Egal, um welche Diagnose es geht, sie kann immer "Segen und Fluch" zugleich sein. Auf der einen Seite hat man dann endlich die Bestätigung, dass das eigene Kind in irgendeiner Hinsicht besonders ist. Auf der anderen Seite entsteht so schnell eine Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften/Fähigkeiten, sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.
Mögliche Diagnosen sind heute einfach sehr präsent. Man liest von Hochbegabung, ASS, ADHS, Hochsensibilität und findet bestimmt Aspekte, die auf das eigene Kind zutreffen, ohne dass die Diagnose insgesamt passen muss.
Eltern sind auf jeden Fall diejenigen, die ihr Kind am besten kennen und einschätzen können. Trotzdem fehlen der Vergleich und die Objektivität. Man lernt ja nicht sooo viele Kinder näher kennen und wenn, dann meist die aus dem Freundeskreis mit ähnlichen Hintergründen.
Ich habe mal an einer Lernförderschule gearbeitet. Dort sind tatsächlich überwiegend Kinder aus sozial schwachen Familien. Bei allen Elterngesprächen haben die Eltern gemeint, dass ihre Kinder bis zum Schuleintritt völlig normal entwickelt waren und die Lernprobleme erst im Schulalter aufgetreten sind. Das kann, von außen betrachtet, so nicht stimmen.
Daher würde ich mir immer auch die Einschätzungen mehrerer Fachleute abwarten bzw. einen Verdacht auf eine mögliche Besonderheit dort ansprechen.
Als Lehrerin sehe ich, dass einfach in jeder Klasse Kinder mit Besonderheiten sind. Es ist gut, wenn man sich darauf einstellen und entsprechende Maßnahmen ergreifen kann, um dieses Kind dann zu fördern/fordern. Allerdings gibt es immer auch Kinder ohne "Stempel", die ähnliche Besonderheiten zeigen. Bei uns haben wir ein Spektrum an Bildungsgängen von Gymnasium bis geistige Entwicklung in einer Klasse und selbst mit zwei Lehrkräften wir können gar nicht immer allen gerecht werden.