Grundsätzlich weiß man bereits als Student, wenn man in die Praxis geht, gibt es eben auch Notdienste, die abgedeckt werden müssen, und es gehört zum Job dazu, dass man nicht um 17 Uhr den Hammer fallen lassen kann. Dennoch kann ich die selbstständigen Praktiker durchaus gut verstehen, die zumindest mal zwischendrin mit den Zähnen knirschen, wenn Hunde nachts (!) zum Tierarzt kommen, weil man es einfach erst mal beobachten wollte.
Deswegen ist das für uns auch wie ein Schlag ins Gesicht, wenn man gesagt bekommt, man solle sich halt mal nicht so anstellen, man weiß ja vorher was einem im Beruf erwartet. Ähm .... ok.
Ich finde, dass sind zwei verschiedene Aspekte. Auch wenn es ähnlich klingen mag. Das eine ist, dass es kein nine to five Job ist. Klar, das weiß man. Und damit sollte man umgehen können. Der Text, um den es in Teilen hier ging und den ich ja eingestellt habe, ging es nicht um nine to five, und dass man bitte pünktlich Feierabend machen kann, sondern, dass der Notdienst teilweise gedankenlos als Alternative zur Sprechstunde gesehen wird, dort wo er angeboten wird. (und schon sind vermutlich 95 - 100 % der User hier nicht mehr angesprochen, denn genau das trifft auf User, die sich intensiv Gedanken machen, schlicht nicht zu - dennoch GIBT es davon reichlich). Und meist sind es dann die, die erstens jammern, dass der Notdienst aber sooo teuer geworden ist (dann kommt einem halt schon mal der durchaus menschliche Gedanke, dann warte halt vor dem Wochenende nicht drei Tage, sondern komm halt am Freitag in die Sprechstunde und nicht in der Nacht zum Samstag - ja, auch ein Tierarzt ist mal ein Mensch, und denkt sowas), und zweitens laut schimpfen, weil sie im Notdienst in einer Klinik beispielsweise lange warten müssen. Das meist deswegen, weil durch eine sinnvolle Triage dafür gesorgt wird (oder das ist jedenfalls das Ziel), dass echte Notfälle schnell behandelt werden.
Ich habe durchaus erwartet, dass man in diesem Beruf Notdienste leisten muß. Womit man teilweise eben nicht rechnet, sind die Früchte, die das teilweise trägt. In meiner ersten Anstellung habe ich beispielsweise eine Kundin gehabt, deren Katze eine schwere Nierenerkrankung hatte. Alle in der Praxis haben mit Engelszungen auf die Besitzerin eingeredet, dass sie die Katze gehen lassen muß, weil es einfach nicht mehr geht. Diese Besitzerin meldete sich dann abends um kurz vor Mitternacht, weil es nun wirklich nicht mehr ginge. Ich bin fast sicher, dass mein damaliger Chef sie am nächsten Morgen einbestellt hätte, und nicht noch mal in die Praxis gefahren wäre, um diese Katze nun mitten in der Nacht einzuschläfern. Mein erster Gedanke in dieser Situation war, sie haben sich endlich entschieden, dass sie das arme Tier erlösen wollen, also zögere ich keine Sekunde, sondern treffe mich auch um Mitternacht mit diesen Kunden. Schon alleine, um die Katze nicht länger leiden zu lassen.
Wenn man allerdings in der Region der "einzige" Notdienst ist, dann ist die Situation schon noch etwas dramatischer, denn dann rufen alle, die ihren Tierarzt nicht mehr erreichen, genau da an. Und dann kann schon mal die Nacht zum Tag werden. Und man behandelt halt nach der Sprechstunde einfach weiter. Bis morgens um vier oder so, und dann geht um acht die Sprechstunde wieder los. Unter dieser Situation leidet dann ein Tierarzt durchaus, auch wenn er wußte, was ihn in diesem Job erwartet. Und genau deswegen wurde der Text verfasst. Nicht, um zu jammern, wie arm man als Tierarzt ist, weil man nicht jeden Tag pünktlich Feierabend machen kann. Das ist dann auch keine Anstellerei, denn die Patienten werden ja versorgt. Aber wenn (nicht hier, sondern eben woanders) der eine oder andere sich vielleicht entscheidet, doch mal etwas früher loszugehen (und auch diese Patienten gibt es, die dann Freitag kommen und sagen, normalerweise hätte ich noch gewartet, aber wissen sie, morgen ist ja Wochenende....), um nicht im überlasteten Notdienst zu landen, dann ist das Ziel eines solchen Posts erreicht.
Und wann etwa jetzt im Konsens ein vermeidbarer Notfall ist und wann nicht.
Ich habe trotz der Schwierigkeit der Beispiele schon den Eindruck, dass es da einen grundsätzlichen Konsenz gibt. Man sollte da finde ich aber dennoch noch einmal weitergehend differenzieren.
a) was ist ein Notfall? --> im Grunde genommen guckt man, ob man findet, dass man noch warten kann, oder nicht. Wie dramatisch das Bild ist, und immer wenn man unsicher ist, ruft man lieber einmal zu viel als einmal zu wenig an.
b) was kann wie lange warten? Wenn ich etwas habe, wo ich unsicher bin, ist das eine Sache. Ob man aber, um das häufiger schon aufgeführte Beispiel "drei Tage Durchfall" zu nennen, mit einem solchen Patienten beispielsweise am nächsten Tag anruft, oder nachts, macht schon mal einen Unterschied.