Hallo in die Runde!
Vor zwei Wochen ist nach reichlicher Überlegung eine Entscheidung gefallen, die mir sehr wehtut, von der ich aber weiß, dass sie die richtige ist. Ich habe mich mit Karl übernommen und es wäre fairer für uns beide, wenn er ein anderes Zuhause bekommt.
Nur bemerke ich seit dem, dass die Vermittlung so viel schwieriger wird, als ich dachte. Vor allem, weil ich in einem Dilemma stecke und jetzt dachte ich, ich frag hier mal, was ihr so dazu denkt.
Vielleicht kurze (haha mal schauen, ob das kurz geht) Vorgeschichte zu unserem nun 2-Jährigen Zusammenleben.
Als ich Karl in einem kleinen Tierheim hier in der Nähe zum ersten mal sah, war ich sofort verliebt und durch meine arme-missverstandene-kampfhunde-narrative im Kopf und der rosaroten Brille auf der Nase hätte er vermutlich sonstwie sein können, ich hätte ihn zu mir geholt. Aber er war dort auch eigentlich echt supi. Ja, aufgeregt und unausgelastet, aber echt nett und recht leinenführig und grundgehorsam. Ich besuchte ihn 4,5 mal und bemerkte schnell, dass die Tierheimleitung irgendwie seltsam zu mir war. Ich bekam das Gefühl nicht los, dass sie ihn mir eigentlich nicht vermitteln wollten. Also fragte ich direkt nach und alles wurde negiert. Egal, was ich fragte, die Antworten waren vage ("sie wissen aber schon, dass das ein anspruchsvoller Hund ist"). Also forderte ich ein Treffen mit dem Hundetrainer der Einrichtung. Er ging mit mir und Karl spazieren, zeigte mir, wie ich mich verhalten sollte und gab mir ein gutes Gefühl. Also ignorierte ich das komische Verhalten der Tierheimleitung und Karl zog zu mir.
Hinterher ist man immer schlauer. Ich wusste damals nicht, dass der Hundetrainer ihn nur einmal zur Begutachtung auf dem Hundeplatz hatte. Dass man scheinbar nie geguckt hatte, wie er auf verschiedene Reize reagiert. Und man hatte mich direkt angelogen, denn mir waren schon beim ersten Treffen wunde Stellen an seinem Bauch aufgefallen, die mir mit dem Einstreu im Zwinger erklärt wurden und die angeblich schon am Abheilen seien.
Zunächst fiel auf, dass obwohl es anders vereinbart war, sich das Tierheim nie wieder meldete, nachdem Karl bei mir eingezogen war. Ich suchte den Kontakt, aber es kamen keine der versprochenen Rückrufe.
Dann wurden die wunden Stellen immer schlimmer, er kratzte und kratzte und kratzte sich. Erste Diagnose: Grabmilben. Doch auch nach der Behandlung wurde es nicht besser. Monate der Diagnostik später war klar: Milben-Allergie (Gras, Futter, Hausstaub) und Futter-Unverträglichkeiten. Ich weiß bis heute nicht, wie das mit dem 0815-Trockenfutter im Tierheim gegangen sein soll. Als wir dann den EU-Heimtierausweis für ihn wollten, stellte mein Tierarzt fest, dass die Tollwut-Impfung nicht vollständig vom Tierheim durchgeführt wurde (dies war für mich als Laie natürlich nicht erkennbar gewesen).
Diese ganze Odyssee schildere ich am detailliertesten, weil sie heute jetzt zu meinem Dilemma führt.
Aber erstmal noch kurz zu den Gründen, weswegen ich nun nach einem anderen Zuhause für ihn suche: Karl packte sobald die gesundheitlichen Dinge einigermaßen zur Ruhe gekommen waren nämlich so richtig aus. Zusammengefasst: beispielhaftes fehlgeleitetes Beutefangverhalten (alles mit Räder, rennende Menschen, Hund), Balljunkie deluxe, terriertypisch leicht erregbar und selbst kaum in der Lage, sich wieder zu beruhigen, große Abneigung gegen fast alle anderen Hunde, vor allem bei intakten Rüden würde er ernst machen, da bin ich mir sicher.
Unser Alltag besteht aus Management und dem Versuch meinerseits, ihn dennoch angemessen auszulasten. Wir apportieren und machen Futtersuchspiele. Er lernt gerade am Fahrrad zu fahren und wir trainieren so viel es geht an seiner Frustrationstoleranz. Das Problem ist nur, dass jeder Trainingserfolg zunichte ist, sobald wir mal wieder beinahe von einem E-Roller umgefahren wurden oder mein ignoranter Nachbar seinen Hund auf uns springen lässt.
Ich bin nach sehr vielen Tränen und verzweifelten letzten Monaten zum Schluss gekommen, dass die Berliner Innenstadt einfach nicht das geeignete Zuhause für Karl ist. Unser Leben gleicht zunehmend einem Spießrutenlauf und ich habe meine Grenze erreicht. Meine Ressourcen reichen einfach nicht mehr aus...
Und jetzt zu meinem Dilemma.
Aufgrund seiner Gefährlichkeit darf ich ihn ja eigentlich nicht privat inserieren. Also habe ich in den letzten zwei Wochen zahlreiche Stellen kontaktiert, die auf die Vermittlung seiner/solcher Rassen spezialisiert sind und/oder bekannt sind für ihre Arbeit mit gefährlichen Hunden.
Die Rückmeldungen, die ich bisher erhalten habe, lauten gleich: entweder es gibt keine Kapazitäten oder ich soll das mit dem Tierheim regeln, aus dem ich ihn habe.
Aber das Vertrauen zu dieser Einrichtung ist nicht mehr vorhanden, falls es jemals bestand. Ist das nachvollziehbar?
Ich fühle mich von diesen Leuten in gewisser Weise belogen. Frage mich, wie ehrlich ihr Interesse an einer guten Vermittlung war, wenn sie sich nie zurückmeldeten? Keine Nachkontrolle, keine ehrlichen Antworten. Die Allergie ist doch nicht vom Himmel gefallen? Oder?
Dazu habe ich mittlerweile natürlich auch die Bewertungen gelesen und die schlechten haben es echt in sich. Ich hätte so große Angst, dass er da am Ende versauert oder in die Hände von irgendwem geht, der ihm dann nen Elektroschockhalsband verpasst und "gut" ist.. oder noch schlimmer..
Wie würdet ihr euch verhalten?
Ich weiß, dass ich vertraglich genaugenommen dran gebunden bin, ihn dorthin zurückzubringen, aber da sich ja nie wieder jemand für Karl interessiert hat, frage ich mich, inwiefern das überhaupt nachverfolgt würde? Sollte ich dann vielleicht doch privat inserieren? Das Vet.-Amt wäre ja so oder so involviert und da ich nicht vorhabe, ihn von heute auf morgen "loswerden" zu wollen, könnte ich nach dem perfekten Zuhause für ihn suchen.
Ich fände es toll, eure Gedanken dazu zu hören.
Und ja, ich war naiv und habe vor allem auch sehr viele Dinge falsch gemacht, das weiß ich und ich mache mir selbst große Vorwürfe. Die Entscheidung fiel mir alles andere als leicht und hat mich schwer in meinem Selbstverständnis erschüttert, denn ich wollte nie eine sein, die einen Hund aufnimmt und dann "aufgibt". Aber es sind einfach zu viele Baustellen, die ich nicht mehr kompensiert bekomme und ich versuche grade eine verantwortungsvolle Lösung zu finden.
Viele Grüße,
Lucia und Karl