Beiträge von WorkingDogs

    Jaein. Im Vergleich mit der Agrar- oder eigentlich jeder Wirtschaftsbranche die mir einfällt ist der Stellenwert des Artenschutzes lächerlich gering.


    Sieht man auch daran, dass die negativen Auswirkungen des Wolfes auf (Teile der) Landwirtschaft so viel hitziger und öffentlichkeitswirksamer diskutiert werden als die verheerenden Wirkungen der Landwirtschaft auf Biodiversität und Klima, beispielsweise. Obwohl letztere um Längen größer sind als erstere.


    Dass der Artenschutz bspw. in der Frage Wolf im Leben einzelner Menschen plötzlich viel Einfluss hat, bleibt davon natürlich unberührt wahr.

    Sicher, ginge es noch höher. Da stimme ich dir zu.

    Weil es so traurig ist, dass der Mensch den Lebensraum der Bodenbrüter und des Niederwildes so zerstört und beschneidet, dass als Konsequenz der Mensch auch noch das Raubwild dezimieren muss.

    Gut, wir hatten halt früher auch Seuchen wie eine Tollwut, die regelmäßig gewütet und getötet hat.

    Da gibt es auch sehr anschauliche Statistiken zu.


    Das wäre jetzt eher mein Grund dafür, dass der Mensch dezimiert. Auf die Tollwut kann ich gut zu verzichten.

    Dafür muss ich nicht mal in die Stadt. Dafür reicht es hier, dass ich drei Straßen weiter im Wohngebiet mit einem der Nachbarn spreche :ka:


    Letztens habe ich mich mit meinen Eltern darüber unterhalten, wie viel Niederwild wir hier haben, weil der Jagdpächter das Raubwild sehr kurz hält. Da war die Empörung darüber, dass der Fuchs geschossen wird größer, als die Freude darüber, dass man hier (gemeinsam mit Wissenschaftlern) Bodenbrüter hegt und pflegt.


    Ich weiß nicht, wieso da so oft mit zweierlei Maß gemessen wird und es für viele so schlimm ist, wenn Raubwild reguliert wird.

    Absolut und was man teilweise so hört, ist es auch wirklich ein Unding, nicht nur was für Entscheidungen getroffen werden, sondern in welchem Tonfall sie kommuniziert werden. Aber ich denke, auch da wird sich in den nächsten Jahren einiges tun.

    Ja, der Artenschutz hat für mein Empfinden mittlerweile auch einen sehr hohen Stellenwert und damit einhergehend viel Macht. Gegenüber den Landwirten, den Jägern, Tierhaltern aber auch normalen Menschen. Und bei manchen Äußerungen wird es wirklich... naja. Ich bin vor Jahren auch mal wegen sowas aus einer entsprechenden Organisation ausgetreten, weil ich das nicht mehr unterstützen wollte.

    Da ich ja selber Wissenschaftlerin bin und weiß, wie völlig weltfremd das teilweise abläuft und nach welchen Kriterien Stellen teilweise vergeben werden, überrascht es mich jetzt nicht so :lol:

    In meinem Bereich - nicht Wolfsmanagement übrigens - finde ich es auch verrückt, wie weit man auf der Karriereleiter kommen kann, ohne jemals mit der Praxis in Berührung gekommen zu sein.


    Nichtsdestotrotz bringen auch so durchtheoretisierte Wissenschaftler*innen natürlich viel wertvolles Fachwissen mit, bevor das jetzt hier so nach Kolleg*innen-Bashing klingt.

    Überall der selbe Mist :lol:

    Aber schon doof, wenn solche Stellen einflussreich sind.

    Natürlich aber auch nicht ausschließlich negativ. Das gibt es doch auch selten. Alles hat positive und negative Seiten.

    Genau das meinte ich, Danke, Du hast es sehr viel besser auf den Punkt gebracht. Es gibt bei solchen komplexen Themen mEn einfach viele verschiedene Gruppen gleichermaßen Betroffener, die aber deswegen noch lange nicht einer Meinung sind oder stets zum gleichen Schluss kommen.

    Genau. Und diese Gruppen sind auch alle anderer Meinung oder haben andere Erfahrungen. Erfahrungen, die für ihren Bereich auch korrekt sind.

    Was ich für mich zum Thema Wolf zum Beispiel mitgenommen habe ist, dass das Wild allgemein aggressiver gegenüber Hunde wird und sein Verhalten anpasst. Und ich möchte ehrlich gesagt auch kein neugieriges Rudel treffen. Die wir hier aber haben.

