Hallo liebes Forum! Ich stöbere seit gestern durch das Forum und komme gar nicht
mehr raus aus dem Staunen... so viele verschiedene Themen, so viele Probleme, die auftreten
können, so viele Gedanken und Denkanstöße... super schön! Ich bin mir im Klaren darüber,
dass ein Trainer vor Ort am besten weiterhelfen kann, aber gerade bin ich an euren Ideen und
Ansätzen interessiert, da ich den Eindruck habe, hier gibt es einige Leute mit viel Erfahrung
und interessanten Denkanstößen!
Ich versuche es kurz zu halten (wird aber nicht klappen, da ich das nicht gut kann ;)): Generell
bin ich unglaublich dankbar und glücklich. Wenn ich diese ganzen Themen hier so lese, wird
mir nochmal deutlich, wie gut wir es mit unserem Acqua getroffen habe. Wir (das ist mein
Freund und ich) sind seit nun 3 Monate glückliche Hundebesitzer und unser Findelkind ist
wirklich Gold wert. Wir leben in meinem Auto und sind seit einem Jahr unterwegs. Vor 3
Monaten auf Sardinien auf dem Parkplatz in den Bergen haben wir Acqua getroffen. Ich habe
keine Ahnung, was für eine Rasse er ist. Er sieht einem Pitbull sehr ähnlich (wurde von diversen
Personen gefragt, ob er einer ist), wohl wegen der gedrungenen, kompakten und
durchtrainierten Form, hat aber längeres Fell, eine sehr eigene Fellfarbe und eine
abgeschnittene Rute. Wenn man Bilder vom "Dogo Sardo" sucht, sieht er auf einigen 1:1 so
aus! Laut diversen Tierärzten ist er um ein Jahr alt, vielleicht 1,5. Vielleicht hat er Schäfern gehört, wir haben absolut keine Idee, nur, dass fast alles neu war für ihn und er ganz sicher, wegen diverser ganz klarer Reaktionen von ihm vorher außer der Natur nichts gesehen hat (weder Autos noch Straßen noch Society...) und dass ihm seine Rute wohl einfach abgeschnitten wurde, weil er ein Trauma vor Feuer und Messern hat.
Wir also Futter geholt, uns informiert, ob er wem gehören könnte, ein paar weitere Tage da
geblieben, dem Tierarzt vorgestellt (kein Chip, war klar), und letztlich mitgenommen. Er wirkte
nicht wie ein verlassener und verängstigter Straßenhund, von denen man doch so viele in
Süditalien zu sehen bekommt, sondern sehr sozial (okay, verlaust und verwurmt war er, das
total). Allen anderen Wanderern, die da vorbeigekommen sind und auch anderen Hunden
hat er sich super freundlich gegenüber verhalten. Das hat uns auch letztlich dazu veranlasst,
ihn mitzunehmen.
Seitdem sind drei sehr erlebnisreiche Monate wie im Flug vergangen, und unser Hund hat alles
mögliche mitgemacht: die erste Treppe erfolgreich an einem Tag gelernt zu gehen (so eine
offene auf der Fähre von Sardinien), Auto, Metro, Bus, Boot und Bahn fahren, Tierarztbesuch
mit Impfen und Chippen, Feiern mit vielen Leuten gemeinsam, mit Kleinkindern zusammen rumhängen, große Städte besichtigen,
lange Wandertouren in verschiedenster Natur, langweilige Arbeitstage auf einem Parkplatz, mit
den Wellen toben und generell das Wasser (See und Fluss) kennenlernen, mit anderen Hunden
in Auslaufgebieten spielen, Kühe, Pferde und andere neue Tiere kennenlernen, und auch mal in
eine Wohnung gehen oder vor einem Berliner Club (natürlich im ruhigen Hinterhof) auf mich
warten. Wenn ich das so schreibe, ist es einfach ein Traum. Ich hatte in meinem Leben bereits
intensiven Kontakt zu 4 Hunden: unser Familienhund, ein Schäferhund, der Nachbarshusky, mit
dem ich in meiner Jugend Hundeschule gemacht habe und jahrelang spazieren war, um
Taschengeld zu verdienen und die beiden Hunde meiner Ex-Partner, ein super cleverer
Border Colly und danach ein frecher kleiner Jagdhund-Mix,
aber dieser Hund ist mir in den drei Monaten so sehr ans Herz gewachsen, wie kaum ein
anderer davor. Er hat Charakter, Lust auf Abenteuer und fühlt sich wie der beste Freund
an, den man sich als Kind immer so sehr gewünscht hat
Aaaaber, nobody is perfect. Es ist uns durch einige veränderte Umstände doch sehr klar
geworden, dass wir ein großes Problem mit dem Heranrufen haben, wenn wir in einem Gebiet
sind, wo interessante Fährten sind. In seinem Fall also fast überall. Die Grundkommandos Sitz,
Platz (inzwischen auch auf 5 m Entfernung), Bleib, Komm und Spielerein wie Pfötchen geben
hat er innerhalb von wenigen Tagen gelernt und sitzen in neutralem Gebiet (umzäunt, wirklich
sehr langweilige Umgebung ohne viel Einfluss). Da sind Leckerlies auch echt toll. Auf Flur und Weid ist es leider so eine Sache. Da ist er sofort am Fährten suchen, rumrennen, Leckerlies oder wir sind gar nicht mehr interessant. Wir haben dem ganzen nicht allzu viel Beachtung
geschenkt am Anfang (und da fängt das Problem eben an), da es für uns okay war, dass der
Hund sein Ding macht, während wir an der Wand beim Klettern waren, da wir aus
Beobachtung gelernt haben, dass er ein absolut unterwürfiger Hund anderen gegenüber ist
und einem Streit meilenweit ausweichen würde, und auch Menschen gegenüber unglaublich
respektvoll und freundlich auftritt. Er hat dann also seine Runden gedreht, und nach einiger
Zeit ist er ja auch wieder zu uns gestoßen und ist dann auch bei uns geblieben. Das haben wir nicht
korrigiert oder trainiert, da es für uns so passte. Wenn wir ihn gerufen haben, weil wir gehen
wollten oder ähnliches, ist er auch nach einer Weile gekommen. Das hat so gepasst in dem
Moment. Generell war es für uns okay, wenn er auf längeren Wanderungen auch mal nicht zu sehen war, und beim Abrufen dann eben erst einige Zeit später
ankam, weil nie Eile oder Gefahr drohte. Uns ist allerdings schon aufgefallen, dass er immer SEHR Interesse an allem auf weiter Flur hat, und wenn mal ein anderes Tier in Sichtweite war, auch sofort losgesprintet wurde.
