Gerade habe ich diese interessante Diskussion gelesen.
Bei allem vorhandenen Fachwissen fehlt mir eins, woran ich mich aus der Populationsgenetik erinnere:
In einer ausreichend großen, durchmischten Population gibt es normalerweise viele rezessiv vererbte Krankheiten. Diese sind aber selten und bleiben es auch, weil das Zusammentreffen zweier Träger eben unwahrscheinlich ist.
Bei den Menschen in Deutschland, als Beispiel für so eine durchmischte Population mit Austausch nach außen, gibt es hunderte von möglichen Erbkrankheiten, aber alle sind und bleiben selten. Mukoviszidose ist bei uns mit 1:2000 Neugeborenen die häufigste Erbkrankheit, zusätzlich hat man auf die 2000 Kinder zwei Träger. Die anderen Erbkrankheiten sind viel seltener. Hier lohnt es sich nicht, alle zu testen, weil die Fehler, die alle diagnostischen Tests machen im Verhältnis zu den tatsächlich vorhandenen Trägern zu häufig sind (mit anderen Worten: die meisten "Träger" im Test wären falsch-positiv).
Das wäre aus meiner Sicht das Ziel für eine gesunde Rasse (oder gesunde Mischlinge): Nicht, dass es keine Erbkrankheiten mehr gibt (das ist, wie viele hier geschrieben haben, utopisch) sondern dass sie so selten werden, dass sie von selbst auf diesem Niveau bleiben und Testen nicht mehr nötig ist.
Wenn man dann hier liest, dass bei manchen Rassen 85% der Zuchtrüden Träger weniger Erbkrankheiten sind, ist das schon eine Katastrophe, die man keiner Rasse antun sollte. Und es sollte schon helfen, wenn man mehrere Rassen mischt, die unterschiedliche Erbkrankheiten tragen, jedenfalls wenn die Populationen groß genug sind. Denn dann hat man zwar mehr mögliche Erbkrankheiten insgesamt, aber alle sind so selten, dass sich das System auf niedrigem Niveau stabilisieren könnte. Aber nur, wenn das Ziel ist, die entstandene Vielfalt auch zu erhalten. Wenn man danach wieder versucht, möglichst schnell den "Mittelschnauzer" oder "Malinois" rückzuselektieren, hat es keinen Sinn.
Das wäre meine Kritik an den Maßnahmen: Man sollte zuerst einmal das Ziel formulieren, das man erreichen möchte, und erst dann entscheiden, welche Maßnahmen wahrscheinlich zu diesem Ziel führen.