Jaaaahaaa, dann reih ich mich wohl mal ein in diese Art von Themen und hoffe, dass mein Denkfehler von außen leichter zu spotten ist als von innen, denn mein Hirn ist einfach nur noch frittiert. Das wird eine Menge Text, denn es muss einfach mal raus :/.
Letztes Jahr ist mein erster eigener Hund bei mir eingezogen (Elo, geboren 09/21) und seitdem kann ich mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen - und wünsche mir gleichzeitig nichts mehr als das.
Die Kleine war damals neun Wochen alt und der Welpenblues traf hart: nachts wollte sie nicht schlafen, drinnen kannte sie nur zoom zoom ZOOM!, draußen kannte sie nur zoom zoom ZOOM! und generell gab' es nur eine Geschwindigkeit - und die war „schneller“. „Welpen schlafen ca. 15-18h am Tag." und andere lustige Geschichten... nein. Die „typischen“ Welpenproblemchen fand ich gar nicht so schlimm, denn am Training hab' ich tatsächlich Spaß und bis zur Stubenreinheit haben wir halt Puppypads.
Das erste Problem zeigte sich recht schnell: ich wohne im Hinterhaus in der Großstadt und habe keinen Garten – das war mir vorher bewusst (duh), aber alleine bis zum nächsten Grünstreifen fürs Pullern müssen wir schon laufen – also waren wir bereits von Beginn an sehr, sehr, seeeeeehr viel draußen, denn „vor die Tür und pieseln“ geht hier einfach nicht. Straße rauf, Straße runter und wenn sie dann immer noch furzt wie ein Flammenwerfer, noch mal ein Stück weiter. Aber gut, der Hund wächst und die Blase auch und es sind ja auch nette Übungseinheiten, also: durchhalten.
Die ersten Tage waren natürlich absolutes Chaos, aber irgendwann kam dann eine Routine rein: Wir stehen normalerweise zwischen 6:30-7:00 auf, dann einmal Straße rauf, Straße runter (ca. 10-20 Min.) runter, Frühstück, nochmal Straße rauf, Straße runter und dann im 2h-Takt (und dazwischen, wenn sie anzeigt) wieder runter, jeweils so 10-30 Min. (Straße rauf, Straße runter... you get it. Nicht zu weit, aber auch nicht immer den selben Trott). Anfangs unter der Woche dann alle 2-3 Tage Hundeplatz und am Wochenende Waldspaziergänge, damit sie sich auch mal ohne Geschirr bewegen kann, plus einmal die Woche Hundeschule. Eingeschlafen ist sie früher dann so ggn. 20 Uhr, Nickerchen gab' es kaum.
Außerhalb der Pipirunden drehte sie auch in der Wohnung komplett auf. Hat sie ihre Spielzeuge, dann spielt sie damit durchgehend auf Vollgas - dann muss sie pieseln. Wir kommen wieder rein, sie bekommt einen akuten Fall der Zoomies, danach muss sie pinkeln, oder OH DIE KATZEN, oder sie fängt an zu bellen, oder wieder Zoomies, pinkeln, Zoomies, Schleckmatte, pinkeln?, KATZEN!... es gibt einfach keine Auszeit. Ignoriere ich sie und lege ihre Spielzeuge weg (in der Hoffnung, dass sie runter kommt), beginnt sie einfach damit Sachen zu zerstören, bellt oder schaukelt sich so weit hoch, dass sie wieder pinkeln muss. Ich hatte kurzzeitig sogar auf die Stubenreinheit geschissen, da ich befürchtet hatte dass sie das ausnutzt um raus zu kommen, aber es hat sich nichts verändert. Ich bin 24/7 im Dauereinsatz und tagsüber gibt es selten mal 30 Minuten, in denen einfach mal Ruhe ist. Nickerchen gibt es wenn dann überhaupt mal 1h. Schmusen gibt’s nicht. Nur Vollgas.
