Der Angsthund-Thread....

  • Potato: Mit einem Jahr war es bei Megan auch so, wie du es von Potato beschreibst. Sie hatte täglich vor mehr Dingen Angst. Wie sagte die Trainerin so schön:Angst zieht Kreise. Vor dem Park zu unbekannter Tageszeit, vor Gerüchen in der Umwelt, vor unbekannten Straßen, da war sie z.B. kaum zu halten, wollte nur in Panik weg. Teilweise mußte ich mich mit ihr draußen hinsetzen und sie erstmal nur sichern, sie war für nichts anzusprechen, weder Futter streuen noch sonstwas. Es wäre auch nicht möglich gewesen zu der Zeit was zu trainieren. Inzwischen können wie jede Straße langgehen, den Park entspannt zu jeder Tageszeit besuchen, in unbekannte Gegenden fahren, sie ist da nicht mehr kopflos, sondern erkundet interessiert. Sie ist jetzt 2 1/2 Jahre. Um das Alter von einem Jahr herum gibt es ja auch noch diese Spooky-Phasen, vielleicht steckt ihr da mittendrin.

    An Nahrungsergänzungsmitteln hat meiner Hündin Anxitane sehr geholfen, das ist Grüntee-Extrakt, das hatte mir hier eine Userin empfohlen, aber da muß man rumprobieren, was dem eigenen Hund hilft. L-Tryptophan hat bei meiner Hündin gegenteilig gewirkt. Zylkene hat gar nichts gebracht. Gut geholfen haben uns auch hochdosiertes Vitamin B12 und Training am Körperbewußtsein/Selbstwahrnehmung.

    Den Artikel hier fand ich auch noch ganz aufschlußreich bzw. Hunde-Pubertät und was die Hunde in der Zeit schneller erregbar und ängstlicher macht. https://trainieren-statt-domin…endentwicklung-des-hundes

    Meine Hündin ist immer noch unsicher, das liegt bei ihr in den Genen und auch an der Zuchtstätte, wo sie kaum was kennengelernt haben, aber es ist kein Vergleich zu früher. Hormonelle Veränderungen wie Läufigkeit und Schmerzen beeinflussen sie weiterhin, aber alles viel schwächer als früher. Wind z.B. ging früher gar nicht, Schnee hat sie völlig verunsichert. Es ist schon so, daß moderate Wärme und Sonne sie am ausgeglichensten macht, aber das ist bei mir auch so.

  • Potato

    Nein, der Rat hier ist eigentlich nicht zu vermeiden. Aber der Hund muss erst einmal in einem lernfähigen Zustand sein, um in den richtigen Dosen mit seinen Konflikt konfrontiert zu werden. Und dann wird in der Situation Sicherheit und Führung vermittelt bis Betti sich Dinge ansehen kann, um neue Verknüpfungen zu erlernen. Jedenfalls fahren wir damit am besten. Hier wird allerdings auch gebissen und eskaliert , wenn alles zuviel wird. Da sind Optionen wie Floating nicht so unseres. Mit Deprivationsschaden funktioniert hier leider kein Generalsieren..


    Aber wichtig ist den generellen Stress zu reduzieren, um Lernfähigkeit herzustellen. Dann kann man auch erfolgreicher in Situationen reingehen.


    Den aktuell gruseligen Balkon inspiziere ich morgen einmal und dann rufe ich Betti. Sie weiß ja, dass sie auf mich bauen kann und ich sie selten in die Hölle schicke, dann kommt sie da auch raus. Und dann lass ich sie beobachten. Sollte sie sehr fahrig werden, biete ich ihr ein Alternativverhalten oder Schutz. Sie soll sich schon mit ihren Ängsten auseinandersetzen, aber in einem Rahmen der ihr eine Chance des positiven Ausgangs bietet.

