich, ich befinde mich einfach fast immer im "man könnte was Bestärken"-Modus, und nie im "Wo finde ich was, dass ich korrigieren müßte.




    Zitat

    Entweder ich verkompliziere das Ganze jetzt oder ich habe es noch nicht richtig durchschaut.
    Wenn ich meinen Hund nicht für alles belohne. Mal gibt es ein Leckerlie, mal ein Spiel, nur ein liebes Wort oder auch mal nichts. Dann kann ich das doch erst nicht mehr belohnen wenn ich mir sicher bin, dass er es auch verstanden hat.


    Ganz genau. Wenn er nämlich noch NICHT genau verstanden hätte was Du willst, und Du einen richtigen Versuch nicht bestärkst, könnte er annehmen, dass der Versuch falsch ist.


    Das schöne an der Verwendung von vielen verschiedenen Arten von Bestärkern ist, dass sie dem Hund unterschiedlich viel Wert sind. Kraulen mag er nett finden, aber Dummy suchen ist 10 Mal besser und eine ganze Hand voll StinkendKäse aus der Hand von Frauchen schlürfen dürfen ist vielleicht die absolute, durch nichts und niemanden zu toppende Oberhammerbestärkung. Angenommen, man trainiert irgend ein Präzises Verhalten, z.B. einen geraden schnellen dichten Vorsitz.Der Hund hat es jetzt so einigemassen raus, wie es aussehen soll, meistens kommt er gerade, und sitz auch schön dicht, es ist aber noch zu langsam. Dann kannst Du alles was "richtig" ist bestärken (auch die etwas langsameren) aber du gibtst halt je nach Ausführung eine 4+, eine 2 oder 1+ Bestärkung (Kraulen, Dummy suchen, Stinkekäse...(buaäää))


    Zitat


    Wenn er das Komando verstanden hat, dann weiß er ja wenn er etwas richtig macht. Er bekommt dann dafür mal etwas und ein anderes mal auch nichts. Aber die Erwartung ist doch trotzdem da das diesmal wieder etwas kommen könnte, oder?


    Genau, und diese Erwartung, dass vielleicht bei der nächsten Ausführung wieder Stinkekäse statt "Gut" kommt hält das Verhalten stark. Es funktioniert wie Lottospielen.
    Udnweile GANZ genauso funktioniert, wie Lottospielen, bekommt der Hund von mir immer wenigstens eine Verbale Information darüber, dass das, was er jetzt gemacht hat richtig war (das Lottospiel Equivalent wäre der Mensch in der Lottoannahmestelle, der den Schein entgegennimmt und irgend ein Signal gibt, dass das Verhalten "Lottoscheinausfüllen" korrekt ausgeführt wurde...



    Zitat


    Ich lese gerade in einem Buch da schreiben sie von Quotenbestärkung - nur alle 2-3 mal oder Zufallsbestärkung - bei dieser Art soll das Verhalten sicher und zuverlässig werden.


    Ja, aber :D
    Man muß nicht so früh damit anfangen, wie einem oft der Eindruck vermittelt wird. Es ist besser, mit der Wertigkeit der Bestärker zu jonglieren, weil es sonst passieren kann, dass das erst frisch gelernte Verhalten wieder ganz auseinander fällt.
    Ausserdem muß man dabei beachten, dass Hunde schlecht generalisieren.
    GEnau genommen lehrt man also ein Verhalten öfter als nur einmal, nämlich in jedem neuen Kontext. Wobei es dann, wenn der Hund es schon an mehreren verschiedene Orten, zu unterschiedlichen Zeiten, mit diversen Ablenkungen, es immer schneller geht. Das ist auch der Grund, warum es eben nicht nur ein paar Wiederholungen bedarf, sondern ein paar tausend.
    Oder wer konnte in der Ersten Klasse schon Lyrik in Goethe-Qualität verfassen???

  • Vielleicht wird bei den Zahlen unterschieden zwischen ein Kommando "kennen" und "können"


    Ich unterscheide das (für mich) bei unseren Hunden. Sie "kennen" eine Menge Kommandos. Das heißt, sie wissen im Prinzip, was es bedeutet und können das in reizarmer Umgebung auch umsetzten.