Ich hab' alles versucht: weniger Bewegung (aus Angst sie zu überfordern), mehr Bewegung (um sie auszulasten), Kopfarbeit (aus Angst ihr Energielevel durch zu viel körperliche Aktivität NOCH MEHR zu pushen), ignorieren, scharfe Ansagen, Boxtraining, alles schnüffeln lassen bei Spaziergängen, NICHTS schnüffeln lassen bei Spaziergängen. Schneller gehen, langsamer gehen, gar nicht gehen.. nichts hat groß etwas verändert – wenn überhaupt, hat sie danach mal eine Stunde Nickerchen gemacht und dann ging alles von vorne los. Sie kommt einfach nicht runter. Mein Hund kennt nur „schlafen“ oder „Vollgas“ und wenn sie nicht beschäftigt wird, verschwindet „Vollgas“ nicht, sondern zerstört alles in der Wohnung.
Da ich einfach nicht mehr kann, habe ich testweise mal alles an Programm auf den Hund geschmissen, dass selbst erwachsene Hunde schafft: alle zwei Tage ganztags Hundebetreuung und die Tage dazwischen abends für 1-2h auf den Hundeplatz. Das hatte auch geklappt und es war ruhiger, aber vor einem Monat hatte sie dann Giardien bekommen und muss jetzt erstmal aussetzen. Als Hutaersatz war ich jeden Abend entweder mit ihr im Wald oder auf dem Hundeplatz – auch jeweils für 1,5-2h + Fahrtzeit von je 30Min.. Das alles zusätzlich zu den 10-30 Minuten (spätestens) alle 2h. Auch damit wurde es ruhiger, aber für mich war das ein irres Programm und ich kann das nicht täglich leisten. Dann begann Sprühschiss Runde 2 und der Hupla fällt weg (denn das häuft sich jetzt doch zu sehr). Inzwischen haben wir immerhin einen fancy Nasssauger, denn explosiven Dünnschiss aus dem Teppich zu kratzen verliert irgendwann seinen Charme.
Gerade sind wir also bei spätestens alle 2h raus und zwei große Spaziergänge (1-2h) am Tag – und es reicht ihr nicht. In der Wohnung zerkaut sie dennoch alles, jagt die Katzen, bellt, rennt hin und her. Es gibt.keine.Pause. Schlafen, raus oder Zerstörung. rinse and repeat. Intelligenzspielzeuge sind innerhalb von 5 Min. durch, Suchspiele ziehen ihre Energie nicht runter, Schleckmatten werden zerbissen... ruhige Beschäftigung gibt es nicht. No rest for the wicked.
Ich fühle mich wie ein naiver Versager. Ich wollte schon so lange einen Hund, liebe es mit den Hunden von Bekannten zu trainieren, war nicht nur bei jedem Wochenendausflug mit Hund dabei, sondern hab' sie sogar organisiert. Ich wollte einen Hund genau wegen der Spaziergänge und Ausflüge und wegen des Trainings – und das sind auch die einzigen Sachen, in denen diese ganze Situation nicht der Horror ist.
Meine Traumhunde waren immer Border Collies, aber ich war mir bewusst, dass ich das absolut nicht leisten kann. Da ich zur Rettungsstaffel wollte, durfte es aber auch keine komplette Sofakartoffeln sein und so wurde es ein Elo – ein Anfängerhund, bei allem Spaß dabei, aber eben auch zufrieden, wenn es mal nur das Basisprogramm gibt... so zumindest auf dem Papier und bei den (meisten) Wurfgeschwistern.
Die ganze Aktion war kein Schnellschuss, sondern wirklich über Jahre gewünscht. Ich wollte nie einen Hund vom Züchter, nie einen Welpen, da ich immer Fraktion „adopt, don't shop“ war, musste aber einsehen, dass ein Hund aus dem Tierschutz als Ersthund mit dem Ziel Rettungsstaffel einfach zu ambitioniert (für mich) wäre.
Inzwischen ist auch die Rettungsstaffel gestrichen, denn ich kann einfach nicht mehr. Dieser Hund ist ein Vollzeitjob und egal was ich mache, es ist nie genug. Ich kenne high energy Hunde, kenne Jagdhunde, die draußen einfach nur Terrorfelle aus unfokussierter Energie sind, aber selbst die können drinnen abschalten und kommen mit ausgedehnten Spaziergängen wunderbar klar. Mein Hund nicht.
