Hallo ihr Lieben!
Meine letzten beiden Themen hier im Forum sind inzwischen schon ein ganzes halbes Jahr (!) her und bevor ich in den alten Threads auf die alten Fragen von euch eingehe, möchte ich gern ein neues Thema mit unserem weiteren Verlauf starten. Auch wenn es hier nicht um eine konkrete Fragestellung an euch geht, möchte ich nicht eine Freakshow machen (das habe ich als Art "Tagebuch" hier verstanden), sondern gern ein Thema eröffnen um auch Raum für Diskussionen, Tipps & Anregungen jeder Art zu geben und evtl. auch Aufmunterung für andere in ähnlichen Situationen zu geben... mir hilft das hier in dem Forum immer sehr! Genug der Vorrede
Wir haben im Mai letzten Jahres unseren Findelhund direkt von einem Waldparkplatz aus den sardischen Bergen mitgenommen, und sind danach gemeinsam mit ihm in unserem Van weitergereist. Er ist vermutlich ein sardischer Schäferhund, ehrlich gesagt spricht uns jede zweite Person auf seine Rasse an und er sieht auch wirklich sehr außergewöhnlich aus. Neulich meinte eine, naja, er wirkt wie eine Mischung aus Pitbull und Wolf, da musste ich echt lachen... Er war ca. 1 - 1,5, als wir ihn gefunden haben. Nach einem super Start haben wir natürlich erste Knackpunkte entdeckt und diese waren auch Themenschwerpunkte in meinen ersten beiden Threads hier: ein sehr ausgeprägter Jagdinstinkt bzw. kein funktionierender Rückruf, später das Bewachen vom Van und auch mich als Person und sehr ausgeprägte Leinenaggressivität gegenüber anderen Rüden.
Im Moment (seit ca. nem halben Jahr) wohnen wir bei der Familie von meinem Freund mit Haus und Garten, bis wir endlich unseren größeren Van fertig ausgebaut haben, und hier sind wir also durch folgende Krisen- und auch gute Zeiten gegangen:
1) die Läufigkeit einiger Nachbarhündinnen hat unseren Hund wirklich verrückt werden lassen (weil manche gefragt haben: ja, hier im Dorf hat gefühlt jeder einen Hund / Hündin und gefühlt kastriert aber niemand seinen Hund / Hündin) Acqua hat nichts mehr gefressen, ist nachts wirklich so unglaublich ausgerastet mit Jaulen, Rumrennen und die Türen zerkratzen, das war für keinen von uns auszuhalten. Ich hatte vorher noch nie Rüden, aber mir kam das schon extrem vor. Auf den Spaziergängen hat er sich regelmäßig so richtig, wie soll ich es sagen, in Rausch gerochen und Urinstellen intensiv abgeschleckt... ich hatte eh vor, ihn kastrieren zu lassen (vor allem aber wegen des nicht-Wollens von weiteren Findelhunden und in Hinblick auf unsere weitere Lebensart im Van und dem evtl. nicht immer perfekt kontrollierten Momenten in Gegenden, wo es von anderen Straßenhunden wimmelt...). Ich wollte aber eigentlich noch etwas warten damit, weil wir ja auch nicht genau wussten, wie alt Acqua eigentlich ist...
2) Parallel dazu hat sich Acquas Wachverhalten auf das Haus übertragen. Wir verbrachten zunehmend mehr Zeit am Haus (wo wir am Van arbeiten), und weniger Zeit mit Acqua (vorher waren wir ja wirklich 24/7 auf Tour mit ihm... da hat sich dann hier im Haus sicherlich auch etwas Langeweile breit gemacht, weil wir uns auch überhaupt keinen Plan über Routine mit dem Hund gemacht haben...) und er hat sich wohl zunehmend auch verantwortlich für diesen Bereich gefühlt. Er fing also an, zum Zaun zu rennen, wenn sich jemand näherte (davor hat er sich nicht die Bohne dafür interessiert) und auch zu bellen (hat er vorher auch nicht gemacht) und auch die Leute, die dann eintraten, anzubellen und später sogar anzuspringen. Natürlich war das nicht in unserem Interesse, aber wir wussten zu der Zeit noch nicht, wie wir am besten darauf reagieren sollten und wie wir das insgesamt angehen sollten. Bei Trockenübung klappte der Rückruf (ohne irgendwelche Reize) immer besser, aber sobald ein neuer Reiz kam, war er nicht mehr ansprechbar.
3) Wir hatten uns dann entschieden, Acqua zu kastrieren und einen Termin für 2 Wochen später bekommen.
