Der Angsthund-Thread....

  • Danke euch für die Antworten.

    Aber mir wird damit klar dass das schon ein schwieriges Thema ist.


    Und natürlich die Meinungen auseinander gehen.

    Aber interessant und für mich ist in alle Richtungen etwas dran.



    Mir wurde ja immer gesagt: Ella hat bestimmt nie was gutes erlebt...

    Ich hab das immer im Hinterkopf gehabt aber nicht im Umgang mit ihr.


    Jetzt durch die Arbeit mit den Pflegehunden wird mir auch klar dass es nicht immer mit schlechtem Erlebnissen zu tun haben muss sondern dass sie es auch einfach gar nicht kennen.

    Wie zum Beispiel im Shelter geboren, wo die Vereine ja wissen wie die Hunde aufwachsen.

  • Das Thema Angst ist grundsätzlich schwierig, komplex und facettenreich. Genauso der Themenkreis Umgang mit Ängsten. Und ich höre/erlebe ganz oft, dass ängstliches (teils schon auch nur meidiges) Verhalten beim eigenen Hund das ist, was Halter am Schlechtesten ertragen. Geht teils bis dahin, dass Menschen fordern, diese Hunde lieber töten zu lassen als sie die Angst ertragen zu lassen. Dann noch die völlig unterschiedlichen Herangehensweisen aus verschiedenen Trainingsphilosophien, das macht alles nochmal komplizierter.

  • Dann noch die völlig unterschiedlichen Herangehensweisen aus verschiedenen Trainingsphilosophien, das macht alles nochmal komplizierter.

    Das ist sehr schön gesagt, wenn nicht schon fast euphemistisch: Wenn ich die Spannbreite von Positivem Training über Medikamentengabe bis zu solchen Posts hier lese, kann ich die Verzweiflung bei vielen noch sehr viel besser nachvollziehen.

  • Rumi hat ja auch vor vielem Angst, Menschen, Wind, Geräusche.

    Sie hat meiner Meinung nach die ersten 4-5 Monate in Rumänien einfach nichts kennengelernt außer das Leben im Shelter.

    Als "Angsthund" sehe ich sie trotzdem nicht. Sie hat ihre "Strategien" für die meisten Situationen.

    Kommt Besuch, verzieht sie sich in ihre Kiste. Erst wenn Leute oft da waren, kommt sie vielleicht auch mal kurz raus, um heimlich zu schnüffeln.

    Wenn draußen zu viel Wind ist, traut sie sich nicht zu lösen. Allerdings klappt es, wenn ich mitkomme und ihr Rückendeckung gebe.

    Durch besonders schwierige Situationen wie z.b. Baustelle, Aufzug etc. trage ich sie kurzerhand.

    Bei blöden Begegnungen im Freilauf mit anderen Hunden kommt sie zu mir gerannt.

    Was passieren würde, wenn es laut knallt während sie frei läuft, möchte ich lieber nicht erfahren...

    An Silvester kommt immer irgendwann der Punkt, an dem sie sich nicht mehr von mir beruhigen lässt.

    Ansonsten ist sie aber ein normal fröhlicher, lernfahiger und schlauer Hund. Ein gechillter, souveräner Zweithund würde ihr evtl gut tun. Hab ich schon oft darüber nachgedacht, aber ich möchte lieber doch keine zwei Hunde mehr halten.

  • Ich kann das für meine spanische TS-Hündin so unterschreiben. Polly ist auch eine Schissbuxe und ein Hasenfuß, aber stets und ständig sehr neugierig. Sie ist ohne Frage echt ängstlich, aber ich tu mich sehr schwer mit, sie als Angsthund zu betiteln. Geräusche und Bewegungen sind generell eher in der Kategorie „sehr sehr gruselig“ einzuordnen.


    Sie hat ähnliche Strategien wie Rumi: Besuch ist doof, aber wenn er sie ignoriert, dann liegt sie entspannt im Bett und hat auch kein Problem. Meistens kommt sie dann von sich aus mal gucken und setzt sich zu uns. Leider haben die meisten den unbändigen Drang, Kontakt in irgendeiner Form zu ihr aufzunehmen, das gruselt sie natürlich wieder. 😅

    Frauen haben es per se leicht bei ihr, Kinder sind der Super-GAU und bei Männern gilt: je zierlicher und in ihrer Art filigraner sie sind, desto interessanter sind sie und es gibt auch einen Mann außerhalb des inner circles den sie freudig begrüßt und aufdringlich ist, weil sie gekrabbelt werden will. Das ist neu und hat uns alle sehr gefreut.