Sie war ein Kaiserschnitt und die ersten Tage ein Flaschenwuff und obwohl ich echt Bedenken hatte, fiel das absolut nicht auf. Sie war schon immer das Energiebündel des Wurfs und während ihre Geschwister nach dem Spielen Nickerchen gehalten hatten, ging es bei ihr einfach weiter. Sie wurde mir vom Züchter empfohlen (wir waren von Anfang an dabei) und ich dachte, das ein high energy Elo halt immer noch weniger ist als ein Jagd- oder Hütehunde... UND SELBST DIE KOMMEN RUNTER! War ich zu naiv?
Ich bin gerne aktiv, gerne draußen unterwegs und sobald wir im Wald/Training/Hupla sind, ist die Welt auch in Ordnung, aber ich habe mich bewusst für einen Elo entschieden, da mir klar war, dass ich so ein Programm eben nicht jeden Tag leisten kann. Ich brauche Pausen – auch mal einen Abend zocken, Youtube bis das Hirn aus der Nase rauskommt oder mal einen Tag nur das Basisprogramm ohne dass der Hund die Bude zerlegt. Freilauf bedeutet hier halt jedes Mal 30Min. einfache Strecke mit dem Auto (+natürlich der Auslauf)... ich kann das nicht jeden Tag. Gassigehen ist absolut nicht das Problem, auch gerne längere Runden, aber es ist als würde ihr das überhaupt nichts an Auslastung bringen. Damit hätte ich nie gerechnet (bei einem Elo). Nur Freilauf hilft, und der bedeutet hier halt enormen Aufwand.
Inzwischen habe ich auch ihr Futter umgestellt, von Barf auf „normales“ Dosenfutter + TF (alleine schon um einen Zusammenhang mit ihren wiederkehrenden Darmproblemen auszuschließen).
Was mache ich falsch? Wo liegt mein Denkfehler?
Seit sie hier ist lebe ich nicht mit Hund, sondern für den Hund. Egal wo wir hinkommen, sie wird in den Himmel gelobt und ich weiß, dass ich mit dem Training einen guten Job mache, aber unser Zusammenleben ist für mich der Horror. „So süß“, „so gut erzogen“, „so souverän“... und ich denk mir jedes Mal „hier, kannste haben, Futter schick ich dir nach“ :(.
In meiner naiven Vorstellung gab es unter der Woche schöne Spaziergänge in variabler Länge und ein ruhigeres Programm mit Kuscheleinheiten auf dem Sofa und am WE dann volle action. Das klappt doch bei anderen auch, warum bekomm ichs nicht hin? Ich hab' mich so auf unseren gemeinsamen Alltag gefreut, aber das was hier gerade abgeht ist zu viel für mich. Vielleicht wäre es mit Haus mit Garten anders, wenn die Zoomies keine Nachbarn stören und das Bellen nur mich weckt, aber so ists nun mal nicht und ich dachte, ich hatte mit der Rasse genau das auch bedacht. Inzwischen habe ich keinen Spaß mehr an den Spaziergängen, keinen Spaß mehr am Training, am Wald, selbst an unseren Erfolgen, denn ohne Pausen fühlt sich alles nur noch nach Arbeit an. Immer mehr und mehr und mehr.
Und sobald ich versuche Zeit für mich einzufordern, springt hier ein inzwischen 6 Monate und 15kg Tornado durch die Wohnung.
Ich verurteile mich selber so hart dafür, aber ich bereue die Entscheidung zum Hund so sehr :(. Ich liebe meine kleine Rumskartoffeln, aber ich bin einfach nur unglücklich und es fällt mir immer schwerer das nicht auf sie zu übertragen – und das hat sie nicht verdient :(.
War ich zu naiv? Bin ich zu lieb? Bin ich zu streng? Fordere ich zu viel? Zu wenig? Oh man, ich brauch eine Pause.