Hallo,
ich als Neuling bin nach einem fulminant gescheiterten Versuch nur noch verwirrt und dachte, vielleicht kann ja der ein oder andere erfahrene Hundehalter etwas Licht in die Sache bringen.
Es soll in Zukunft besser laufen, ich weiß aber nicht, welche Stellschrauben ich dafür drehen muss.
(Vorab: Tut mir leid für den langen Text. Da ich nicht mit Videos dienen kann, versuche ich eine konkrete Beschreibung. Kann natürlich nur eine unvollständige Innensicht sein.)
Ich wünsche mir einen Hund mit folgenden Eigenschaften:
- freundliches Wesen
- kooperativ
- soll nicht die anderen Kleintiere in meinem Haus als Futter betrachten (zumindest solange wenn ich dabei bin)
Ziel ist, irgendeine Art von Hundesport auszuüben, um als Mensch-Hund-Team zusammen zu wachsen. TrickTraining, Obedience, .. bin für vieles offen.
Wie viel Hundeerfahrung bisher?
Kaum. Gassigehen im Tierheim und mit einem netten Hund aus dem Dorf.
Sonst nur theoretisches von YT, hier mitlesen und 2-3 Bücher.
Sonstige Randbedingungen:
- Partner, findet Hunde "ganz ok"
- Ländliches Wohnen
Da es schon so viele Hunde gibt, die ein neues Zuhause suchen, sollte er aus dem Tierschutz sein, nicht vom Züchter.
Nach längerer Suche einen netten Hund gefunden.
- 2 Jahre, kniehoch, kurzes Fell. Ob Labrador oder Kampfhund drin ist, daran schieden sich die Geister der Tierpfleger.
Wir sahen ihn in mehreren verschiedenen Situationen.
- Beim Gassigehen wirkte er nett und sattelfest (und ok, hat eher nur so halbwegs kooperiert. Aber wir waren ja auch Fremde für ihn.). Kein Leinenpöbeln. Nicht schreckhaft auf unbekannte Geräuschreize hinter ihm.
- Im Zusammenhang mit ihm fremden Hunden im Hundeauslauf war er nett.
- In seiner Pflegefamilie (Katzenhaushalt) war er ebenfalls unkompliziert und nett (verfolgte allerdings das Pflegefrauchen auf Schritt und Tritt, wenn nicht grad Spielen mit der Hundefreundin wichtiger war).
Achso, und sie musste 3x "Sitz" sagen und auf seinen Pops drücken, bevor er auf sie hörte.
2 andere Hundetrainer, die ihn auf dem fremden Gelände beobachteten, meinten ebenfalls: Terretorial (auch mit den für ihn fremden Hunden), aber soweit ein freundlicher Kerl. Etwas Jagdtrieb, könnte man aber mit Training vermutlich gut kanalisieren.
Jetzt zum Schock.
Tag 1 bei uns:
Mittags abgeholt, am späten Nachmittag angekommen. Er ließ sich von mir das Sofa verbieten (neu für ihn, da nicht drauf zu dürfen), und von mir mit gestrecktem Finger ins Körbchen schicken.
Ich hatte mich informiert, und gelesen, dass man Hunden Grenzen setzen sollte, um ihnen subtil klar zu machen, dass sie nicht der Chef und/oder für Alles verantwortlich sind. (PS: Jetzt bin ich unsicher, ob das für die Wochen nach dem Einzug schon gilt?)
Er hing mir aber von Sekunde 1 am Hacken und winselte, wenn ich 10 Minuten raus musste und er allein im Haus bei meinem Partner blieb.
Ins Bad durfte er mir nicht hinterher, wartete jedes Mal sehr ungeduldig vor der Tür. Pflegestellenfrauchen erläuterte: "Allein sein hat er nie gelernt." Daher dachte ich, das wäre eher Unsicherheit seines Einzugs als mich-Eingrenzen-wollen.
