(2) Wir hatten mit Fay fast jedes Junghunde/Auslandshunde Problem: Anknabber von Möbeln, Teppich, Schuhe und Socken stiebitzen. Anspringen und "beißen" bei Aufregung, nicht zur Ruhe kommen, Giardien, Juckreiz, Jagdtrieb, Gebell.
Nach einigen Wochen Training und wirklich hinterklemmen konnten wir mit ihr in der Nachbarschaft spazieren gehen. Ja mit Einschränkungen und nicht immer entspannt. Aber ohne Panikattacken. Ohne in der letzten Ecke verkriechen und nicht mehr rauswollen. Sie lernte bei Klopfen an der Tür brav auf ihrem Hundebett zu warten. Und sogar mein Vater konnte mit ihr Spazieren gehen und er wurde morgens freudig begrüßt. Wir hatten Hoffnung, hätten einem Zuhause ohne Kinderplanung aber immer Vorrang gegeben.
Es lief wirklich toll und wir haben uns wahnsinnig gefreut. Mein Verhältnis zu ihr war trotzdem najaa etwas zwiegespalten. Sie war nicht der Hund den ich mir gewünscht hatte, aber genauso unsicher wie ich manchmal. Sie hat mich so wahnsinnig viel gelernt. Wir haben zusammen gelitten, ich habe geweint, wir haben entdeckt, wir hatten auch Spaß. Aber es gab mehr Tage als ich Finger habe, an denen ich nicht nach Hause fahren wollte, weil ich Angst hatte, vor dem Gebell, der Unruhe, der Überforderung. Und trotzdem bin ich jeden Tag mit morgens und abends raus, habe zeitweise über Wochen 5 Stunden geschlafen um Zeiten abzupassen in denen wenig los ist. Und es hat sich gelohnt, sie hat sich toll entwickelt. Wir waren sogar so weit, dass sie halbwegs ruhig mit Ablenkung am Kater vorbei gehen konnte. Mein Partner hat mit ihr Beifuß geübt, dass sie dann sogar hin und wieder von allein gemacht hat.
Dann: der 21. Juni. Ich komme morgens nach dem Spaziergang mit Fay nach Hause. Mein Partner fängt mich nervös ab. "Du musst nach vorn, dein Vater hatte wahrscheinlich einen Schlaganfall." Und ja, er hatte einen sogenannten malignen Mediainfarkt. Mehrere Tage Koma, Schädel OP. Er wird wahrscheinlich im Rollstuhl bleiben müssen und hat mit starken Einschränkungen zu rechnen. Aktuell wartet er auf seine zweite Kopf OP in einer Reha Klinik.
2 Wochen später: der Vater meines Partners stirbt unerwartet mit 57 Jahren. Niemand weiß woran, er wurde in seiner Wohnung gefunden.
Fay hat auch diese Zeit gemeistert. Obwohl ich - ihre Hauptbezugsperson - alle 2 Tage im Krankenhaus war (entweder allein, oder mit meiner Mutter, die durch eine starke Rheuma und Gicht Krankheit nicht Autofahren kann/will), hat sie weiter Fortschritte gemacht. Mein Partner hat sich krankschreiben lassen und dann die Betreuung tagsüber gemacht, da Fay noch nicht lange allein bleiben konnte. Wir hatten imemrnoch einen kleinen Funken Hoffnung, dass wir das irgendwie gewubbt bekommen. Wir liefen bereits alle am Limit.
Dann etwa einen Monat nach dem Todesfall: Rohrbruch im Haus meiner Eltern. Wasser lief morgens aus allen Seiten des Fundaments, inklusive HWR und Flur. Anscheinend lag der Rohrbruch so ungünstig, dass das komplette EG unterspült wurde. 25 Jahre altes Holzhaus. Komplette Sanierung des EG nötig. Meine Mutter und meine Schwester, die länger als geplant hier ist, um uns zu unterstützen (wohnt eigentlich mittlerweile in den USA) müssen zu uns ziehen. Sanierungsdauer wahrscheinlich 7 Monate, eventuell länger. In den 7 Monaten müsste Fay also mit 2 zusätzlichen Personen + Kater + Handwerkern (die sie besonders gruselig findet, seit dem eine Bauarbeiter auf einem Nachbargrundstück frontal, schnell in ihre Richtung gelaufen ist, als wir zu langsam waren, sich an den Zaun gebeugt und "beruhigt" hat, indem er seine Hand auch noch in ihre Richtung gestreckt hat) auskommen. Dazu kommt dann in ein paar Monaten noch mein Vater zu uns mit Krankenbett und Rollstuhl.
Da sind wir eingeknickt. Wir haben hin und her überlegt, wie wir das lösen können. Haben sogar über ein Wohnmobil nachgedacht. Aber das ist super beengt. Und die Handerwerker+ Baulärm gäbe es trotzdem. Unser Verstand hat einfach gesagt dass schaffen wir nicht und für sie ist es einfach nur Stress.
Die Vermittlung hat eine Pflegestelle gefunden, die bereits ängstliche und unsichere Hunde betreut hat, im HO arbeitet und 2 souveräne Hunde hat. "Der 6er im Lotto" sagte die Vermittlerin und sie hat recht.
Bei all dem hin und her hätte ich nur nie gedacht, dass es so sehr weh tun würde sie abzugeben. Um 9 Uhr wurde sie heute abgeholt. Seitdem weine ich. Sie fehlt mir- unglaublich. Die kleine Terrormotte. Die Eule. Der Sockendieb. Sie hat mir abends immer einen Kauknochen auf den Schoß geworfen, damit ich ihn halte während sie daran knabbert. Habe ich noch nie erlebt, aber geliebt. Noch nie habe ich einen Hund so niedlich spielen sehen wie sie.
Als wir uns erklärt haben nur ihre Pflegestelle zu bleiben habe ich gesagt "jetzt lassen wir das Schicksal entscheiden, ob jemand gefunden wird". Das war verantwortungslos. Nie wieder lasse ich das Schicksal entscheiden, denn niemand kennt dessen Karten. Ich kann nicht in Worte fassen wie sehr ich hoffe, dass dieser kleine süße, laute Fluffmuff endlich sein Für-Immer-Zuhause findet. Manchmal ist das Leben einfach Sch**?*.
Warum teile ich euch das alles mit? Ich muss es loswerden. Ich hasse mich für die Entscheidung die ich getroffen habe, auch wenn ich mir einrede, dass es besser so ist. Ich frage mich, ob ihr solch eine Entscheidung schon treffen musstet. Was ihr getan hättet. Wir verachtenswert ich ganz objektiv betrachtet bin. Und auch ob ihr vielleicht einfach eine eurer Geschichte teilen wollt, dami ich mir bei Wein und Weinen durchlesen kann, was ihr erlebt habt.