Welpenblues vergeht mit der Zeit von allein. Das findet mehr im Kopf statt und wenn man das weiß und die Erfahrungen anderer hört, denen es anfangs genauso ging, ist schon viel geholfen.
Was nicht so einfach vergeht, ist das Angstproblem deines Hundes. Da sehe ich eine Diskrepanz zwischen deinen Ansprüchen, die sich einfach aus deinen Lebensumständen ergeben und dem Hund, den du in dieses Leben hineingeholt hast. Allein die Tatsache, daß du von der Ängstlichkeit des Welpen überrascht bist, zeigt, daß du darauf nicht wirklich vorbereitet bist. Denn diese Ängstlichkeit ist genau das, womit man bei einem Welpen rechnen muß, der im Shelter aufgewachsen ist.
Ich vermute - korrigiere mich, wenn es anders ist - daß du dir gedacht hast, wenn du einen Hund aus dem Auslandstierschutz nimmst, dann besser einen Welpen, denn da kann man noch viel formen.
Das trifft zweifellos bei einem gut sozialisierten Welpen vom Züchter zu, der vielfältige Erfahrungen machen durfte und daher Anpassungsfähigkeit mitbringt. Er hat sozusagen das Lernen gelernt, die Synapsen im Hirn konnten sich ausformen.
Bei einem reizarm aufgewachsenen Welpen mit mangelhafter Sozialisation ist das nur eingeschränkt der Fall. Das nennt man Deprivation. An sich brauchen solche Hunde ein Umfeld, in dem sie sich ganz in ihrem Tempo - alsao sehr langsam - an neue Reize gewöhnen können, ohne das irgend etwas funktionieren "muß". Da reden wir nicht von einigen Tagen oder Wochen Eingewöhnung wie bei einem gut aufgezogenen Welpen, sondern von Monaten und Jahren, und einiges geht vielleicht nie. Man muß sich an den Hund anpassen und kann nicht verlangen, daß der Hund sich so wie üblich an den Menschen anpasst.
Ich will dir mit all dem keine Angst machen, nur dringend bitten, daß du dich über Deprivation und alles was damit zusammenhängt, informierst und deine Erwartungen an den Hund stark zurückschraubst. Und ihm vor allem neben Zuneigung viel, viel Zeit zur Eingewöhnung einräumst.
Dagmar & Cara
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Danke für diesen Beitrag und natürlich auch für alle anderen.
Nachdem ich mich in die Thematik eingelesen habe, rollen die Tränen wieder.
Ursprünglich war ein Welpe vom Züchter geplant, dann kam aber der Gedanke auf (auch angeregt durch meine Familie/Freunde) doch einen Welpen aus dem Tierschutz zu nehmen. Der klassische Gedanke eben „man gibt einem armen Hund ein Zuhause“.
Ich hab mit zwei Leuten gesprochen, die Tierschutzwelpen haben und keiner hatte diese Problematik in so einem Ausmaß. Schüchtern und etwas ängstlich, ja, aber über Sams Charakter/ Verhalten waren beide geschockt.
Das soll nicht so klingen, als wäre er das Problem oder gar Schuld daran, er hat diese reizarme Aufzucht scheinbar einfach nur extrem schlecht verkraftet.
So gerne ich ihn behalten würde und ich mir der Arbeit, die damit verbunden ist, bin ich mir im Klaren, weiß ich einfach nicht ob es ihm gegenüber fair ist.
Bis zum ersten Park müssen wir 15 Minuten an stark befahrenen und belebten Straßen lang und auch dort ist jede Menge los. Der normale Großstadttrubel eben. Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob er sich daran gewöhnen wird. Mir ist es so natürlich auch nicht möglich ihn Schritt für Schritt daran zu führen, sobald wir die Haustür verlassen stehen wir mittendrin. Für ihn ist es die absolute Hölle draußen zu sein. Sobald wir reinkommen hat er Schluckauf, ich schätze weil er so starken Stress hat. Inzwischen kommt Durchfall hinzu und trotz ausreichend Futter wird er leichter.
Für mich ist die ganze Situation auch denkbar schwierig. Ich habe eine 2 Zimmerwohnung mit offener Küche und Wohn-/Essbereich. Inzwischen stinkt es hier, dass man es kaum aushalten kann. Sobald ich das einzige, bodentiefe Fenster in dem Raum öffne, geht bei ihm der Stress los, weil er die Geräusche hört (es ist wirklich extrem laut hier, aus dem Grund suche ich seit Monaten eine neue Wohnung, aber leichter getan als gesagt).
Weitere Gedanken die da eine Rolle spielen: Wird er alleine bleiben können? Ich bin alleine und seine einzige Bezugsperson, ich hab Angst, dass er sich so stark an mir orientiert, dass das zum Problem werden könnte. Ab Mai muss ich wieder arbeiten, zwar nur 12 Stunden pro Woche, aber ich sehe aktuell nicht, dass er das packen wird. Eigentlich war geplant, dass meine Mutter ihn dann jeweils nimmt, aber mit so einem Hund natürlich schwierig, für ihn auch nur Stress.
Ich weiß nicht, ob ich die Welt gerade schwarz sehe, aber ich stehe wirklich kurz davor den Kleinen abzugeben. Mir bricht der Gedanke das Herz, aber ich bin mir sicher, dass er in einer sehr viel reizärmeren Gegend (Feld, Wald, Wiese und einfach ländlich) sehr viel glücklicher wäre als hier, vielleicht sogar mit einem Zweithund, der ihm Sicherheit geben kann. Ich möchte einfach nicht, dass Sam bei mir leidet und unglücklich ist. Wenn ich mit raus muss, bricht es mir das Herz.
Ich frage mich wie lange ich ihm geben soll, bevor ich die Entscheidung endgültig treffe. Für ihn ja auch eine Katastrophe, wenn er sich zwar an mich gewöhnt und das tut er ja, er ist der kuscheligste Hund der Welt.