Danke für die Erstellung des Threads! 
Aber die breite Masse der HH erlebe ich tatsächlich wenig Bedürfnisorintiert. Da wird eher das Bedürfnis des Menschen zwanghaft versucht über den Hund zu stülpen, was dann oft auch in die Hose geht:
Ja, das erlebe ich ganz genauso und das war auch das, worum es mir im Hauptkern ging.
Als Beispiel auch noch zwei Trainingsansätze von Trainerinnen, die ich als eher nicht bedürfnisorientiert wahrgenommen habe:
Luna hat ein Problem mit Besuch, das nach Einschätzung einer der o.g. Trainerin und einer weiteren (positiv arbeitenden) Trainerin eher auf Unsicherheit als auf Territorialverhalten beruht.
Ansatz der aller ersten Trainerin war Leine an den Hund, Hund neben sich holen, Fuß auf die Leine und der Hund muss aushalten. Irgendwann wird er sich beruhigen. Hab ich 2x ausprobiert, Luna hat sich nicht beruhigt und auch mein Bauchgefühl hat sich dabei nicht gut angefühlt (Rückblickende Einschätzung nach meinem Wissensstand jetzt: Diese Methode kann dazu führen, dass der Hund sich beruhigt und die Situation irgendwie erträgt. Aber eher aus dem Grund, dass der Hund in dem Moment keine andere Wahl hat und nicht weg kann und das natürlich auch irgendwann realisiert. Der Hund ist äußerlich also ruhig, innerlich wird sich die Emotion in Bezug auf die Situation aber sehr wahrscheinlich nicht verändert haben. Eher im Gegenteil: Wenn Luna Besuch blöd findet, weil der ihr zu Nahe kommt und ich sage "sie muss da jetzt halt durch" führt das mEn dazu, dass Luna Besuch am Ende noch blöder findet, nur keinen Sinn mehr sieht das auch zu kommunizieren. Deshalb nehme ich das Bedürfnis, dass sie Abstand braucht und ihr das gerade alles zu viel ist - was sie mir über bellen und/oder knurren mitteilt - wahr und ernst und lasse sie nicht in der Situation, sondern zeige ihr ein Alternativverhalten, indem ich sie aus der Situation rausführe und ihr beibringe, dass die Decke ein sicherer Ort ist, an dem sie niemand anfasst o.Ä.)
Die zweite Trainerin, die sich selbst als bedürfnisorientiert beschrieben hat (es aber mMn nicht war), hatte den Ansatz Luna einfach körpersprachlich zu blocken. Also konkret: Luna frei (ggf. mit Maulkorb) laufen lassen, wenn Besuch da ist und jedes mal, wenn sie nach vorne gehen will, in den Hund reindrehen und blocken, um ihr somit "Grenzen aufzuzeigen". Darüber hinaus sollte ich auch "einfach weil ich es kann" mal im Alltag für ein paar Minuten die Küche o.Ä. zu blockieren, um Luna zu zeigen, dass ich den Raum verwalte und nicht sie. Tja, jetzt habe ich hier aber eine sehr sensible Hündin sitzen, die auf das Blocken direkt mit Beschwichtigungssignalen und Meideverhalten reagiert hat (ich habe sie nicht lange geblockt, war ruhig und souverän dabei, wie Trainerin es gezeigt hatte und habe den Druck immer sehr schnell wieder rausgenommen. War trotzdem zu viel für Luna). Auch das hat sich für mich nicht richtig angefühlt, weil ich nicht gegen meinen Hund arbeiten möchte, sondern mit ihm zusammen. Bei dieser Methode, hat sich das "Training" mMn viel zu sehr auf das "Fehlverhalten" von Luna fokussiert und nicht auf das, was sie gut macht. Auch diese Methode finde ich nicht bedürfnisorientiert, weil Luna ja gerade aus Unsicherheit agiert und ich sie nach diesem Ansatz ja mehr oder weniger ins kalte Wasser werfe, nach dem Motto "mach du mal, was du denkst und wenn ich das nicht gut finde, bestrafe ich dich durch Blocken."
Auch hier wird ihr eigentliches Bedürfnis nach Abstand zu fremden Menschen nicht wirklich berücksichtigt und anstatt dass ich ihr eine Anleitung gebe, was sie machen soll, wenn Besuch kommt (z.b: positiv aufgebautes Decken und Bleib Kommando + Futterbeschäftigung zur Beruhigung), überlasse ich sie mehr oder weniger sich selbst. Und das ist dann meiner Meinung nach auch das Gegenteil von "Grenzen aufzeigen", weil Luna nach der Methode ja selber ausprobieren muss wo die meine Grenzen sind und dadurch werde ich sie für sie weniger berechenbar. Mit positiv aufgebautem Deckenkommando hingegen, sage ich ihr genau was ich von ihr möchte und erwarte und sie weiß, woran sie ist.
