Hallo Joyko64 !
Erstmal alles Gute zu Deinem ersten Hund! Wie aufregend, dann gleich zwei Jungs aufzunehmen und wunderbar, dass Milo auch direkt ein Zuhause gefunden hat.
Zu Marley: Du weißt nicht viel über seine ersten acht Lebensmonate oder? Abgegeben? Straßenhund? Ausgesetzt? Kettenhund? Wie lange in Pflege? Unter welchen Bedingungen?
Im Grunde weißt Du noch gar nichts von ihm, außer dass er komplett verunsichert ist und irgendwie versucht die Kontrolle über sein Leben zurück- oder überhaupt erstmal zu bekommen - das hast Du richtig erkannt. Wenn Du überlegst, dass Du da eigentlich noch einen noch nicht einmal richtig pubertierenden Junghund hast, ist für den die Welt komplett verrückt geworden. Sagen wir, Du hast einen 13jährigen Jungen bei Dir aufgenommen, der nichts um sich herum versteht und nichts und niemanden kennt. Der schlägt um sich, weil er gar nicht weiß, wer Feind oder Freund ist. Nur eines hat er verstanden: Ohne Dich ist er verloren! Deshalb bricht die Welt zusammen, wenn Du weg bist.
Was die anderen schreiben, stimmt: Der Hund braucht Ruhe! Er hat in Euren vier Wänden und auf dem Weg zum Lösen genug zu lernen: Er muss Dich kennen lernen, er muss Deine Mutter kennen lernen, er muss lernen, wann es etwas zu fressen gibt, er muss lernen, wie es bei Euch riecht, was er für Geräusche hören kann, ob es sicher genug ist, um zu schlafen, ob Du auf ihn aufpasst, ob Deine Mutter auf ihn aufpasst oder ob er auf sich und vielleicht sogar noch auf Euch Menschen aufpassen muss. Er muss sehen, ob er nicht vielleicht doch noch weiterziehen muss. Draußen geht es weiter: Wo wohnt er jetzt? Stadt? Dorf? Autos, LKWs, Mottorräder, Fußgänger, Jogger, Radfahrer, Kinder, Laufräder, andere Hunde und und und. Wer weiß, was er davon überhaupt im Leben schonmal gesehen hat und was das für ihn schlimmstenfalls bedeutet hat. Und da seit ihr gerade bis zum Grünstreifen vor dem Haus gekommen und noch nicht 3x täglich im Wald gewesen.
Ja, ein junger Hund soll "so viel wie möglich kennenlernen." Das bedeutet aber nicht: alles auf einmal in drei Tagen. sondern so viel, wie IHM möglich ist zu verarbeiten und keinen Deut schneller. Pelle ist jetzt sechs Monate bei mir und war schon drei Jahre (!) vorher in Deutschland und trotzdem ist er erst JETZT so weit, dass er alle zwei Tage (!) eine Stunde Gassi schafft, ohne Kurzschlüsse im Hirn. Diese Hunde sind nicht so auf das Leben vorbereitet worden, wie man es von einem Hund erwarten könnte, der bei einem guten Züchter im Hunde-Bullerbü groß geworden ist. Die kennen ihren winzigen Hundekosmos, der zum Überleben notwendig war - sonst NICHTS. Und diese Überlebensstrategien können völlig gegensetzlich zu dem Verlaufen, was er jetzt an Strategien bräuchte. In Bulgarien hat er vielleicht nur überlebt, wenn er sich Hund und Mensch lautstark und aggressiv vom Hals gehalten hat - jetzt in einer deutschen Stadt funktioniert das nicht mehr, weil hier so ein Hundeleben in der Regel nicht gewollt ist.
Lass ihn ankommen. Ruhen. Schlafen. ohne Besuche, Ohne Spaziergänge. Alles nach und nach. Und Du musst auch zur Ruhe kommen wieder. Du bist mit Sicherheit im "Welpenblues" gerade, weil alles nicht so leicht und schön ist, wie gedacht. War ich auch - obwohl ich wusste, dass Pelle schwierig ist. Das ist okay. Es ist aber noch nichts verloren. Einen Trainer, der sich mit Tierschutzhunden aus dem Ausland auskennt, halte ich bei Euch für sehr ratsam.