    Sie "können" nach fast einem Jahr nur sehr wenige Kommandos. Denn das bedeutet für mich, dass ise es in (fast) allen Situationen befolgen. Und darür bedarf es sehr vieler Wiederholungen in den Unterschiedlichen Siuationen mit unterschiedlichem Ablenkungsgrad

  • Zitat

    Unerwünschtes Verhalten wie Hochspringen ignoriere ich.


    Das z.B. würde ich strikt verbieten ! In dem Fall soll der Hund doch wissen, daß man Menschen nicht anspringt. Du magst es ignorieren, ein anderer findets lästig, hat evtl. Angst, schreit los oder schubst deinen Hund unsanft weg.
    Bringst du dem Hund bei, daß man Menschen einfach nicht anspringt, dann ists für ihn viel einfacher - und fairer !!


    Gruß, staffy

  • Zitat

    Wenn ich bei Lotte ignorieren würde, dass sie essen vom Tisch mopst, wäre sie bald kugelrund


    Wenn ich bei Trudi ignorieren würde, dass sie aus dem Auto springt, sobald die Tür auf geht, wäre sie bald platt wie eine Flunder


    Genau, deshalb schrieb ich weiter oben:


    Zitat

    ...Mit anderen Worten, das zweitwichtigste Trainingstool eines Clickertrainers ist nicht "ignorieren" und "korrigieren" schon mal sowieso nicht, sondern gute Planung, Vorbereitung und Management. Man richtet die Trainingssituation so ein, dass möglicht keine Fehler passieren können. ...


    Fast alle, die was gegen "rein Piositiv" Einzuwenden haben, verstehen nicht, dass man dieses Trainingstool eben gerade dazu benutzt, Szenen zu verhindern, in denen man irgenwie auf "Fehlverhalten" reagieren müsste.

  • @ Shoppy:


    Das klingt zwar super, ist aber mit meiner Lebenssituation nicht vereinbar.


    In einer perfekten Welt würde ich es allerdings genau so machen.

  • Zitat

    Fast alle, die was gegen "rein Piositiv" Einzuwenden haben, verstehen nicht, dass man dieses Trainingstool eben gerade dazu benutzt, Szenen zu verhindern, in denen man irgenwie auf "Fehlverhalten" reagieren müsste.


    Deswegen funktioniert eine Desensibilisierung ja auch nicht ! Wir leben nicht unter Laborbedingungen ;-)


    Zudem finde ich es äusserst unfair meinem Hund nicht zu erklären, was in der Menschenwelt tabu ist, wie man sich zu benehmen hat.


    Ein Hund, der immer abgerufen, umgelenkt wird, der weiß doch gar nicht, daß er - obiges Beispiel - Menschen einfach nicht anspringen darf. Leichter hat ers, wenn er das weiß und nicht, wenn Mensch ständig aufpassen muß, daß er gar nicht in die Verlegenheit kommt, anspringen zu können ...


    Bei den "nur Positiven" fehlt mir zum Einen jegliche Bereitschaft mit dem Hund auch mal in einen Konflikt zu tretet - was eine Beziehung ausmacht und bestärkt - und ich habe immer das Gefühl (wenn ich so lese, was du alles unter ein Kommando stellst :D ), daß der Hund so gar nix einfach nur machen kann.


    Das Extem eines "nur Positiv" Hundes, ein Appenzeller den ich kenne, ist echt ne arme Sau, der glotzt nur Frauchen an, wartet auf den nächsten Click. Mit diesem Hund einfach mal nur spazieren gehen, schweigend vor sich hinlaufen, unmöglich. Der hat nie gelernt, sich mal selber zu beschäftigen und sich dabei zu benehmen ... er wird ständig gegängelt, damit er bloß nix falsch macht.


    Gruß, staffy

  • Staffy, du sprichst mir aus der Seele! Ich sehe schlicht den Sinn davon nicht ein, ein Verbot mit allen Mitteln und immer zu umgehen. Was will man damit erreichen? :???:


    Zitat

    Fast alle, die was gegen "rein Piositiv" Einzuwenden haben, verstehen nicht, dass man dieses Trainingstool eben gerade dazu benutzt, Szenen zu verhindern, in denen man irgenwie auf "Fehlverhalten" reagieren müsste.