Und ansonsten bedeutet bedürfnisorientiert für mich auch, immer im Hinterkopf zu haben, dass Luna ein Hund ist und dementsprechend Bedürfnisse vorhanden sind. Ich erwarte nicht, dass sie bei Spaziergängen bei Fuß läuft, sondern sie darf schnüffeln und ich warte so lange auf sie, weil Hunde die Welt nunmal hauptsächlich mit der Nase wahrnehmen. Wenn sie das nicht darf, wozu gehe ich dann sonst mit ihr spazieren? Ich gebe ihr Möglichkeiten, sich auch mal dreckig zu machen, buddeln zu können, flitzen zu können etc. Und ich gebe ihr Entscheidungsfreiheiten, damit sie Selbstwirksamkeit erleben kann.
Mein Hauptgedanken dahinter ist, dass Luna sich dieses Leben nicht ausgesucht hat und sehr abhängig von mir und meinen Entscheidungen ist. Dabei sehe ich es als meine Aufgabe, ihre Hobbys und Bedürfnisse weitestgehend zu erfüllen, sodass es ihr im Umkehrschluss leichter fällt, sich an das menschliche Zusammenleben anzupassen. Vieles davon ist für einige DF-User*innen selbstverständlich, aber im Umkreis erlebe ich das leider häufig nicht.
Auch Medical Training inklusive Kooperationssignalen gehören für mich zum bedürfnisorientierten Training dazu. Mein Hund darf über seinen Körper (außer in medizinischen Notfällen) selber entscheiden. Für mich gibt es kein "der muss da jetzt halt einfach durch", weil ich finde dabei macht es sich der Mensch ziemlich einfach. Klar, kann ich meinen kleinen Hund einfach auf den Arm nehmen, in die Dusche setzen, Tür zu machen und abduschen, obwohl ich weiß, er fühlt sich damit absolut unwohl, mache ich aber nicht, weil ich das nicht fair finde. Der Hund ist mir zu 100% ausgeliefert und gerade deshalb stehe ich in der Verantwortung fair mit diesem Lebewesen umzugehen.
Klar ist es utopisch, dass ein Training ausschließlich über positive Verstärkung läuft, allein weil man ja keinen Einfluss auf die Umwelt und andere Menschen hat, aber mein Anspruch ist es möglichst positiv zu arbeiten und dabei fair zu bleiben und Luna's Bedürfnisse zu berücksichtigen. Die Trainerinnen, die ich mir zum Vorbild nehme, sehen das auch ähnlich differenziert.
Was mich persönlich immer etwas aufregt sind so abwertende Kommentare nach dem Motto "mit Klickern und Keks kommt man nicht weit", weil das viel zu oberflächlich ist. Natürlich ist positiv verstärktes Training nicht einfach nur mit Keksen um sich zu werfen. Das wäre ja auch viel zu einfach. Ebenso gibt es auch im positiven Hundetraining Grenzen, die werden nur nicht aversiv aufgebaut.
Wie ist die 'Grundlage' die Bedürfnisorientierte Erziehung bei Kindern im Vergleich zu Hunden anwendbar?
Meiner Meinung nach in dem Sinne, dass man sich Hinsetzt, sich Zeit nimmt und Kindern Dinge erklärt. Was bei mir als Kind/ Teenager immer direkt eine bockige Reaktion hervorgerufen hat, waren Aussagen meiner Eltern wie "Das ist jetzt so, weil wir das sagen.", "Du machst das jetzt, weil wir das wollen.", "Das kannst du noch nicht verstehen, glaub und einfach."
Solche Aussagen waren nie zielführend. Hingegen war ich (und so erlebe ich die meisten Kinder) recht einsichtsfähig, wenn man sich hingesetzt hat um Dinge zu erklären und Fragen seitens der Kinder beantwortet wurden.
Das kann man, finde ich, gleichsetzen mit "dem Hund eine Anleitung geben" - Beispiel Straße überqueren:
Meinem Kind erkläre ich, warum das gefährlich ist und dass man erst gucken muss und den schnellsten Weg über die Straße nimmt und was sonst passieren kann. Meinem Hund bringe ich ein zuverlässiges "Warte" Kommando bei.
Beide haben dann im Prinzip eine Anleitung bekommen und wissen, was sie tun sollen.
Was ich im besten Fall am Ende habe sind ein Kind / ein Hund, das / der sich traut mit seinen "Problemen" zu mir zu kommen und mit mir zu kommunizieren, weil beide wissen, dass sie gehört und ernst genommen werden und ich eine "Anleitung" haben, was in Situation XY getan werden soll. 