Beiträge von Digirunning

    Dieser Hintergrund klingt sehr danach, dass dein Hund mit den ganzen Eindrücken in der Großstadt schlicht überfordert ist und es daher nicht leisten KANN, sich auf dich zu konzentrieren.

    Das würde implementieren, dass der Hund in einer ländlichen Umgebung (die er kennt bzw. durch sein bisheriges Leben gewöhnt ist) anders reagiert. Frage an scaarZ : hast Du das schon einmal ausprobiert? Wenn ja, wäre das der bessere Ausgangsort, um die Leinenführigkeit zu trainieren. Wenn er es dort dann kann, dann wäre die nächste Stufe die Stadt.

    Ich unterscheide da im Groben 2 Situationen.


    Wenn ich mit meinem Hund z. B. im Wald unterwegs bin und wir schlendern da gemütlich daher, dann kommt es immer wieder vor, dass ich dies und das und jenes kommentiere. Menschen kommunizieren halt hauptsächlich verbal, Körpersprache und Mimik findet zwar auch statt, ist aber nicht der Hauptkanal.

    Auch zu Hause kommt es immer wieder vor, dass ich mit meinem Hund rede. Ich erzähle ihm aber jetzt nicht meinen kompletten Arbeitstag, sondern es sind zwischendurch immer mal wieder Kommentare. Z. B.: Hund setzt sich aus dem entspannten Liegen kurz auf, um sich zu kratzen. Kommentar: "Oh je, juckt's Dich?!" Sowas halt.


    Was anderes ist's, wenn wichtige Situationen stattfinden. Reh-Sichtung, anderer Hund kommt (zu dem er nicht hin soll), Straßenverkehr, etc etc. Dann halte ich die Klappe, bis auf eventuelle verbale Kommandos, die aber immer mit Körpersprache und evtl. Sichtzeichen kommuniziert werden (je nach Situation auch letztere ausschließlich, ohne Wortkommando), da ich gelernt habe, dass Hunden die menschliche Körpersprache sehr wichtig ist. In solchen Situationen den Hund vollbrabbeln, halte ich für verkehrt. Beispiel: wir sehen ein Reh und ich würde anfangen zu rufen: "Nein, Du sollst das Reh doch nicht jagen. Lass das Reh in Ruhe. Komm zurück. Hier! Bei Fuß! Kommst Du wohl zurück?! etc etc." Was käme davon beim Hund an? Der würde doch nur: "Wuff wuff wuff!", von hinten hören, also einen aufgeregten Menschen, der genauso aufgeregt rum-"bellt".


    Ich habe am Wochenende noch einen kleinen Westie gesehen, der von Oma und kleiner Enkeltochter (so 5-6 Jahre alt) spazieren geführt wurde. Wir hatten vielleicht 1 min Kontakt und in dieser kurzen Zeit, hat zum einen IMMER eine von beiden auf den Hund eingequatscht und den Namen des Hundes habe ich in diesen 60 sec wahrscheinlich 50x gehört. Und der Name variierte dann auch noch: "Flo", "Flöchen", "Flölein", ".Flori". :zany_face: :wallbash:

    Das hatte ich dann zum Anlass genommen, um die anschließende Viertelstunde kein einziges Wort mehr mit meinem zu reden, ihn nur noch anzulächeln, wenn er Blickkontakt zu mir aufnahm und ihm Entscheidungen (z. B. an einer Kreuzung, wo es weiter geht) durch Körpersprache/Sichtkommanods mitzuteilen.

    Wieso einen Hund aufgeben, nur weil's mal ein bisschen schwieriger wird? Die Einstellung finde ich traurig. Steht im starken Kontrast zu meinem Beitrag zuvor.


    Obendrein scheint das Eis doch gerade zu brechen.

    Ich habe als Zivi vor bald 40 Jahren (Gott, bin ich alt) in einer Einrichtung mit geistig Behinderten gearbeitet. Eine Erzieherin erklärte mir damals, dass es zu Situationen kommen kann, dass die Patienten sich sehr auffällig und negativ verhalten können, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Die Form der Aufmerksamkeit steht dabei nicht im Vordergrund, Hauptsache Aufmerksamkeit. Bei Deinen Schilderungen kann man diese Phantasie auch bei Elisa bekommen.


    Ich lese z. B. hier im Forum (und teilweise mit untermauernden Links) immer mal wieder, dass die Hunde sich nicht dafür entschieden haben, bei uns leben zu wollen. Deshalb sind wir für sie verantwortlich und zwar in allen Belangen. Eben auch, um ihnen in solchen Situationen Hilfe und Unterstützung anzubieten. Man könnte das gezeigte Verhalten ja auch als Hilferuf interpretieren.

    Ein Hund der auf körperliche Korrektur mit Reaktion nach vorne reagiert, würde ich auf keinen Fall körperlich gegenüber werden. Wenn die Tendenz nach vorne da ist, dann ist der Schritt zum reinbeißen nicht mehr so endlos groß.

    Da hast Du mich falsch verstanden. Das habe ich mit "er hängt sich nur noch mehr rein" nicht gemeint. Ich meinte damit, dass ein Hund nur umso stärker zieht, wenn man ihn von hinten zurückziehen will. Kommt der Druck von vorne oder der Seite, reagiert ein Hund anders. Vielleicht ist das bei Hunden deshalb so, weil sich Hunde untereinander ja auch nicht wegziehen können, die korrigieren sich untereinander auch immer von der Seite oder von vorne.