Nun sind wir für einige Zeit fest an einem Ort (Auto-Ausbesserungen). Das erste Mal auf einem
eingezäunten Grundstück, auch das absolut kein Problem, überhaupt kein Territorialgehabe,
Leute gehen ein und aus, ohne dass Acqua anschlägt, und obwohl der Hund nebenan fast
permanent bellt (ein armer alter Jagdhund, der 24/7 in seinem Zwinger Kreise dreht und mit
dessen Besitzer nicht zu reden ist, ein anderes Thema...), nicht ein Kläffen, gar nix. Soweit ein
Traum. Das Dorf ist allerdings in einem Gebiet, wo die Rehe praktisch hinter dem Haus auf der
Wiese stehen. Und hier hat sich Stück für Stück herausgestellt, dass Hundi zwar zurückkommt,
aber wenn ER will, und nicht, wenn WIR rufen. Es ist bereits einige Male so ausgeartet, dass er
von einer langen Wanderung allein nach Hause gelaufen ist, oder ich es aufgegeben habe, nach
ihm zu rufen und auf ihn zu warten und allein wieder Heim bin, der Hund eine halbe Stunde
später dann wieder vor dem Tor. Das war das letzte Mal. Im Moment lasse ich ihn einfach nicht
mehr von der Leine, aber ich habe gerade ziemlich Schiss, einen Hund zu haben, den
ich fast überall nicht mehr von der Leine lassen kann. Das wäre für mich ein Albtraum. Ich weiß,
dass Acqua immer wieder zurückkommt, auch von sonstewoher, das hat er schon mehrere
Male gezeigt. Aber gerade in bewohnten Gebieten oder auch neben einer Landstraße, also so wie hier, kann er halt nicht komplett seins machen.
In einem Hundeauslaufgebiet in Berlin war er ein Traum. Er hat unglaublich gut gehört. Eine
andere Frau, die auch einen Findelhund hatte, hat es nicht glauben können, dass ich ihn zu
dem Zeitpunkt erst 2 Monate hatte. Mit ihrem hatte sie selbst nach 1,5 Jahren noch größere
Schwierigkeiten ihren heranzurufen. So ist Acqua hier zum Beispiel innerhalb von Sekunden,
mitten vom Spielen mit den anderen, zurückgekommen, weil ich losmusste. Es ist, sobald wir
auf offener Flur sind, wo er nicht mehr bei uns Menschen bleibt. Im Moment trainieren wir vermehrt auf dem eingezäunten Grundstück, aber hier läuft ja auch alles glatt. Ich weiß einfach nicht, wie ich überhaupt im Ansatz die Aufmerksamkeit auf mich lenken soll, sobald er eine Fährte aufnimmt. Es wirkt wie eine Droge für ihn, und in diesem Moment ist es auch unmöglich überhaupt durchzudringen zu ihm. Und Fährten nimmt er immer und überall auf der Flur auf. Wenn er etwas müder ist, dann vielleicht etwas weniger. Daher hatten wir schon die Idee ihn rumstrobern zu lassen und auf ihn am Auto zu warten, bis wir dann ne halbe Stunde später zu der eigentlichen Wanderung losgehen.
Es sind viele Einzelheiten, aber im Konkreten: gibt es eine Chance in solchen Wittermomenten irgendwie zu seinem Hund durchzukommen? Bringt Üben im "Trockenen" (im safen Gelände) dafür irgendwas?? Wie würdet ihr euch verhalten, wenn der Hund weggelaufen ist, aber dann später wieder brav zu mir / nach Hause kommt? Ist dann das Schimpfen (einmal bin ich wirklich super sauer geworden) nicht kontraproduktiv, so kommt er nächstes Mal ja vielleicht noch ungerner zurück, wenn ich ihn rufe?! Acquas Verständnis ist schon etwas größer geworden, dass Komm nicht "zeig dich, egal wenn in 20 m Entfernung, sondern zu mir, jaaaa, und auch, wenn du zurücklaufen musst" bedeutest. Generell ist sein Radius im Freilauf aber rieeesig, gibt es hierzu noch Ideen??! Achso und ich finde Schleppleinen einfach schrecklich, allein die Idee, dass er sich ständig an einem Zweig / Wurzel aufhängt... außerdem will ich ja auch nicht, dass Acqua nur die langweiligen menschgemachten Wege benutzen soll, sondern er soll ja im Gebüsch schnüffeln dürfen....
Viel zu viel geworden, danke trotzdem fürs Lesen und danke vorab für diverse Zuschriften!!!