Hallo
ich habe mir gerade den kompletten Thread durchgelesen und ihr habt da wirklich eine süße Maus, ich kann verstehen dass ihr euch in diesen Hund verguckt habt. 
Ich habe hier auch 2 Hunde aus dem osteuropäischen Raum sitzen, die beide kein Fan von fremden Menschen sind. Als sich das bei meiner Ersthündin so langsam angebahnt hat, war ich auch erstmal ziemlich fertig mit der Welt. Wir haben das soweit in den Griff bekommen, dass sie bei Besuch erstmal im Schlafzimmer ist (Kindergitter) und der Besuch in Ruhe ankommen kann. Dabei bekommt Luna eine Schleckmatte oder ähnliches, um sie beim Entspannen zu unterstützen. Wenn der Besuch sitzt, dann darf sie einmal dazu kommen und schauen, wer da ist und je nachdem auch für kurze Zeit dabei sein. Wenn es aber eher trubeliger Besuch ist, der viel rumläuft, dann kommt sie zurück in's Schlafzimmer. Unsere Wohnung ist nämlich eher etwas enger und wenn fremde Menschen da blöd auf sie zulaufen (muss ja nichtmal Absicht sein), dann kann es passieren, dass sie als Übersprungsverhalten in die Hacken zwickt.
Ich habe mich mittlerweile also damit abgefunden, dass sie Besuch einfach nicht dabei sein muss und es eigentlich für alle besser ist, wenn sie entspannt im Schlafzimmer schläft. (Das muss natürlich kleinschnittig aufgebaut werden, Schlafzimmer ist hier absoluter Ruheort und in dem Zimmer bleiben die Hund zB auch alleine, wenn ich mal weg muss).
Ach so, wirklich enge Freunde und Familie sind kein Problem mehr für Luna. Aber meine engsten Freundinnen und meine Familie haben sich auch viel Mühe gegeben und sind anfangs erstmal mit auf ein paar Spaziergänge gekommen, haben ihr Leckerchen zugeworfen etc. Diese Leute können auch zu Besuch kommen ohne dass Luna in's Schlafzimmer "muss". Die können sich auch mal aus Versehen blöd auf sie zubewegen ohne dass das ein Problem ist.
Bei Luna habe ich wirklich die Erfahrung gemacht, dass sie ein gutes Jahr gebraucht hat, bis sie wirklich wirklich angekommen war und auch bis wir uns gegenseitig so gut kannten, dass wir ein richtiges Team geworden sind. Ich kann Luna mittlerweile sehr gut lesen und merke, wenn eine Situation blöd für sie ist, aber auch Luna kann mich mittlerweile gut lesen und teilweise reicht eine Kopfbewegung und sie weiß, was ich meine.
Fina kommt aus Bulgarien und ist massiv unsicher, wenn es um Begegnungen geht. Auch sie wurde von einer recht erfahrenen Pflegestelle als "Traumhund" inseriert (der sie natürlich trotz ihrer Macken auch ist
) , der sogar fast an eine andere Interessentin als Therapiehund vermittelt worden wäre. Nach guten 3 Wochen bei mir fing sie auch plötzlich an auf fremde Menschen und Hunde zu reagieren, was die Pflegestelle auch erstmal nicht glauben konnte (trotzdem kamen keine Vorwürfe oder sowas).
Wir arbeiten seit Juli ca. am Begegnungstraining und sind mittlerweile so weit, dass wir problemlos an Mensch und Hund vorbeikommen, wenn es nicht gerade ein meeegaa schmaler Weg ist. Womit Fina allerdings nach wie vor ab und zu Probleme hat, ist wenn uns jemand direkt anspricht. Wobei sie da in der Heftigkeit ihrer Reaktion auch schon deutlich nachgelassen hat und sich schnell umorientieren lässt.
Dafür dass sie erst Dezember 2021 von der Straße gerettet wurde und erst seit 6 Monaten bei mir ist, sind das schon enorme Fortschritte.