    Mit meinem Partner ist es holprig, er ist groß, er ist laut und in seinen Bewegungen viel ruppiger als der Hund es meint ertragen zu können. Sie liebt es mit ihm zu kuscheln, sie geht draußen wunderbar mit ihm spazieren, kommt auch freudig wenn er sie ruft (auch wenn ich nicht dabei bin), sie geht mit ihm mit wenn unsere Wege sich trennen, sie lässt sich gern diverse Häppchen vom Abendbrottisch anreichen - aber wehe, sie begegnet ihm in geschlossenen Räumen während er steht oder noch schlimmer geht. Da rennt sie einfach weg.

    Meinem Partner macht das tatsächlich sehr zu schaffen. Er mag Hunde (und auch sie) total gern, kann aber mit ihrer Art nicht gut umgehen, ist traurig und hätte glaub lieber einen Labrador aus guter Aufzucht. 🙈


    Für Tipps bin ich offen. Erwartungen runterschrauben und Hund in Ruhe lassen klappt nur so halb, zumal sie ja durchaus auch super aufdringlich mit ihm sein kann.

    Ein ganz typisches Szenario ist hier: mein Freund schläft, Polly geht zu ihm, rüsselt ihm im Gesicht rum. Er wacht auf, sie erschreckt sich, hüpft weg und hat Angst. Bis er sie berührt, dann ist sie nämlich wieder im Kuschelmodus.

  • Rumi


    Der Stand, den Du beschreibst, den hatten wir mit Lilly nach so 5-6 Jahren. Und sie ist seitdem kontinuierlich weitergekommen :smile: Wenn sie hier ist und alles so ist, wie es soll, dann hat sie keine Angst mehr, sondern ist ein glücklicher und frecher Hund. Aber wenn es nicht so ist, wie es soll, dann ist sie im Dauer-Habacht. Sie muss nicht oft aus ihrer Komfortzone, ab und an muten wir ihr es aber bewusst zu und ab und an spielt das Leben nicht so mit, wie es ihrer Meinung nach sollte :smile:


    doll parts


    Ich habe meiner Erfahrung tatsächlich nur den Tipp, die Erwartungen an den Hund runterzuschrauben.


    Lilly hat lange gebraucht, mit meinem Mann überhaupt warm zu werden. Jetzt ist sie ähnlich anhänglich, rennt auch nicht weg. Aber wenn er nach dem Rückzug zur Nachtruhe zu nahe an ihre Höhle kommt, wird er wüst bestimmt. Und ich würde auch nicht ausschließen, dass sie reinhackt, würde er in dem Moment in die Höhle langen.


    Er ist nicht groß, aber laut, ausladend in seinen Bewegungen, neigt zu Hektik und Ungeduld (die er auch ausstrahlt). Ist der Meinung, dass alles mit Schwung (wie er es nennt) erledigt werden muss. Deshalb sammeln wir nur noch Briefbeschwerer und schwere Kristallvasen und Schalen, die filigranen Glassachen sind alle futsch. Er flucht beim kleinsten Anlass, singt laut, spielt Luftorchester und hat immer Musik oder Fernsehen laufen. So ist er einfach, er mag sich auch nicht dämpfen und ich erwarte es auch nicht von ihm (ähm - meistens :lol: ). Das muss Lilly akzeptieren. Und er muss halt akzeptieren, dass er aus ihrer Sicht zwar ein wirklich netter Troll ist, aber trotzdem ein Troll.


    Außerdem ärgert er sie manchmal ein wenig. Auf die Art zärtlich neckend, aber Lilly ist trotzdem jedesmal ratlos. Ihm macht das Spaß, wenn sie ihn dann anguckt und man hinter ihrer Stirn die Murmeln klackern hört. Ronja hat das viel Spaß gemacht, Momo kann das gut ab und fordert dann Spiel ein. Lilly hat für so etwas kein Rezept, da merkt man ein Stück die Grenzen ihrer Verarbeitungskapazitäten.


    In solchen Situationen sag ich ihm schon, dass ihn das aus ihrer Sicht weniger berechenbar macht. Aber ganz will oder kann er das nicht abstellen. Und Lilly hat sich ein Stück weit dran gewöhnt, dass er manchmal einfach seltsam ist. Dafür gibts dann halt auch eine Erdnuss, Chips oder Flips, je nachdem, was er gerade da hat. Er hat akzeptiert, dass sie ihn meistens gut und manchmal doof findet. Auf ihre Art hängen die Zwei schon sehr aneinander.