    Ich bekenne, ich bin weder fähig noch bereit mein Leben mit Hund über Jahre so zu arrangieren, dass dieser 24h pro Tag nie eine Chance erhält, etwas Unerwünschtes zu tun. Weder in der Wohnung noch draussen. Ich befehle den Hund nicht auf einen bestimmten Platz, wenn ich was anderes tue als mich mit ihm befassen. Er ist frei, den Platz zu wechseln, aus dem Fenster zu gucken, Wasser zu trinken - solange die Hausregeln (meist über Verbot beigebracht) beachtet werden. Dasselbe draussen, auch da gibt es Zeiten in denen mein Hund selber entscheiden darf, was genau er jetzt tun möchte - auch das innerhalb gewisser Basis-Benimmregeln. Trainings- und gemeinsame Aktionssequenzen plane ich schon eher so, wie von Shoppy beschrieben, aber ein Dauer-Animations- oder Präventionsprogramm kann und will ich nicht bieten, das gibt es nur bei Baustellen.

  • Zitat

    Das Extem eines "nur Positiv" Hundes, ein Appenzeller den ich kenne, ist echt ne arme Sau, der glotzt nur Frauchen an, wartet auf den nächsten Click. Mit diesem Hund einfach mal nur spazieren gehen, schweigend vor sich hinlaufen, unmöglich. Der hat nie gelernt, sich mal selber zu beschäftigen und sich dabei zu benehmen ...


    Ganz genauso ist es!
    Ich persönlich möchte einen Hund, der (natürlich mit Einschränkungen) selbst entscheiden kann, wann er etwas darf, und was nicht. Dazu gehören unter anderem: Nicht mitten auf dem Weg laufen, Setzen wenn man an eine Staße kommt, setzen wenn ein Auto kommt, Leute nicht ungefragt begrüßen, nicht ungefragt zu anderen Hunden laufen.
    Ich möchte im Gegenzug aber auch, das der Hund weiß, dass er ansonsten frei laufen (und dann nicht trotzdem wie ein Zombie an meiner Seite klebt).
    Das alles kann Skadi zwar noch nicht perfekt, aber wir arbeiten dran - und zwar, wenns sein muß auch mit Korrektur oder gar Strafe.

  • Zitat

    Genau, deshalb schrieb ich weiter oben:



    Fast alle, die was gegen "rein Piositiv" Einzuwenden haben, verstehen nicht, dass man dieses Trainingstool eben gerade dazu benutzt, Szenen zu verhindern, in denen man irgenwie auf "Fehlverhalten" reagieren müsste.



    Es gibt ein einerseits und ein andererseits:
    Vom Prinzip her geb ich Shoppy recht: gutes Training durch gute Planung, lässt bestimmtes Fehlverhalten gar nicht erst aufkommen.



    Andererseits:


    Hab es immer wieder erlebt, das bekannte und eingeübte Kommandos auch mal ignoriert wurden (und da war mein Hund NICHT unter Streß ;) )
    Da ist natürlich die Frage, wie man ein "Komm" durchsetzt, wenn der Hund, der sonst auf das erste Signal sofort angerannt kam, urplötzlich ertaubt und außerdem ein paar hundert Meter weg ist ;). Ich hab bislang immer mit vermehrtem Training reagiert.


    Und Bungee kriegt auch sehr wohl mit, ob ich Leckerli in der Tasche hab oder nicht -- auch das hat durchaus Auswirkungen auf die Geschwindigkeit, mit der ein "Komm" ausgeführt wird ;)




    und Essen vom Tisch klauen oder Hochspringen, wird nicht ignoriert, sondern gemaßregelt (macht mein Hund gar nicht erst).
    Da muß man dann allerdings verdammt schnell sein und es auch richtig machen.




    Und die Zahlen, die Shoppy angegeben hat, beziehen sich darauf, dass ein erlerntes Verhalten in einen bedingten Reflex umgewandelt wird.
    Gelernt haben die Hunde es auch früher, aber der "shortcut" im Hirn braucht meines Wissens ca. 1.000 bis 1.500 Wiederholungen (also keine 6.000)

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