Hm, ich glaube, ich werde heute nachmittag auch nicht unbewusst für alle anderen (also so, dass es mir nicht bewusst wäre) und auch nicht unbewusst bei allen anderen (also so, dass es ihnen nicht bewusst wäre) das Signal senden, dass unser Hund aussieht, wie er aussieht, weil ich aus prinzipiellen Erwägungen darauf verzichtet habe, ihn pink zu färben oder zum Papagei umzuscheren. :-)
Doch das wirst du. Deine gewählte Rasse, die Art deiner Interaktion mit dem Hund, deine Kleidungswahl, dein Geschlecht - all das sind Signale, die eben nicht im luftleeren bedeutungslosen Raum herumschwirren. Natürlich kommt da, aufgrund der Seltenheit bunter Hunde, beim anderen nicht automatisch das Gegenteil an (also kein: "Ach, der/die hat seinen Hund extra nicht gefärbt"). Aber da läuft ganz viel kulturell verankerte Kommunikation, um die man einfach nicht herumkommt. Ich weiß, das ist eine sehr "unhandliche", weil theoretische, philosophische Antwort. Aber vielleicht hast du dennoch Lust auf so ein Gedankenspiel.
Klar hab ich Lust. :-)
Ich würde Dir da nicht widersprechen; bezogen auf alle Punkte, die Du aufzählst und die Du namentlich nennst, interagiere ich mit anderen - im Abgleich, im Bewerten bzw. in der Art, dass uns eines dieser Dinge Deiner Liste am anderen (und anderen an mir) überhaupt auffällt. Und das ist eben nicht grundlos so. Sondern liegt an unseren kulturellen Übereinkünften, wie Du ja richtig beschreibst. Ich würde es allerdings ein wenig präziser fassen wollen. In manche kulturellen Übereinkünfte füge ich mich ein, in andere - willentlich oder unbewusst oder unabsichtlich - nicht. Ich setze dadurch entweder das Signal: okay, ich bin dabei und reproduziere die kulturelle Übereinkunft gerade. Oder ich verweigere sie. Und setze dadurch wiederum ein Signal. Das deuten Du und Bonadea ja zutreffend an. Der Mechanismus ist meines Erachtens völlig richtig beschrieben.
Und zugleich - und das finde ich für unsere Diskussion hier nun interessant - bin ich jeweils immer Mitbeteiligte daran, ob es einen solchen Zeichenraum für ein (neues) kulturelles Faktum gibt, oder nicht. Ich "mache" ihn sozusagen "mit", indem ich: mitmache. Oder ich habe mitunter einfach passiv geschehen lassen, dass einen solchen Zeichenraum gibt, weil ich mich an relevanten Stellen nicht einmischte und eben nicht wie jetzt beispielsweise hier in dieser Diskussion mit anderen Menschen, die gerade an diesem neuen kulturellen Zeichenraum "Wir sollten unsere Hunde färben können, wenn uns das gefällt und ihnen dadurch keine Schmerzen entstehen. Ein anderes Kriterium dafür oder dagegen braucht es nicht" basteln, darum ringe und dafür argumentiere, Hunde aus prinzipiellen Erwägungen nicht einzufärben. Es gibt diesen Zeichenraum im oben beschriebenen Sinne im Moment noch nicht, daher mein Beispiel mit meinem Nachmittagsspaziergang mit unserem Hund. Wenn Du so willst, ist das bezogen auf Dein Gedankenspiel - jetzt hier und heute nachmittag - ein neuralgischer Punkt. Jetzt gerade ist die Normverschiebung und jetzt gerade könnte ich theoretisch versuchen mitzubeeinflussen, ob es diese Normverschiebung geben wird oder nicht bzw. in welchem Tempo es sie geben wird.
Übersetzt in die Frage des Einfärbens und Umscherens von Hunden zu Papageien würde das konkret heißen: ich stelle mich aus prinzipiellen Erwägungen gegen eine mögliche kulturelle Übereinkunft, die lautet, wir sollten unsere Hunde einfärben und zu Papageien (oder anderswie verfremdend) umscheren können, wenn uns das als Halter gefällt und der Hund dadurch keine Schmerzen hat. Ich mache diesen kulturellen Zeichenraum (im oben beschriebenen Sinn), den andere dabei sind, zu bilden, sozusagen nicht mit. Weil und indem ich nicht mitmache. Und wenn ich Zeit und Lust dazu habe, versuche ich vielleicht noch anderen meine Gründe dafür argumentierend vermitteln, in der Hoffnung, sie auch für andere ausreichend plausibilisieren zu können.
Klingt jetzt irgendwie seltsam dramatisch, ich wollte nur möglichst eng an Deinem Gedankenspiel bleiben.