Hallo :)
Wir haben gemacht, wovon alle abraten und aus spontaner Verliebtheit heraus einen Herdermix (50% Hollandse Herder, Großvater- oder -mutter belgischer Schäferhund/vmtl. Mali) aus unserer Nachbarschaft zu uns geholt. Ich habe mich unter anderem deshalb bisher noch nicht groß getraut, hier zu schreiben, sondern war bisher eher stiller Mitleser, zumal wir über den kritischen Punkt, an dem viele dieser Hunde abgegeben werden, noch längst nicht hinweg sind. Ich glaube aber, dass es evtl. Sinn macht, nochmal aus meiner Perspektive etwas zum Thema beizutragen.
Vieles von dem, was man hier liest, nimmt man wahrscheinlich zur Kenntnis, ohne es wirklich zu verstehen. Ich schätze, das ist der Grund, weshalb auf der einen Seite diese Hunde immer wieder gekauft werden und auf der anderen Seite erfahrene Hundeführer das Gefühl haben, gegen Windmühlen zu reden. Wie man dieses Missverstehen eigentlich klarer Worte vermeiden kann, überlege ich jetzt schon, seitdem unser Hund bei uns ist. Denn natürlich haben wir uns vor dem Kauf belesen, darüber diskutiert und abgewogen, und die Entscheidung fiel trotzdem auf ihn. Und in der Theorie wusste ich, was auf uns zukommt. Praktisch steht man aber dann, sobald der Hund da ist und man die ersten Erfahrungen in der Familie, der Hundeschule und mit anderen Hundebesitzern macht, allein auf ziemlich weiter Flur. Denn diese Hunde sind - und das wird zu Recht ja auch immer wieder betont - einfach anders.
Letztlich sind die Probleme, die wir bisher hatten, natürlich die gleichen, die auch unsere Freunde mit ihrem gleichalten Hund haben. Das Alleinebleiben funktioniert anfangs noch nicht so, Leinenführigkeit ist ein großes Thema, die Beißhemmung wollte erlernt werden, jetzt langsam fangen sie an, ein bisschen unhöflich und rüpelig zu werden. Nur dass Mozarts Kumpel traurig schaute und vielleicht ein bisschen wimmerte, wenn er alleine bleiben musste und Mozart gegen Türen rannte und schrie, sobald man nur in einen anderen Raum ging und die Tür schloss. Bei Spaziergängen waren ihm Autos lange egal, dann wurde er größer und sie interessierten ihn plötzlich, etwa zeitgleich mit Fahrrädern und Joggern, weil er Bewegungsreize jetzt ganz anders wahrnahm. Vor ein paar Wochen haben wir mit ihm einen Spaziergang im Wald gemacht, ging super und er war ein entspannter zufriedener Hund. Ein paar Tage später wollten wir das mit meinen Eltern zusammen wiederholen, die er sehr gut kennt und mag, aber das war irgendwie ein Tropfen zu viel für sein Fass - Ergebnis war purer Stress für alle Beteiligten (am meisten natürlich ihn selbst), er fiddelte, zog den ganzen Spaziergang über an der Leine wie ein Schlittenhund, um irgendwie den angestauten Druck abzubauen. Also wieder ein paar Schritte zurück und jetzt trainieren wir solche für ihn anscheinend extrem aufregenden Situationen, indem wir alle paar Tage mit dem Auto ein paar Meter fahren, aussteigen, ihn an die Leine nehmen, ein paar Schritte gehen und dann wieder nach Hause fahren. Waldspaziergang mit anderen ist erstmal wieder abgehakt. Von der Sache mit der Beißhemmung fange ich jetzt gar nicht an - bei euch gehts ja auch nicht um einen Welpen, was ich nur sagen will ist; immer wenn man glaubt, irgendwas müsste einfach so funktionieren, lässt einen der Hund mit diesem Gedanken im Regen stehen.
Und wenn ich jetzt von meinem Hund erzähle und die Aufgaben mit ihm irgendwie in Worte fassen will, dann fühle ich mich ein bisschen wie ein Alien gegenüber anderen Hundebesitzern oder meiner Familie, die dann sagen "Och ja er ist ja auch noch klein, das kommt mit der Zeit", weil ich weiß, dass bisher keines unserer Probleme sich von selbst gelöst hat und auch in Zukunft immer wieder neue Baustellen aufkommen werden, denen wir uns in höchster Intensität annehmen müssen, damit unser Hund ein halbwegs tauglicher Alltagsbegleiter wird. Und dann kommt später noch die rassegerechte sportliche Auslastung hinzu, ohne die es nicht geht und ohne die man nochmal neue Probleme schafft. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Man muss sich eben darauf einstellen, dass Dinge, die man im Zusammenleben mit Hunden für selbstverständlich hält, bei so einem Hund zum Thema werden. Irgendwie möchten doch die meisten einen Begleithund(!), der sich mit anderen verträgt, der nicht zuviel bellt, der den Einbrecher aber nicht den Postboten meldet und den man überall mit hinnehmen kann, und zwar ohne dass all diese Dinge zur Mammutaufgabe werden und man den Hund bei jedem Schritt anleiten muss, weil er sonst irgendwas ziemlich Unvorhergesehenes tut und das schneller als man gucken kann.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ob ich aus meiner Perspektive jetzt von diesem Hund abraten würde, kann ich nicht sagen, weil unser Hund selbst noch sehr jung ist. Was ich glaube ich aber schon mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, ist: Es wird genauso sein, wie hier beschrieben und es wird doch ganz anders sein, als ihr es euch in euren kühnsten Träumen vorgestellt habt; und damit meine ich in erster Linie: viel schlimmer, extremer, nervenaufreibender (denn die schönen Momente, die kommen mit jedem anderen Hund auch). Dazu kommt, dass eure Kandidatin aus fremder Hand kommt. Ich bin sehr froh darüber, dass wir unseren Hund seit kleinauf haben und jede Entwicklungsstufe mit ihm zusammen erlebt haben, gerade weil er auch so schon eine Wundertüte ist und teilweise Themen wieder auspackt, die ich eigentlich schon für gegessen hielt (aber immerhin die Vorgeschichte dazu schon kenne!). Ich liebe meinen Hund wie verrückt, aber er ist auch verrückt, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Würde ich mir nochmal so einen Welpen holen? Das beantworte ich, wenn er drei ist.