  • ich habe in der schlimmen Zeit weder Dinge vermieden (was in der Stadt gar nicht gegangen wäre) , noch gezielt konfrontiert. Ich habe immer versucht, Megans Wohlfühlbudget aufzubessern, sie Erfahrungen machen lassen, die ihr insgesamt mehr Selbstbewußtsein gegeben haben. Bei ihr war es auch so, daß sie am Anfang ihres Lebens durch ständige Bauchschmerzen durch eine Giardieninfektion ein ganz doofes Körpergefühl hatte und dadurch auch kein gutes Selbstgefühl. Als das hergestellt war, wurde sie erst lernfähig und in sich ruhend. Dann habe ich gezielt an einzelnen Reizen trainiert. Da war sie aber 1,5 Jahre alt, vorher hatte das keinen Sinn bei ihr, dazu hatte sie zu viel nachzuholen und nachzureifen. Tage ohne Programm hätte sie in dem Alter noch wenig verkraftet, da war ihr Bewegungsbedürfnis noch zu groß. Wichtig war bei uns, daß sie sich lange genug bewegen konnte, um Stress durch Reize abbauen, also es wäre nicht gegangen mal 10 Minuten rauszugehen, wo viele Reize auf sie einprasseln und sie kann sich dann nicht ausreichend bewegen.

  • Zitat

    Nochmal eine allgemeine Frage, hier scheint der Rat ja tendenziell zur Vermeidung zu gehen. Ich kenne mich mit Hundepsychologie gar nicht aus, aber bei Menschen ist es so, dass Vermeidung bei Angststörung (nicht Trauma!) zur Verstärkung der Angst führt. Ist das bei Hunden denn so gegensätzlich?


    Also wir sind den schrecklichen da-haben-wir-einmal-den-Tierarzt-getroffen-Weg auch lange nicht mehr gelaufen, aber grundsätzlich befürchte ich schon, dass die das-geht-nicht-Liste immer weiter wachsen würde.

    So ganz einfach ist das auch bei Menschen nicht, das kommt immer auf die Art der Angst an. Bei vielen Angststörungen wird dazu geraten, kontrolliert in die angstmachenden Situationen zu gehen. Bei Angst, die zum Beispiel durch Überforderung durch Umweltreize, wie bei Autismus ,entsteht, ist das aber oft kontraproduktiv und führt zu weiterem Stress und Meltdowns. So differenziert muss man es meiner Meinung nach auch beim Hund sehen. Hat der Hund Angst vor einer bestimmten Situation, kann man daran arbeiten. Ist der Hund generell mit Umweltreizen absolut überfordert, ist Vermeidung da vielleicht der bessere Weg. Nicht zwingend für immer, aber halt solange bis der Hund in der Lage ist damit umzugehen.


    Ich hab mit Leia zum Beispiel viel ausprobiert bezüglich Spazierengehen. Bei ihr trat aber damit keine Besserung ein, sondern sie wurde immer nervöser. Inzwischen überlasse ich ihr die Entscheidung. Wenn sie mit raus will, kommt sie zur Tür, will sie nicht, verkriecht sie sich in ihre Sofaecke und ich zwinge sie dann auch nicht. Wir haben einen Garten, fahren mehrfach die Woche zum Freilauf auf ein gemietetes sicheres Feld. Wenn sie nicht raus will, machen wir im Haus Beschäftigungsübungen etc.. Meistens will sie nicht raus, und das akzeptiere ich auch so. Sie bleibt aber auch gut alleine wenn wir mit den beiden anderen raus gehen.


    Angstauslöser im Haus vermeide ich aber zum Beispiel nicht. Damit kann sie seitdem die Spaziergänge ihr überlassen werden aber auch deutlich besser umgehen und ich habe im Haus einen weitestgehend entspannten Hund.

  • Nochmal eine allgemeine Frage, hier scheint der Rat ja tendenziell zur Vermeidung zu gehen. Ich kenne mich mit Hundepsychologie gar nicht aus, aber bei Menschen ist es so, dass Vermeidung bei Angststörung (nicht Trauma!) zur Verstärkung der Angst führt. Ist das bei Hunden denn so gegensätzlich?

    Also wir sind den schrecklichen da-haben-wir-einmal-den-Tierarzt-getroffen-Weg auch lange nicht mehr gelaufen, aber grundsätzlich befürchte ich schon, dass die das-geht-nicht-Liste immer weiter wachsen würde.

    Ich wohn ja auch in der Stadt und manche Sachen gehören halt zum Leben, und das sind Menschen. Ich vermeide sie nicht, gehe aber nicht zu Stoßzeiten, gehe Bögen und mach kein Tamtam. Sprich, ich geh einfach.

    Bei den "Schreckensorten" würde ich mit Bonnie schauen, was macht ihr Spaß, was kann ich genau da üben, Tricks oder Suchen zb.

    Wichtig sind Pausen. Dann gehen wir an einem Tag mal bewußt nicht viel.