Schlafen tat er in unserem Schlafzimmer (an der Tür, weil einzig freier Platz für sein Körbchen.)
Alle zufrieden.
Tag 2:
Am Folgetag arbeiteten wir im Hof, banden ihn 3m entfernt an, damit er bei uns sein konnte, aber nicht vom Hof flüchten.
Dort wurde er das erste Mal unleidlich. Nichts spannendes passierte, niemand kümmerte sich um ihn, er konnte mich nicht verfolgen. Nach einer Weile motzigem Winseln ging er sogar zum Bellen über. Vorher hatten wir ihn nie bellen gehört. Und er knurrte mir hinterher, als ich in die Garage ging.
Einmal zitterte er vor Erregung, als das Kleintier in sein Sicht- und Geruchsfeld kam, ich stellte mich zwischen ihn und das durch ein Gitter abgesicherte Tier. Fand er doof.
Auch akzeptierte er, als ich ihm nichts vom Tisch geben wollte. (Anders als in seiner Pflegestelle..) Wenn er seinen Kopf auf mein Bein legte, während ich aß, stellte ich das Bein nach außen und schob ihn somit von mir und dem Tisch weg, dabei ihn anschauend und freundlich-deutlich "Nein" sagend. Versuchte es einige Male und gab dann auf.
Am Nachmittag wurden seine Gesten mir gegenüber aggresiver. (Wir erinnern uns: ich bin die nervige Alte, die ihm alles verbietet: Bad, Sofa, Kleintiere jagen.)
Er blickte mich beim Ins-Körbchen-schicken nur noch an, ich wiederholte. Freundlich, aber bestimmt. Er guckte weiter. Ich beugte mich ein wenig über ihn nach dem Motto: Freundchen, ich meins Ernst. und sagte/zeigte noch mal "Körbchen".
Da bekam ich dieses Zähnefletschen. Am Gähnen und Schnute schlecken war er vorher schon, schien also Stress zu haben. Was ihn nicht vom Diskutieren abhielt.
Danach gab es zunehmend häufig "den Blick". (Drohfixieren, nach allem, was ich weiß?)
Als nächstes nicht nur "den Blick", sondern er fing auch an, sich vor mir aufzubauen/ in den Weg zu stellen.
Zur Nachmittagsgassirunde zuckte er genauso fokussiert, als ich aus der Tür kam, wie er es vormittags bezüglich des Kleintiers gemacht hatte. Hielt er mich auf einmal für jagbar? Sicher nicht, aber warum dann die gleiche Reaktion?
Ich fragte wegen der aggressiven Ansätze ein paar Leute, die schon länger Hunde haben.
Die meinten: Vielleicht etwas zu zeitig Grenzen gezogen, Druck erzeugt Gegendruck. Ignorier ihn mehr.
Also ging ich spazieren, kam relativ entspannt und mit dem festen Vorsatz, ihn zu ignorieren in das Zimmer. Er lief auf mich zu, es gab wieder "den Blick", drohendes Umkreisen mit steifer Rute und steifen Beinen.
Das wiederholte sich noch so drei mal. _Obwohl ich ihn ignorierte!_ :-/
Ab da war die Angst tief und jede Souveränität futsch.
Mein Partner ging ihm Gassi und der Hund ließ sich sich auf Kommandos ein.
Sobald ich auch mit auf der Gassirunde dabei war, gab es ständig scheele Blicke des Hundes zu mir und er hörte auf kein "Sitz" mehr.
Drohendes Umkreisen im Zimmer wollte mein Partner zT unterbinden, der Hund ließ sich nicht durch ihm von mir abdrängen.
Ich also abends letztlich richtig Angst vor ihm gehabt, nur noch in anderen Räumen aufgehalten. Mein Partner hat dem Hund Gesellschaft geleistet, alles ohne Drama.
