Hallo Zusammen,
vor sechs Wochen ist Tony, ein kroatischer Schäferhundmischling, zu uns gekommen. Er ist in Kroatien auf der Straße geboren und kam mit ca. 3 Monate mit seiner Schwester auf eine "Pflegestelle". Sprich eine dunkle Scheune wo jeden zweiten Tag jemanden zum futtern vorbeikam. Der Zustand der beiden war sehr schlecht: Unterernährung und Räude. Seine Schwester hat es deshalb nicht überlebt. Eine Sozialisierungsphase gab es in dem Sinne nicht. Tony kam dann mit 5 Monate zu einer sehr lieben Pflegefamilie in Deutschland wo er "aufgepepellt" wurde. Hier lebte er mit einer hundeerfahrene Frau und ihre drei Hunden zusammen im Rudel. Mit 15 Monate ist er dann zu uns gezogen.
So viel zur Vorgeschichte, die wahrscheinlich zu den beiden Problemen, die wir nun mit ihm erfahren beitragen.
Wir haben uns in ihn verliebt, weil er so ein aktives und aufgewecktes Kerlchen ist. Beim ersten Spaziergang haben wir gemerkt dass er sehr "auf seine Menschen achtet", immer wieder zu denen schaut, sich aber auch hinsetzen kann und kraulen lässt. Eine perfekte Kombination :)
Anspannung
Egal ob Draußen beim Spaziergang, auf dem Balkon oder in der Wohnung, Tony scheint immer "hellwach" zu sein. Jeder Vogel oder gar Fliege muss fixiert werden. Stehen wir vom Sofa auf, ist er direkt hellwach und läuft einem hinterher. Sein Körbchen in dem er nachts sehr gut schläft steht im Flur. Wir haben angefangen ihn auch tagsüber oder abends öfters dort hinzuschicken, sodass er zur Ruhe kommt. Dies funktioniert sehr gut. Alleine zu Hause bleiben ist auch gar kein Problem.
Draußen ist er sehr aufmerksam und reagiert auf jeden Reiz. Der Schwanz zeigt meist nach oben und die Ohren sind gespitzt. Er hat eine sehr gute Nase, sodass er ständig an der Leine ziehend eine Spur verfolgt. Sehr positiv ist, dass er sich ohne Leine nie weiter als 10m von uns entfernt und oft zu uns umschaut, um zu checken, ob wir noch da sind. Das Kommando "hier" funktioniert in drei von vier Fällen gut. An der Leine schaut er manchmal auch hoch und freut sich dann über ein Komplimentchen.
Um die "Reizablenkung" im Griff zu bekommen, habe ich angefangen Impulsübungen mit ihm zu trainieren. Wenn wir z.B. vom Gassi kommen, lass ich ihn vor der Türe warten und darf mit dem Kommando "okay" rein. Wenn wir spielen, lasse ich ihm zwischendurch "Aus" machen und komplimentiere ihn natürlich sehr dafür. Ich lasse ihn dann Sitz machen, lass ihn warten während ich das Spielchen werfe und er darf es beim "Okay" holen. Diese Übungen funktionieren in der Wohnung sehr gut. Die Trainingseinheit darf aber nicht zu lange dauern, weil er dann anfängt "komisch zu werden". Er will sein Spielzeug dann gar nicht mehr hergeben, fängt an zu knurren und spannt sein ganzes Leib an. Sogar wenn wir ihm eine Wurst auf dem Boden legen lässt er sein Spielzeug nicht locker. In diesen Momente "geben wir dann auf" und lassen ihm sein.
Leinenaggression
Hundbegegnungen an der Leine werden zunehmend schlimmer. Ein Hund in der Ferne ist meist OK, aber auf der anderen Straßenseite wird an der Leine gezerrt und heftig gebellt. Wenn ich dabei im Weg stehe (ich lass ihn immer auf der Abgewandte Seite laufen), wird nach meinem Bein geschnappt. Er scheint in diesen Momente in Trance und reagiert auf nix. Sogar ein Stück Käse interessiert ihm in dem Moment 0. Die Hundebegegnungen versuchen wir zu reduzieren aber das geht ja nicht immer und überall!
Interessant ist, dass er in seiner Pflegefamilie super mit den anderen Hunden klargekommen ist. Er geht bei uns ein Tag der Woche zu einer Hundesitterin und ist auch dort mit allen Hunden, egal ob Rüde oder Weibchen, verträglich. In einem Rudel scheint es also sehr gut zu funktionieren. Sogar mit nicht-kastrierten Rüden kommt er gut klar. Sein bester Kumpel ist ein gleichgroßer Rüde, der ziemlich dominant und aufbrausend ist. Die beiden spielen super zusammen. Wenn sich die beiden allerdings auf der Straße, an der Leine begegnen wird auch er von Tony angebellt
Wir haben schon öfters versucht die Hunde sich Beschnuppern zu lassen und / oder von der Leine zu lassen und haben dabei folgende Dinge gemerkt:
- Wenn wir Tony "machen lassen" will er zum anderen Hund hin und ist erst mal interessiert
- Wenn der andere Hund sich dann zu sehr aufdrängt wird Tony ängstlich, sucht Schutz bei mir, geht auf Abstand und verbellt dem anderen Hund.
- Wenn der andere Hund nicht spielen will, wird er auch verbellt.
Ein Hundetrainer hat sich das Problem bereits angeschaut und uns Markertraining geraten. Dies funktioniert in gewisser Distanz zum anderen Hund gut, aber sobald dieser in einer Distanz von 10m kommt, ist alles vorbei und ist Tony nicht mehr ansprechbar. Mein Partner versucht seit neuestem dem Hund während des Bellens mit dem Bein "anzukloppsen". So löst er sich zumindest aus seinem Tunnel, hört für den Moment auf zu bellen und es wird "weitergegangen". Diese Methode ist zumindest kurz und schmerzlos, löst aber nicht das Problem...
Die Spaziergänge machen zunehmend weniger Spaß und sind auch für mich stressig weil Tony sich so arg aufregt! Zu Hause ist er ein ganz lieber Hund und auch ohne Hundebegegnungen ist er Draußen sehr aufgeweckt und macht gute Laune.
Wir freuen uns daher auf pragmatische Tipps, wie wir es vermeiden können dass Tony "in seinem Tunnel gerät" und uns und dem Hund entspannter werden lassen!