Hallo zusammen,
ich wende mich nun an euch für eine Einschätzung unserer Situation, weil mein Mann und ich mittlerweile überfragt sind und uns nun auch Gedanken wegen unserer fast 1-jährigen Tochter und befreundeter Kinder/Nachbarskinder machen.
Wir haben vor 4 Jahren einen damals 3-jährigen Mischlingsrüden (vermutlich DSH/Windhund) von privater Hand aus meiner Familie übernommen. Das erste Jahr seines Lebens hat er in Rumänien auf der Straße verbracht, dann kam er in ein deutsches Tierheim. Von dort aus wurde er in eine Familie vermittelt, die ihn nach wenigen Monaten wieder zurückgegeben hat. Er hatte dort wohl nach dem Kind der Familie geschnappt. Anschließend hat meine Schwester ihn aufgenommen und dann vor 4 Jahren an uns gegeben, weil sich ihre Lebensumstände leider entsprechend verändert hatten, dass sie ihn nicht mehr halten konnte. Ihr seht, der arme Kerl hat schon eine Reise hinter sich. Wir haben ihn nun die längste Zeit seines Lebens, er wird dieses Jahr 8 Jahre alt.
Eddy ist ein Hund mit Päckchen und hat so seine Macken. Er ist ein toller, verspielter und im Alltag an sich lieber Hund, der gefallen möchte, war allerdings nie einfach. Er ist oft unsicher und neigt dazu, vermutlich auch rassetypisch, zu "regeln", wenn er überfordert ist. Bspw. wollte er früher dazwischen gehen, wenn mein Mann und ich uns gekitzelt haben. War überfordert, wenn er tobende Kinder gesehen hat. Hat Angst vor Fliesenböden und vor großen schweren Männern. Auch ist auffällig, dass er starkes Unterwürfigkeitsverhalten zeigt, wenn er gemaßregelt wird. Er zeigt Schutztrieb, am Stall weicht er mir z.B. nicht von der Seite zwischen den Pferden.
Ein kritischer Knackpunkt war jedoch immer sein Schnappen nach Menschen. Seit wir ihn haben, ist es das ein oder andere Mal vorgekommen, dass er große Männer ins Bein gezwickt hat, wenn die sich auf ihn zubewegt haben. Wir haben das ernst genommen, aber nicht überdramatisiert, weil es jedes Mal eine Situation war, in der er sich aufgrund seiner schlechten Vergangenheit wohl bedroht gefühlt hat. Trotzdem sind wir seit den Vorfällen bei ihm immer auf Habachtstellung, haben viel trainiert usw. Allerdings gab es nun auch die ein oder andere Situation mit Kindern, die bei uns viele Jahre nicht vorgekommen ist (auch wenn wir das über Hörensagen ja von der ersten deutschen Familie wussten). Vor etwa einem Jahr hat er das Baby einer Bekannten ins Gesicht gezwickt. Man muss dazu sagen, dass unser Hund bei meiner Schwiegermutter war (wir nicht dabei) und sie da zu sorglos mit umgegangen ist. Das Baby hat viel geschrien und unser Hund dachte wohl auch in diesem Moment, er muss die Kontrolle übernehmen und die Kleine zurechtweisen. Trotzdem natürlich ein absolutes No Go.
Gestern ist jedoch etwas passiert, was uns in Anbetracht unseres nun eigenen Kleinkindes sehr zu denken gibt.
Mein Mann hat im Garten mit dem Nachbarsjungen (ca. 6 oder 7) einen Ball hin und hergekickt. Nicht dynamisch, nicht aktionsgeladen, ein ziemlich ruhiges Ballspiel. Unser Hund war mit draußen und wollte mehrmals dem Ball hinterher, was ihm mein Mann untersagt hat, irgendwann auch sehr deutlich. Er hat ihn auf seinen Platz verwiesen, der mit Abstand zum Geschehen am Rand des Rasens war, wohl irgendwo hinter meinem Mann. Dort lag unser Hund nun augenscheinlich entspannt. Dann ist der Junge langsam auf den Ball zugelaufen, unser Hund ist aufgesprungen, zum Jungen gewetzt, hat ihn erst in die Wade und dann ein zweites Mal in die Hüfte gepackt. Der Kleine hat natürlich geschrien und sich erschreckt, mein Mann ist sofort dazwischen. Wir sind sehr geschockt darüber, denn so eine Situation gab es noch nie in dieser Heftigkeit. Der Junge war weit entfernt, mein Mann dabei, Eddy am Rand. Wir wussten immer, dass wir ihn im Blick halten müssen, aber so etwas hatten wir nicht erwartet. Vielleicht waren wir da auch zu blauäugig. Es ist noch glimpflich ausgegangen, der Junge hat "nur" einen Bluterguss und Zahnabdrücke, der Vater hat sehr verständnisvoll und nett reagiert, der Junge hat sich beruhigt...aber wir sind gehörig durch den Wind. Mein Mann ist sich unsicher, was passiert wäre, wenn er nicht sofort dazwischen gegangen wäre.
Wir hängen sehr an unserem Hund, haben viel mit ihm erarbeitet, gehen sehr konsequent mit ihm um. Allerdings schnappt er nicht zum ersten Mal und nun schließt sich leider auch bei uns der Kreis, wenn man sich den Vorfall in der ersten Familie anschaut. Mittlerweile haben wir selbst ein Kind und fragen uns einfach, ob das weiterhin zu verantworten ist, ihn zu behalten Versteht mich nicht falsch; mein Mann und ich sind sicher nicht perfekt im Umgang mit ihm, aber wir haben beide vor ihm jahrelang Hunde gehabt. Ich hatte vorher eine Jagdhündin, war mit ihr beim Hundesport usw. So ganz unbefleckt sind wir nicht in der Hinsicht. Und Eddy war nie der total normale Familienhund, wir achten sehr darauf, seine Signale zu lesen, nehmen ihn bei kleinen Zeichen von Unsicherheit aus den Situationen raus, üben mit ihm.
Feststeht, dass wir als kurzfristige Maßnahme erstmal einen Maulkorb antrainieren werden. Noch sehr viel mehr aufpassen werden, Situationen vorherzusehen und an unseren Führungsqualitäten arbeiten. Ich habe auch schon nach Trainern geschaut, allerdings wird momentan aufgrund Corona wohl keiner vorbeikommen. Ich habe auch noch keinen gefunden, der über den klassischen Familienhund-Hundeschultrainer hinausgeht.
Die eigentliche Frage ist aber, ob unser Hund aufgrund unseres Kindes (wir wollen auch ein zweites und haben jetzt natürlich die kommenden Jahre sehr viel Kontakt auch zu fremden Kindern) tatsächlich noch bei uns richtig aufgehoben ist, da er ja negativ vorgeprägt ist, keine einfache Vergangenheit hat und diese Schnappvorfälle nun über die Jahre mehrfach in verschiedenen Situationen vorgefallen sind. Und nicht nur bei uns, auch bei Vorbesitzern.
Es tut echt weh, überhaupt darüber nachzudenken, aber ich möchte verantwortungsvoll handeln. Nicht jahrelang mit Trainer rumdoktern, wenn jetzt schon absehbar ist, dass die Situation mit Kindern nie entspannt sein wird.
Ich freue mich über Anregungen und Hinweise. Sorry für den langen Text.