Ja wobei ich mich mal weit aus dem Fenster lehne und sage: auch das Agressionsverhalten ist bei vielen anerzogen.
Wie viele Menschen ignorieren das einfrieren vom Junghund in der Situation. Oder verhindern, dass der Hund korrekterweise in überforderten Begegnungen beschwichtigend nen Bogen Schnüffeln will. Warum - weil der Hund ja leinenführig sein muss.
Ja, es ist eine auftrainiertes Verhalten. Unabsichtlich auftrainiert, weil Selbstbelohnend. Ähnlich wie ein Hund der Schatten jagd oder Wild hetzt. Die Krux ist, dass es dafür kein vergleichbares Management gibt, womit der Hund unauffällig wird (wie eine Schleppleine an der der Hund lernt, dass er sein Verhalten hier nicht ausleben kann).
Strafreize wirken schnell aktivierend, wenn sie nicht stark genug ausfallen.
Das Problem an der Leinenführigkeit oder dem Fußgehen sehe ich dort, dass es nicht korrekt aufgebaut und generalisiert sowie abgesichert wird.
So, habe ich zum Beispiel einen 16 Wochen alten DSH, der sagt "Wuff" an der Leine wenn er einen anderen Hund sieht. Damit fängt es häufig an, der Gegenüber bekommt Angst (ist leider oft so) und der Hund bemerkt das und denkt sich "Geil, bin ich ein starker Bursche!". Denen reicht es oft auch, dass sie die Bewegungen kontrollieren können. Die Leute drehen vielleicht um, bleiben stehen, werden zögerlicher. Das alles registrieren diese Hunde und verbuchen es als Erfolg.
Ich arbeite das nun in mehreren Schritten. Auch präventiv bei Hunden die sich da unauffällig zeigen!
Leinenführigkeit: mein rohes Ei! Ich verhinderte Ewigkeiten dass der Hund da ein falsches Bild bekommt und nutze alles was geht der Lerntheorie um ein absolut klares Bild zu etablieren. Ich trage Welpen, ich schleppe die mit nur um 2 Minuten auf Parkplätzen zu üben, usw. Da hängt NIE eine Leine am Halsband und der Hund darf ziehen oder sowas, hab ich keine Zeit lasse ich es einfach bleiben. Ziehen wird bei mir gehemmt. Und ja, mit manchen Hunden startet man bei -10000, ich kenne das. Startsignal ist das einklicken des Karabiners, Endsignal das Ausklicken, und am besten keine Erregungslage etablieren durch falsches Bestätigen oder Erwartungshaltungen.
Schleppleine: Geschirr und eine lange Leine um immer Zugriff zu haben, Umorientieren zum berechen üben.
Hemmung: den Hund für das "Wuff" hemmen, ein Abbruchsignal sauber aufbauen. Fehlverhalten darf nur in dem Maße auftreten, wie ich es abbrechen kann, das steigert sich mit der Zeit. Für alles andere hat man Management oder bringt den Hund am besten gar nicht in diese Situation.
Belohnung: den Hund hochwertig belohnen wenn er das richtige tut. Sich umorientieren zu mir, bei mir bleiben. Nein, mit einem Junghund übe ich hier gar keine Leinenführigkeit in der Situation, dafür habe ich doch Geschirr und Schleppleine dran! Und ich gebe sehr viel acht auf Verhaltensketten. Ich verlange die Leinenführigkeit erst dann wenn der Hund es packt, dafür braucht es natürlich ein gefühl oder guten Trainer an der Seite und ist individuell verschieden.
Notfallmanagement: je nach Hund etwas super hochwertiges zum ablenken damit er kein Fehlverhalten zeigt für unvorhersehbare Situationen bzw. präventiv für Situationen die absehbar zu schwer sein werden (zum Beispiel eine Schlecktube, Futterhand, Fußarbeit). Bei uns sind das häufig Hunde die selbst pöbeln im Junghundealter. Da geht es dann an der Futterhand dran vorbei, oft sieht man das ja vorher schon kommen. Kommt doch ein Wuff raus, dann hemme ich wieder.
Ich vermeide es dass sich das Fehlverhalten zeigen, etabliert und festigen kann, hat der Hund die notwendige Reife und den Trainingsstand, bastel ich alles zusammen. Und ja, dann laufen die sauber an der Leine und fixieren lässt sich direkt einfach abbrechen, sie sind mental bei mir und bei schwierigen Situationen kann ich sie "rausnehmen". Das was ich verlange, passe ich an die Situation an, aber es gibt kein "oh, es ist zu schwer, dann darfst du kurz ziehen". Das ist der Anfang vom Ende, da muss ich mir was überlegen, das ist ein absoluter Trainingsfehler. Und wenn ich den Hund trage.
Bei sehr territorialen Rassen und ernsthaften Hundetypen braucht es da von Anfang an einen guten Aufbau und Plan, das Hauptproblem ist oft, dass die Bausteine meistens dann fehlen wenn man sie braucht und sich das falsche Verhalten ruck zuck etabliert und verfestigt. Dass das ganze unter Dynamik mit mehreren Hunden funktioniert, das dauert manchmal. Mit Junghunden solcher Rassen bin ich ewig einzeln oder mit fertigen Althunden unterwegs um alles erstmal sauber auftrainieren zu können. Wieder mit dem Hintergrund Fehlverhalten gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Das ist Arbeit. Mich stört es nicht, wenn man das nicht perfekt kann oder will. Ist doch auch ok, tut ja keinem weh und ist mir völlig egal, wenn man seine Hunde trotzdem bei sich behält. Für uns muss da keiner perfekt sein. Hauptsache der Stopknopf an der Flexi wird gefunden.
Aber die Welt geht auch nicht gleich unter, nur weil der Hund mal bellt und der Abbruch nicht klappt. Shit happens, man fängt ja nicht wieder bei null an und je nach Hund nimmt das ja auch nicht gleich Ausmaße an.