Ihr habt (indirekt) gefragt, und ich hab jetzt nochmal darüber gegrübelt, was ich denn so neu an Bartzens Ansatz finde. Vorausgesetzt ich verstehe ihn richtig, würde ich das vielleicht so fassen:
Prämisse: Ich kann einem Hund keine rassetypische / genetische Verhaltensdisposition hin-erziehen. Ich kann sie ihm nur weg-erziehen.
In Bartz Verständnis ist das eine Art von Initialgeschehen, bei dem ich meinen Hund, den ich schuldhaft in eine nicht für ihn passende Umwelt geholt habe, von seinen natürlichen Verhaltensdisposition sozusagen „erlöse“. In diesem Sinne tue ich ihm nichts an, vielmehr höre ich gewissermaßen (endlich) damit auf, ihm etwas anzutun, wenn ich nämlich meinen Hund zwinge, sich im fortwährenden Widerspruch zu seinen genetisch oder rassetypisch verankerten Verhaltensdispositionen erleben und fühlen (?) zu müssen.
Beispiel: Es stört mich und ich will nicht dass mein Hovawart ständig ein bedrohliches Verhaltensmuster an den Tag legt, wenn meine 17 Freunde und 8 flüchtigen Bekannten täglich bei mir ein und aus gehen. Das Drohknurren und Bellen wird mir zunehmend unangenehm. Ich tue aber bislang auch nichts dagegen, dass mein Hund das wiederholt als Gefahrenlage erlebt und seine ganzen dazugehörigen Verhaltensdispositionen dagegen in Stellung bringt oder sogar auslebt, um sich und mich zu schützen, weil hier aus seiner schutzhündischen Perspektive eben kein Interpretationsspielraum besteht. Ich könnte versuchen, so Bartz, ihm einen solchen Interpretationsspielraum nach allen Regeln der „modernen Hundeschulenkunst“ (hinzu-)konditionieren, nach Bartz ist das Ergebnis aber eines nie: über alle Reizintensitäten hinweg zuverlässig und zwar nachhaltig zuverlässig.
An der Stelle nun hat Bartz irgendeinen Knalleffekt oder meinetwegen ein wundersames Placebo-Voodoo-Spektakel (danke Phonhaus, ich musste breit grinsen :-) im Angebot, das, wenn der Hundehalter es im weiteren richtig „anwendet“, den Hund aus dieser ewigen Konfliktzone — der Herden/Schutzhund, der verflixt nochmal nicht beschützen soll — befreit. Er muss jetzt nichts mehr tun. Uff. So liest sich das für mich.
Und dafür ist eben keine Reiz“übermalung“ per Belohnung (Leckerli, Clicker, Marker usw.) nötig. - Im Gegenteil, es würde so schlicht nicht funktionieren, meint Bartz, weil ich damit nicht auf die Ebene komme, die angesprochen werden muss - sondern *weiß-der-Himmel-was* reicht völlig aus. (Meli, wo bist Du mit Deinem praktischen Erfahrungsbericht? ) Einmal gemacht und dann in dieser Spur von Hundehalter und Hund weiterhin zusammen weitergelebt, wird alles fein. Für immer.
Strukturell anders ist in diesem Verständnis das Ausbildungsgeschehen (also ungleich Erziehungsgeschehen), innerhalb dessen bei Bartz sämtliche instrumentellen/operanten und klassischen Konditionierungsmechanismen zum Tragen kommen - und das auch gerne sollen. Wer will, kann seinem Hund ja jederzeit Befehlsausführungen wie „Fuß, Platz, Sitz, Komm“ hinzu-konditionieren und bedient dabei die gängigen Annahmen der Lerntheorie. (Verstärkung durch Belohnung; neuronale Bahnung durch Wiederholung usw.) Hat für ihn nur nix mit Erziehung zu tun.
Vielleicht stimmt mich Bartz - im Unterschied zu euch, die ihr ja recht gallig auf das Knalleffekt-(weg)Erziehungsdingens reagiert - gnädiger, weil er das so fluffy in ein, hm, Erlösungsgeschehen bettet. Versteht irgendjemand, was ich meine? :-) Irgendwie trifft das offenbar einen Nerv bei mir. Der Hofhütehund in der Studentenbuden-Dachgeschosswohnung muss nicht mehr in der (auch vegetativen) Grundspannung fühlen, leben, stoffwechseln … sich und seinen Halter unter allen Umständen beschützen zu müssen. Er darf nach Bartzens *Peng-Boing-Kadusch* von nun an entspannen. Wow.
Mir selbst ist auch völlig klar - und ich danke euch dennoch für alle Rüffel, Nasenstüber, korrigierenden Hinweise und skeptischen Augenbrauenhochzüge - dass das als so begriffene Instantlösung aller Hund-Mensch-Probleme natürlich Quatsch im Quadrat ist. Weil es die Lernbiologie des Hundes verkennt bzw. zwar alle Annahmen darüber zwar ungeniert mitbenutzt, aber ihre gängigen Begrifflichkeiten für eigene Zwecke umdeutet oder im Theoriemodell umplatziert. — Oder aber weil er eine Methode meint, bei der der „Löschvorgang“ (so schreibt das Bartz glaube ich irgendwo) seiner rassetypisch / genetisch bedingten Verhaltensdisposition nicht ohne das Auslöschen jedweder gerichteten Willensäußerung des Hundes zu haben ist.
Oder aber, weil ich einen grundlegenden Teil noch nicht verstanden habe. :-) Das halte ich bis auf weiteres für möglich.
Grüße