Geschlafen hat der Hund diese 2. Nacht im Körbchen VOR unserem Schlafzimmer.
PS: Mauli war nie mit ihm trainiert worden UND wir hatte auch keinen ("Er ist ja so ein netter Hund.", wie alle sagten.). Daher keine Option.
Tag 3:
Hund in der Stube im Körbchen. Ich im Sessel. Stand ich auf, kam er sofort und machte diese komische T-Stellung. Anfangs. Da ich das wiederholte (und ihn ignorierte), konnte ich irgendwann _langsam_ aus dem Zimmer gehen. Er folgte mir. Gnah.
Aber er kam nicht mehr _aktiv_ bedrohlich auf mich zu.
Abends brachten wir ihn zurück, diverse Personen hatten bestätigt, dass die Aggression wohl in den Griff zu kriegen wäre, aber das nicht der Hund sei, nach dem ich suche (siehe Liste oben).
Zudem:
Er hat ja eine Pflegefamilie, dort seine Hundefreundin und ein schönes Leben. Mein Gewissen ist damit im Reinen.
Sein Pflegestellenfrauchen nach meiner Schilderung: "Das hat er aber noch nie gemacht." und ich glaube ihr das. Alle fanden ja, der wirke nett, auch fremde Hundetrainer. Keiner konnte sich erklären, warum das so schief gelaufen ist?????
Auf meine Beschreibung seiner Drohungen lachte sie und sagte: "Das hast du ernst genommen? Naja, bist halt Anfänger." Im Sinne von: Der hat doch höchstens geblufft.
Mag ja sein, aber was, wenn nicht?
Aggression erkenne ich, ob er es ernst meint, eher weniger. Zu unbedarft. Wollte kein Risiko eingehen.
Ich frage mich allerdings:
Was hat das alles zu bedeuten?
1) Was hätte ich beim Einzug besser machen sollen/ können/ müssen?
2) War es jetzt gut, dass es so schnell eskalierte (weil so klar wurde, dass wir nicht zusammen passen)? Oder soll ich den nächsten Hund wirklich anfangs ignorieren um dann später rauszufinden, ob der Hund die Rangfrage aggressiv stellt?
3) Ich nehme an, dass jeder Hund denkt: "Neue Familie, neue Chance auf den Thron.". Gibt es überhaupt Hunde, die das weniger über Aggression tun (sondern zB nur durch Sturheit?) Oder kann ich die Situation als normales Kennenlernen verbuchen, nur, dass es vielliecht etwas zeitig anfing?
4) Warum war er von Beginn an der Meinung, mich, aber nicht (wenigstens ein bisschen) auch meinen Partner hüten zu müssen?
5) Wie lerne ich den nächsten Kandidaten so kennen, dass eher sichtbar wird, ob er beim Konflikten zum Ausweichen oder Aggression tendiert? Dieser hier hatte bei den Kennenlernen auch Meidebögen, Ignoranz usw. gezeigt, aber dennoch schaffte er es an Tag 2 ja, aktiv aggro auf mich zuzugehen. Ich dachte wirklich, die vielen verschiedenen Situationen, in denen wir ihn erlebten, hätten uns ein gutes Bild vermittelt..
6) Hier habe ich gelesen, dass 1-2-jährige noch neue Charakterzüge ihrer Gene zeigen. Bringt es was, 1-3-Jährige Hunde auszuklammern, weil sich gewisse Charakterzüge in der Zeit erst wirklich zeigen und da als Neuhundehalter ins Spiel zu kommen einfach ein blöder Zeitpunkt ist?
7) Sollte ich Hunde auszuklammern, die bisher keine Grenzen kannten, weil nicht abschätzbar ist, ob sie sie ohne aggressive Diskussionen hinnehmen?
8) Hängt aggressive Diskussion in der Regel mit einem nicht kooperationsbereiten Hund zusammen, oder zeigt das ggf. nur, dass man sich noch nicht kennt?