  • Danke für den ausführlichen Text. :)

    Ich erkenne da tatsächlich super viele Parallelen im Verhalten der Männer - Schwung, Fluchen, Ungeduld, aber auch das mal ärgern.


    Ich möchte auch nicht, dass mein Partner sich da verstellt (hat er mal probiert, hat alles nur noch schlimmer gemacht). Es ist auch sein Zuhause und er ist gut so, wie er ist - aber ich erinnere ihn schon öfter mal daran, dass wenn er sehr gestresst ist, sie einfach in Ruhe lassen soll, weil sie so eine Stimmung aufsaugt und dann gar nix mehr mit ihr anzufangen ist.


    Bei genauerem Nachdenken war mein Tipp-Gesuch wohl auch eher auf meinen Partner bezogen. 🙈 Er tut mir da leid, weil er in so einem „Du brauchst doch keine Angst zu haben, ich tu dir gar nix und pass auf dich auf“- Denken drin ist. So einfach funktioniert das natürlich nicht & er ist dann natürlich jedes Mal traurig. Ich red da natürlich auch mit ihm drüber, aber das kann er glaub ich schwer greifen.

    (Dafür sucht Polly gerne Schutz bei ihm, wenn ihr draußen was unheimlich ist, auch wenn ich dabei bin. Glaub, er misst dem gar nicht so viel Bedeutung bei, ich wiederum finde, dass das ne echt tolle Sache ist.)

  • Rumi hat auch lange gebraucht, bis sie den Mann akzeptieren konnte. Inzwischen läuft sie zu ihm hin und lässt sich streicheln.

    Leckerchen sind von ihm auch willkommen, vergisst er nur meistens...

    Ansonsten gibt es nur zwei (drei) weitere Menschen, die sie anfassen dürfen: meine Tochter, meine ehemalige Nachbarin und ihre kleine Tochter. Andere Kinder sind gruselig.

    Wenn ich mit ihr zu meiner Freundin zu Besuch fahre, dann ist sie dort zwar meistens etwas ruhelos, aber nicht ängstlich - weil sie das kennt und meine Freundin nix von ihr will.

    Bei meiner Nachbarin konnte sie sogar bei längerem Besuch auf dem Sofa einschlafen. Leider ist die verzogen.

    Alleine bei anderen musste sie noch nie bleiben, sollte das jemals nötig sein, müsste sie zu meiner Tochter. Der Mann käme allein mit ihr nicht klar - er ist aber auch nicht wirklich ein "Hundemensch".

    Ganz extrem ist Tierarzt - da hat sie wirklich schlimm Angst bis Panik. Da kann ich das Zwergerl nur mit Mühe einigermaßen ruhig halten, das ist echt krass. Und dabei ist der Tierarzt sowas von vorsichtig mit ihr, aber das zählt nix.

  • Hier ist es der Mann, mit dem sie besser kann, wenn es ums Thema Angst geht. Ihm ist Vieles einfach ganz egal und sie ist immer der beste Hund unzweifelhaft. Er hat auch so gar keine Erwartungen an sie.

    Die Kehrseite der Medaille, wenn sie nicht gerade Angst hat, geht das mit den Beiden in der Öffentlichkeit gar nicht :hust: er gibt sich Mühe, aber Maulkorb und 1 Meter Leine sind dann nicht ohne Grund verpflichtend und die Beiden drehen eher nachts um 3 ihre Runden.


    Hat alles so seine Vor- und Nachteile. Angst ist keine Persönlichkeit und darunter können sich ganz unterschiedliche Charaktere tummeln.

  • Okay, ich nehme daraus mit, dass ich meinem Freund regelmäßig gut zurede, geduldig keine Erwartungen zu haben es.


    Ich kann Polly zum Glück bedenkenlos auch mehrere Tage bei ihm lassen (und in der Kita, bei meiner Freundin, meiner Mama) und ich denke, er könnte alles mit ihr machen, was ich sonst auch tun würde, nur vllt. mit etwas mehr Überzeugungsarbeit.


    Vriff Deinen letzten Satz finde ich super und den werd ich mir merken, wenn wir wieder allzu mitleidige Sprüche und ein „Ein Jahr ist die schon bei dir und immer noch sooo ängstlich?“, so als wäre sie grundlegend immer in diesem Modus.

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