    Und dass der Hund der TO nach vorne geht im Sinne von zubeißen, sehe ich jetzt nicht aus den bisherigen Schilderungen gegeben. Die Situation mit dem Bellen und Zähne zeigen hatten wir hier ja schon anders interpretiert/besprochen.


    Aber ansonsten hast Du natürlich recht. Einem Hund, der zum Zubeißen neigt, sollte man sich wohlüberlegt nähern, wenn überhaupt.

    Dass Elisa versucht hat, bei mir aufzureiten hat mich sehr verunsichert, weil ich als Kind mal von unserem sehr dominanten Mittelschanuzer so angegangen wurde. Der knurrte dann auch meine Schwester an, die versuchte, ihn wegzuschieben.

    Ist bei kleinen Hunden schwieriger, bei großen Hund stellt nur das hohe Gewicht ein Problem dar, aber - den Hund aus dem Gleichgewicht bringen. Klappt meistens, wenn man in die Richtung des Hundes geht. Da hilft ein bisschen das Hebelgesetz und er droht, hinten rüber zu kippen und dann muss er sich erst mal ausbalancieren und lässt kurz vom Rammeln ab. Klappt nicht immer, aber wenn's klappt ist das dann genau der richtige Zeitpunkt für eine Korrektur. Je nach Intensität merken die nämlich beim Rammeln nix mehr.

    Ich bin dazu übergegangen, einen Hund, wenn es nur irgend geht, von nichts mehr wegzuziehen, denn dann hängt er sich nur noch umso mehr rein, sondern ihn durch solche Aktionen wie oben beschrieben von seinem Vorhaben abzuhalten. Wenn Elisa also mal wieder bei Thea aufreitet, würde ich versuchen, sie seitlich zu manipulieren und durch schieben (nicht ziehen) aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Hand zwischen Rücken und Bauch schieben und seitlich runterhebeln. Irgendwie so.

    Die schwierigste Übung ist wahrscheinlich, ruhig UND bestimmt zu sein. Ich kenne das von mir und meiner Anfangszeit. Der Hund zeigt ein unerwünschtes Verhalten, man setzt eine Korrektur und wenn diese nicht klappt/nicht akzeptiert wird, dann kommen Emotionen bei einem hoch. Ich bin anfänglich auch ungeduldig, angespannt, hektisch, ärgerlich geworden. War alles kontraproduktiv.

    Wenn die Korrektur nicht direkt klappt - ruhig bleiben und wiederholen. Wir Menschen verlieren viel zu häufig die Geduld und so gewinnt der Hund.

    Ab und an muss natürlich auch mal ein "klares" Wort gesprochen werden. Dabei darf man dem Hund dann auch ruhig seine angenervte Stimmungslage zeigen. Es ist dann aber wichtig (aber auch schwierig), dann schnell wieder runterzukommen. Bleibst Du in der Anspannung, fällt es auch dem Hund schwer, die Anspannung loszulassen. Häufig wird dann der Hund z. B. noch mit Blicken verfolgt, um zu kontrollieren, ob er's denn jetzt auch verstanden hat und hält über den Blick die Anspannung beim Hund hoch. Wenn's mal sein muss: kurz und deutlich anschnautzen, Reaktion des Hundes kurz beobachten und dann die Spannung lösen und wegschauen, damit der Hund die Chance hat, aus der Anspannung zu kommen und das gewünschte Verhalten zu zeigen. Es ist dabei hilfreich (und wichtig) auf seine eigene Atmung zu achten. Häufig stockt einem der Atem. All diese kleinen Zeichen bemerkt der Hund - die können uns viel besser lesen, als wir denken.

    "Meine" Hundetrainerin ist da richtig klasse. Ich habe ihren Kursus "Hundesprache verstehen" bereits 2x besucht. Die dauerten so 4 - 5 Stunden. Bei beiden erwähnte sie zum Schluss, dass sie auf einiges gar nicht habe eingehen können, verwies auf ihr ausgeteiltes Handout. Vor kurzem sah ich, dass dieser Kurs bei ihr inzwischen auf 7 Stunden angewachsen ist.


    Bei ihr habe ich z. B. gelernt, dass das, was nach Spielen aussieht, sehr häufig kein Spielen, sondern Deeskalation/Spannungsabbau ist. Das war der Moment, wo ich daran dachte, wie häufig ich meinen Kleinen beim "Spielen" beobachtet hatte, dabei war er pfotenringend mit etwas anderem beschäftigt und ich habe ihn sich selbst überlassen bzw. im Stich gelassen.


    Das Thema trödeln wurde hier gerade in einem Beispiel angeschnitten. Viele wissen gar nicht, dass dies ebenfalls beschwichtigenden/deeskalierenden Charakter hat. Herrchen/Frauchen wird sauer, weil auf den Rückruf (vorbei am fremden Hund) nicht oder eben nur sehr zögerlich reagiert wird, dabei hat der Hund nicht die Verweigerung des Befehls im Kopf, sondern die höfliche Art der Passage am fremden vorbei. Schnüffeln, trödeln, Bogen laufen, schlecken, wegschauen - alles wichtige Signale gerade beim Erstkontakt. Und wie lustig es manche Hundehalter finden, wir ihr Fiffi mit voller Geschwindigkeit in den fremden Hund reindonnert (selbst wenn wenige Zentimeter vorher gestoppt wird). Da ist "darüber Lachen" die komplett falsche Reaktion.