Man bekommt das also alles in Bahnen gelenkt, die für einen irgendwie funktionieren, selbst wenn man sich darauf einstellen muss, dass das Leben mit diesem Hund anders ist, als man sich das vllt. vorher vorgestellt hat.
Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich keine Kinder habe und sehr flexibel bin. Für mich war es also kein großes Problem mich auf diese zwei "nicht ganz so gesellschaftskonformen"
Hunde einzustellen. Mit Kindern und Besuch von Kindern muss man halt immer ein Auge drauf haben. Auch in der Interaktionen zwischen den eigenen Kindern und dem Hund. Ich würde da auch wirklich den Weg gehen ein Ruhezimmer zu etablieren und ggf. auch Maulkorbtraining mit dem Hund zu machen.
Und ich lasse dir nochmal ein paar weiterführende Links da 
https://sprichhund.de - auf dieser Seite gibt es super viele Informationen zum Thema Körpersprache. Das würde ich euch echt an's Herz legen! In dem Shop gibt es auch ein Workbook zum Thema Hundebegegnungen, das kostet in der online Version glaube ich 3 Euro. Da lernt man echt ne Menge und kann sich neben dem Trainer*innentermin auch schon selber etwas weiterbilden.
Ansonsten finde ich diese Webinare noch sehr empfehlenswert (nicht als Ersatz für eine*n Trainer*in, sondern zusätzlich):
https://www.fiffiundstruppi.de…n-mit-tierschutzhund-dez/ - Webinar "Die ersten Wochen mit Tierschutzhund"
https://www.fiffiundstruppi.de…o-klappts-mit-dem-besuch/ - Webinar "So klappt's mit dem Besuch"
und hier kann man sich auch mal durchklicken: https://www.hey-fiffi.com/videos/
Ach so und was mir gerade noch einfällt: Bitte nicht den Hund aus dem Weg schieben, wenn dieser dabei "einfriert". Das einfrieren ist schon ein deutliches Signal dafür, dass der Hund sich massiv unwohl fühlt mit dieser Situation.
Hast du schon mal von den 4F's gehört? Wenn ein Hund sich in einer Konfliktsituation befindet, dann hat er 4 Möglichkeiten:
Fight - Konflikt nach vorne lösen über Aggressionsverhalten
Flight - Flüchten
Fiddle - Fiddlen sieht aus wie spielen, ist aber kein Spiel, sondern ein sehr albernes Verhalten vom Hund um dem gegenüber zu zeigen "guck mal wie süß ich bin, ich tue dir nichts". Da muss man ein gutes Auge für haben um es vom Spiel zu unterscheiden. Beim fuddeln fühlt sich der Hund nicht wohl.
Freeze - einfrieren, also erstarrt stehen bleiben
Flight, Fiddle und Freeze sind die netten Varianten um einen sich anbahnenden Konflikt zu lösen / zu vermeiden. Wenn eine Hund aber oft die Erfahrung macht, dass er mit dem netten Weg nicht weiterkommt und seine Warnsignale übergangen werden, dann bleibt irgendwann nur noch "Fight".
Ihr habt da einen Hund aus dem Tierschutz mit Vorgeschichte, den ihr noch nicht lange kennt. Den würde ich wirklich niemals aus dem Weg schieben, wenn er so deutlich einfriert.
Klar soll man Konflikte nicht dauerhaft vermeiden, aber ich würde es hier auch einfach nicht unnötig provozieren. Dieser Hund kennt das Zusammenleben mit Menschen einfach nicht. Ganz ehrlich, wenn er euch im Weg steht, dann werft einfach ein Leckerchen in die Richtung, in die der Hund gehen soll.
Oder wenn ihr irgendwann anfangt Signale mit dem Hund aufzubauen, dann übt als erstes ein "Hand-Touch", also dass er eure Hand mit der Nase berührt. Den kann man so vielfältig einsetzen und auch in solchen Situationen, wenn man den Hund aus dem Weg haben möchte. (auch als Umorientierung in Hunde- bzw. Menschenbegegnungen).
Viel Erfolg euch, wie auch immer ihr euch entscheidet! 