  • Nochmal eine allgemeine Frage, hier scheint der Rat ja tendenziell zur Vermeidung zu gehen. Ich kenne mich mit Hundepsychologie gar nicht aus, aber bei Menschen ist es so, dass Vermeidung bei Angststörung (nicht Trauma!) zur Verstärkung der Angst führt. Ist das bei Hunden denn so gegensätzlich?

    Also wir sind den schrecklichen da-haben-wir-einmal-den-Tierarzt-getroffen-Weg auch lange nicht mehr gelaufen, aber grundsätzlich befürchte ich schon, dass die das-geht-nicht-Liste immer weiter wachsen würde.

    Ich denke, das ist sehr individuell. Ich würde einen Hund nicht auf Dauer im Schneckenhäuschen belassen, aber es macht auch keinen Sinn ihn zu überfordern. Wenn Adrenalin auf Anschlag und der Hund im Paniktunnel ist, dann kann er rein physiologisch nicht lernen. Es ist ein Balanceakt und der richtet sich nach dem, was der Hund kann.


    Meine Hündin Lilly überwindet Ängste nur sehr, sehr langsam durch Gewöhnung und an manche Sachen gewöhnt sie sich gar nicht (leichter Deprivationsschaden). Was ihr zur Überwindung mehr hilft, ist, ihr etwas zu geben, an dem sie sich quasi festhalten und den Angstauslöser ein Stück ausblenden kann. Als Beispiel: Sie ist am Anfang bei jedem Geräusch aus Häusern, flatternden Fahnen, Rasenmähers etc. in Panik geraten und hat versucht zu fliehen. Und Autos haben für blinde Panik gesorgt, da hat sie sich manchmal die Ballen am Boden aufgeschürft im Versuch wegzukommen.


    Wir sind zu verkehrsarmen Zeiten gegangen. Ich wohne im Dorf, am Rand. Verkehrsarm heißt: Ein Auto in 10 Minuten oder so. Ich habe festgestellt, dass sie in der Dämmerung prinzipiell sicherer ist und wir haben die genutzt. Und ich habe mit ihr geübt, seitlich hinter mir zu gehen und das abzurufen wenn ein Auto kam. Die Konzentrationsleistung, die sie dafür erbracht hat, hat ihr geholfen, nicht in Panik zu verfallen. Und ganz langsam über 2 Jahre hinweg hat sich das eingebürgert. Heute dauert es, bis sie panisch wird und in den Tunnel ist sie schon lange nicht mehr gefallen. Aber klar ist die Energie irgendwann verbraucht.


    Gelassen ist sie Autos gegenüber übrigens immer noch nicht, aber sie kann sich auf ein alternatives Verhalten zurückziehen, wenn sie diese Alternative erworben hat. Was sie großartig macht, man merkt richtig, dass sie aus ihren Ängsten hinaus will.


    Das ist der eine Baustein, der Erwerb von anderen Strategien. Und der andere Baustein ist, dass ihr hier in den eigenen 4 Wänden ein absolut geschützter Rückzugsraum geboten wird. Sie hat ihre Plätze, sie hat ihr Futter und außer der Futterfreigabe muss sie nichts dafür tun. Die hatten wir etabliert, um Stunk mit der Hündin zu vermeiden, zu der sie gezogen ist. Wenn sie möchte, dann spielen wir ein wenig, sie wird massiert (Stärkung Körpergefühl und Selbstbewusstsein) und gelobt. Sie darf Wünsche äußern, sie darf viel rennen. Das sind alles so kleine Stärkungen fürs ich, die ihr helfen, ihren Impulsen nicht mehr so hilflos ausgeliefert zu sein.


    Nachdem sie erstmal angekommen war, das hat gedauert, hat sie tagelang fast nur geschlafen. Und sie schläft immer noch sehr viel, das braucht sie einfach. Dafür zieht sie sich zurück und das akzeptieren wie.


    Dass sie aktuell „große Schwester bzw. strenge Tante“ unserem vor ein paar Wochen eingezogenem Junghund sein kann, hat ihr nochmal einen richtigen Schub gegeben.


    Langer Rede kurzer Sinn: Ich finde es wichtig, auch bei ängstlichen Hunden, dass sie sich Herausforderungennstelken und an ihnen wachsen. Aber sie müssen auch gestärkt dafür sein. Und das ist halt wirklich individuell.

  • Genau.

    Keine generelle Vermeidung aber die Reize so halten das Hund nicht überfordert wird und Stresspegel nicht konstant auf Maximum ist.