    Krass fand ich auch die Erzählung, dass in Revieren mit Bio-Landwirtschaft die Niederwildhege unglaublich schwer ist, weil die Maschinen das Niederwild stark gefährden. Das hätte ich so niemals gedacht. Seitdem überdenke ich tatsächlich auch meinen Konsum von Bio-Lebensmitteln.


    Wenn ich meine Meinung allerdings radikal verändere, weil ich plötzlich selbst in die Situation komme, dann lief da vorher für mich was gewaltig falsch. Vor allem, wenn das doch eigentlich mein Job war. Experte auf dem Gebiet bin. Solche Worte von einem Wissenschaftler finde ich schon krass. Das kann ich nicht anders sagen und frage mich da schon, in wie weit die eigenen Überzeugungen einer sachlichen Sichtweise im Weg standen.

    Da bin ich komplett bei dir. Das ist ja beispielsweise bei Sauen genauso dusselig. Die Erfahrung von Tierhaltern muss da natürlich auch ins Verhältnis gesetzt werden und ist meiner Erfahrung nach auch nicht Deckungsgleich mit den Ansichten der Förster, Jäger oder Landwirte.


    Meine Landwirte oder den Jäger frage ich zum Beispiel gerne, wenn es darum geht, was hier genau vor Ort so los ist. Und auf deren Einschätzung vertraue ich da total. Die kennen hier die Gegend, die wissen was hier anzutreffen ist. Besser als die Statistiken.


    Und genauso haben diese Gruppen alle Zielkonflikte miteinander.

    Umgekehrt durfte ich auch schon Menschen (aus Stadt und Land) kennenlernen, deren "alle abknallen"-Welteinstellung sich ändern konnte, als sie mal Erfahrungen in der Wildtierbiologie sammeln durften. Auch das sagt ja einiges aus.


    Ich kenne aber auch tatsächlich einige Förster*innen, Waldarbeiter*innen und Viehhalter*innen, die den Wolf nicht für die Wurzel allen Übels halten, obwohl sie betroffen sind. Und säckeweise Städter*innen ohne Berührungspunkte mit dem Thema, die dank der entsprechenden Propaganda Angst haben, dass der Wolf ihre Kinder im Stadtpark frisst, weil sie das für Wildnis halten. Und natürlich aus allen "Lagern" Menschen, die die Sache so sehen, wie ich sie für vernünftig halte (was selbstredend widerum auch nicht die absolute und neutrale Wahrheit ist).


    Die Einteilung "Landbevölkerung, die Ahnung hat und daher nichts von Wölfen hält" und "Städter*innen die in einer realitätsfernen Blase leben und Wölfe kuscheln wollen" halte ich für wahnsinnig unterkomplex.

    Die Einteilung hab ich doch aber gar nicht vorgenommen? Ich habe mich auf diesen einen Biologen bezogen und darauf, dass mir das Phänomen an sich oft auffällt. Darunter fällt doch genauso deine "alles abknallen"-Fraktion die sich plötzlich normalisiert, weil sie Erfahrung sammeln durfte.

    Es geht ja nicht darum, dass man Erfahrung bis zum abwinken hat, aber ein Grundstock an Erfahrung sollte man einfach aufweisen, wenn man andere berät oder sich gar Experte schimpft.

    A propos vereinfachend und verurteilend...


    Ich finde es bei verschiedensten Themen immer erstaunlich, dass Leute annehmen, andere könnten nur abweichender Meinung sein, weil sie weniger Erfahrungen haben. So viel Überzeugung, dass die eigene Weltsicht die einzig richtige ist, Wahnsinn.

    Es geht ja nicht um weniger Erfahrung, sondern oft um keinerlei Erfahrung. Und wenn Leute eine Richtung angeben oder auch beratend tätig sind, dann finde ich das echt fatal.

    Das ist doch auch überall Thema. Ich erlebe das beruflich in einem ganz anderen Bereich ebenfalls als großes Problem.

    Und um Weltsicht geht es dabei nun auch nicht. Sondern darum, dass jemand beispielsweise Schafhalter wissen wollen, woran sie sind und womit sie rechnen müssen. Oder, dass ich als Hundehalter im Wolfsgebiet gerne wüsste, was auf mich zukommt. Und ja, da wende ich mich mittlerweile lieber an Förster, Jäger, Waldarbeiter, Tierhalter oder Landwirte. Die scheinen nämlich mehr Kontakt im Alltag mit diesen Tieren zu haben als die hiesigen Wolfsberater.