Denken - genauer gesagt das Denkbare - (und Sprache - und Sprachgebrauch) verändern sich. Es ist für einen Menschen unserer Zeit praktisch schlicht nicht möglich, exakt so zu denken, wie es ein Mensch aus dem eigenen Kulturraum vor 200 Jahren getan hat. Weil sich die Parameter verschoben haben. Man kann es erahnen, man kann sich mit viel Wissen um die Zeit ein Stück weit hineindenken. Aber reproduzieren lässt es sich nicht. Ebenso wie der erwachsene Mensch im vollem Sprachgebrauch das eigene Denken vor dem ausgearbeitetem Spracherwerb nicht mehr genau fassen kann. Die Gesellschafts- und Lebensverhältnisse lassen sich vermutlich besser darstellen, aber auch die notwendigerweise mit einem Blick aus unserer Vorstellungswelt.
Ich hätte diese Erwartung an einen historischen Roman daher tatsächlich gar nicht. Ich muss aber dazu sagen, dass es auch nicht mein Genre ist. Historische Romane vor ca. 1850 sind so gar nicht meins. Die Gaslight Era und das Fin de Siecle finde ich spannend, aber eben auch mit dem Hintergrund, was ich in diese Zeit hineinprojiziere und mit ihr verbinde.
Für mich gute historische Romane konfrontieren einen mit der Andersartigkeit. Wie es z. B. meiner sehr zurückliegenden Erinnerung nach bei Eco der Fall war. Ansonsten würde ich tatsächlich auch eher eine nette Geschichte erwarten.