    Management überlegen wenn man mal

    " durch muss".


    Wie @EmmaSonja schon schrieb in der Zwischenzeit Wohlfühlbudget aufladen.

  • Angstauslöser im Haus vermeide ich aber zum Beispiel nicht. Damit kann sie seitdem die Spaziergänge ihr überlassen werden aber auch deutlich besser umgehen und ich habe im Haus einen weitestgehend entspannten Hund.

    Das ist interessant und schön. Bei uns ist es so, daß ich viele Angstauslöser in der Wohnung vermeiden muss, da sie draußen schon relativ viel Streß hat und sie - wie auch Phonhaus geschrieben hat,einen geschützten Rückzugsort unbedingt braucht. Geht halt sehr auf Kosten meiner Lebensqualität. Ein anderes Umfeld draußen wäre/ist deshalb unvermeidlich und ich arbeite an einer Lösung, Führerschein oder Umzug


    Ansonsten sehe ich es auch so wie du mit der Überflutung durch Reize, das ist aber auch was Anderes als Angst. Das kann man nur in begrenztem Rahmen trainieren.


    Was ich auch mache ist sie viel entscheiden lassen, ich gehe eigentlich nur ihre Wege, denn sie kommt nirgendwo einfach so mit hin, das wäre zuviel Streß. Vor dem Rausgehen hilft es, daß sie was im Magen hat für die Impulskontrolle und vorher und zwischendurch streicheln hilft auch, daß sie schon mal gelassener ist, wobei natürlich nicht jeder Hund bei Streß gerne angefaßt wird

  • Geht halt sehr auf Kosten meiner Lebensqualität. Ein anderes Umfeld draußen wäre/ist deshalb unvermeidlich und ich arbeite an einer Lösung, Führerschein oder Umzug

    I feel das. Ich lasse mal ein Kompliment für die Hingabe da.


    Was ich auch mache ist sie viel entscheiden lassen, ich gehe eigentlich nur ihre Wege, denn sie kommt nirgendwo einfach so mit hin, das wäre zuviel Streß. Vor dem Rausgehen hilft es, daß sie was im Magen hat für die Impulskontrolle und vorher und zwischendurch streicheln hilft auch, daß sie schon mal gelassener ist, wobei natürlich nicht jeder Hund bei Streß gerne angefaßt wird

    Ich habe auf den Arm springen und Anfassen in Stresssituationen antrainiert (Geschirrgriff und Halten am Brustbein). Betti vergisst beim Eskalieren gerne mal, dass sie nicht alleine in der Situation ist und dann hilft das ungemein sie anzufassen, damit sie aus dem survival modus kommt und sich herunterfahren kann.

    Und ein GehirnschmalzSnack vor dem Gassigehen ist auch wichtig.


    Da man die Ängste, Unsicherheiten und Stresslevel von unseren Hunden ja schwer vergleichen kann, zudem sich Wohnumfeld und Beziehungen unterscheiden, basteln sich hier alle ihre eigenen Lösungen. Es muss dem Hund und den Halterinnen entsprechen. Authentisch und beständig sein. Mir würde es einfacher fallen, für den Hund umzuziehen, als stetig beruhigend auf Betti einzureden. Das funktioniert bei ihr auch, aber wäre für mich zu anstrengend. Da knie ich lieber neben ihr im Dreck und berühre sie.

  • Geschirrgriff und Brust streicheln ist hier auch das wichtigste Tool geworden, leider hat mir das erst die letzte Trainerin gezeigt. Für solche Sachen wie hinter mir gehen ist hier viel zu wenig Platz und zuviele Sachen, die ständig auch von hinten kommen und Megan hätte dazu in wirklich schlimmen Situationen nicht die Kapazitäten. Vermutlich würde es sie auch zu sehr pushen. Kekse essen geht auch immer und sie ist dankbar dafür, daß sie dann was zu tun hat. Geht aber nur im Zusammenhang mit Fußlaufen oder sitzen und von mir gefüttert bekommen,auf den Boden streuen, da würde sie schon wieder zu viel Handlungsspielraum offen haben. Sie braucht mich für die Regulation. Das wird vermutlich auch sicher immer so bleiben, obwohl sich schon so viel getan hat. Gut ist, daß sie mir inzwischen alles zuverlässig anzeigt, was ihr Sorgen macht,indem sie stehen bleibt und mich anguckt. Ohne das wäre ich nur am Gegend scannen, was ich auch so viel tue

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