4) Eine Woche vor der Kastration kam dann der große Knall: ein Freund kam zu Besuch um uns beim Arbeiten zu helfen. Wegen der Hausstruktur überließen wir ihm das Zimmer, wo wir bisher zusammen mit Acqua waren (im Keller) und zogen in die obere Etage. Am nächsten Morgen kam die Schwester von meinem Freund mit ihrem kleinen Sohn zu Besuch. Sie lässt ihren Sohn sehr oft bei uns hier, wenn sie arbeiten muss und dabei haben wir alle bemerkt, wie außergewöhnlich kinderfreundlich Acqua ist. Er lässt wirklich alles mit sich machen, natürlich ist trotzdem immer jemand in der Nähe zum Aufpassen, aber bisher waren Acqua und der Junge ein Dreamteam. An dem Morgen kam sie unangemeldet und durch den Keller, wo sie normalerweise nicht reingeht, und der Freund, der statt uns bei Acqua im Zimmer schlief, hat die Tür nicht zugemacht (was wir immer gemacht haben). Das waren natürlich eine Menge veränderter Faktoren. Aber trotzdem schockte mich die Nachricht unglaublich: Laut der Schwester hat Acqua ihren Jungen angegriffen. Der kleine Junge ist vorgerannt durch den (vermutlich noch nicht beleuchteten) Flur, wo es am Ende links zum Zimmer geht, wo Acqua war und rechts hoch ins Haus. Der Freund, der bei Acqua war, ist erst etwas später aufgewacht und hat dann den Hund zurück ins Zimmer gezogen. Ihm zufolge hatte die Mama ihren Sohn auf dem Arm und er hat sie bellend angesprungen. Das war natürlich ein Riesenschock. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich wusste natürlich nicht, wie weit Acqua gegangen wäre, aber einfach der Fakt, dass er ein Kind angreift, und das er kennt!, war für mich ein Riesenmysterium. Wir waren alle sehr aufgewühlt und ich war mir fast sicher, dass ich samt Hund ausziehen müsste oder mich dafür entscheiden müsste, den Hund abzugeben. Die Familie war wirklich sehr sehr sehr kooperativ und hat gesagt, wenn ich am besten sofort einen Trainer vor Ort zu Hilfe ziehen würde und der Hund ab jetzt immer unter meiner Aufsicht stehen würde, könnten wir bleiben.
5) Ich hatte mich ja vorher schon nach Trainern umgeschaut, aber keinen gefunden. Nun hatte ich natürlich eine noch höhere Motivation, das zu ändern und wurde mit der Hilfe der Familie auch fündig: ein Ex-Militär aus dem Nachbardorf aus einer Dobermann-Züchter-Familie gab wohl seit kurzem auch Privatunterricht. Wir haben direkt im Anschluss einen Termin bekommen, aber ich war ehrlich gesagt etwas skeptisch. Ich wollte dem ganzen aber eine Chance geben, brauchten wir doch dringend Hilfe vor Ort! Der Typ kam mir tatsächlich nicht so unsympathisch vor, wie ich gedacht habe (ich habe einfach ganz grundsätzlich was gegen die Army, da ist bei mir nichts zu machen), aber leider wirkte sein Arbeitsstil ziemlich fokussiert auf Bestrafen, was mir persönlich gar nicht gefiel. Er würde sonst auch eher Schutzhundausbildung machen, aber meinte, naja, das kann man ja auch andersrum trainieren... auf der anderen Seite war sein erster Eindruck (auf seinem Grundstück) von Acqua, dass er ein aufmerksamer, verspielter und lieber Hund wäre, wohl noch jünger, als uns die Tierärzte gesagt hatten, und er tippte auf Holländischer Schäferhund (nicht belgischer!). Dass das Wachverhalten dann rassebedingt schwierig rausbekommen zu wäre, bei seinen Hunden dürfe kein anderer Mensch sein Haus betreten... ich war mir nicht sicher, ob wir gut zusammenarbeiten würden, aber es war in diesem Moment das beste, was wir hatten. Die nächste Stunde würde er bei uns Zuhause die Situation mal analysieren, aber dass wir uns keine Sorge machen sollten, dass er seine Hand ins Feuer dafür legen würde, dass dieser Hund niemanden beißen würde.
6) Am GLEICHEN Tag Zuhause angekommen, lässt mein Freund beim Arbeiten am Van die Leine von Acqua kurz ab (fragt mich bitte nicht, warum!!!), und ich bin direkt selbst dabei, wie Acqua auf die uns zum Van entgegenkommenden Oma und Opa von meinem Freund bellend zurrennt und knurrend anspringt. Ich war fassungslos und natürlich unglaublich fertig mit dieser Situation. Die Großeltern wohnen zwar nicht direkt in der gleichen Wohnebene (der Hund ist ja eh nur im Keller, weil er nicht ins Haus soll), aber zumindest kennt er sie aus dem Garten und war bisher immer super lieb zu der Oma, die ihn liebend gern knuddelte. Ihr könnt euch auch die folgenden Streits zwischen meinem Freund und mir vorstellen, wegen Verantwortung etc. Ich bin eben nur zu Gast hier! So viel also zum Thema Einschätzung des Hundetrainers... ich würde meine Hand nicht mehr ins Feuer legen, und das bei unserem eigenen Hund! Ich war den Tränen nahe.
7) Wir melden uns mit der Bitte, dringend vorbeizukommen, beim Hundetrainer, aber er hat erst eine Woche später Zeit und wir müssen die folgenden Tage also mit ständigem Aufpassen und Trennen von Hund und Großeltern, Besuchern etc. verbringen. Auf Anraten vom Hundetrainer haben wir ihn so viel es ging von allen Personen isoliert, damit er dieses aggressive Verhalten nicht noch manifestiert.