Hallo zusammen,
ich brauchte erstmal ein wenig, um alles zu verdauen und zu verinnerlichen.
Erstmal danke für den Tip mit Thomas Baumann. Der ist echt super und wahnsinnig schnell und präzise in der Einschätzung von sowohl Mensch als auch Hund.
Erstmal die vorläufige Diganose: Ari hat ein dysfunktionales Stresssystem und ist dazu noch sozial übersättigt. Er kann also schlecht bis gar nicht richtig runterfahren, wenn er Stress hat und steigert sich da noch rein. Normal ist es ja so: Stressor ist da, Hund reagiert, Stressor geht weg, Hund regt sich ab. Nicht so bei Ari.... Er bleibt sehr gestresst und puscht sich selbst noch mehr hoch.
Erster Teil war die Anamnese (ohne Hund):
Es wurde alles Mögliche erfragt zum Alltag, Herkunft, bestimmte Situationen, etc.
Blöd ist, dass Ari die Veranlagung schon mitgebracht hat. Thomas sagte, es ist immer Mist, wenn die Hunde so lange beim Züchter bleiben. Zudem gab es auch Stress mit seinen Elterntieren (sein Vater hatte ihn z.B. verletzt, kurz bevor wir ihn abgeholt haben). Zudem war es auch blöd, dass wir die Eltern zwar gesehen haben (durch die Terassentür), aber keinen Kontakt zu ihnen hatten. Deshalb fehlt da auch die Einschätzung, wie die Elterntiere mit uns als Besuch z.B. umgegangen wären. Weiterhin wird er nicht richtig sozialisiert worden sein bzw. hat nicht viel kennengelernt. Eine Vermutung von ihm war auch, dass der Hund abgegeben wurde, weil er bereits die Symptome gezeigt hat. Das ist aber nur eine Vermutung und spielt letzendlich auch keine Rolle. Wir müssen ja mit dem arbeiten, was JETZT ist und nicht, was war.
Teil 2 war dann der Verhaltenstest am Hund:
Ari wurde in einen Kameraüberwachten Raum gebracht und dort angeleint. Er blieb dort also alleine. Dann wurden Stressoren aktiviert. Eine Schaufensterpuppe, die man von außen mit Fäden bewegen kann, ein ferngesteuertes Auto, das auf ihn zufährt, ein klapperndes Ding, was von der Decke kam. Ari hat leider entschieden, darauf mit Aggression zu antworten. Also nach vorne und mit ordentlich Druck gebellt. Anschließend ist Thomas in den Raum und ist freundlich zu ihm hin mit einer Fake-Hand und hat sich zu ihm gestellt. Er blieb ziemlich nervös und unsicher. Anschließend sollte ich in den Raum gehen und Ari ganz nach Bauchgefühl ohne jegliche Vorgabe begrüßen. Ich bin also rein, Ari total aufgedreht und schreit und winselt und springt an mir hoch und ist kaum zu beruhigen. Anschließend sollte mein Mann das gleiche tun. Da eine ähnliche Reaktion, aber etwas abgemildert. An dem Punkt hat Thomas schon gesagt, dass wir da absolut Öl ins Feuer gekippt haben bei Ari. Er sagte, das ist keine Freude, das ist absoluter Stress. Dann ging der Test noch weiter, wir haben uns in dem Raum auf Stühle gesetzt und Ari abgeleint. Dann kam Thomas mit einem Stoffhund und hat ihn bedroht. Ari hat wieder nach vorne reagiert und sich NULL an uns orientiert (wir durften auch nicht eingreifen). Das war dann quasi schon klar für Thomas, dass wir ein echtes Beziehungsproblem zum Hund haben. Als die Stressoren dann weg waren und wir uns unterhalten haben, hat er auch das Kreisdrehen gezeigt. Seine Art, mit dem hohen Stresslevel umzugehen.... An irgendeinem Punkt hat er sogar in die Fake-Hand gebissen. Nicht doll, aber er hat es getan. Wir sollten ihn auch freundlich auffordern mal zu uns zu kommen. Hat er getan aber ist dann vor mir gleich wieder zurückgewichen. Thomas sagte, dass er zu mir auch nicht kommen würden wolle. Unser gemeinsamer Fehler war jedes Mal, Ari am Kopf zu berühren, die Hände gingen immer ins Gesicht / über die Augen und Ohren, was für einen gestressten Hund richtig giftig ist.
Teil 3 war dann die Anlayse und Auswertung & Beratung (ohne Hund):
Wir haben uns die Videoaufnahmen von dem ganzen Test angeschaut und Thomas hat uns dazu was gesagt. Ari zeigt also Tendenzen auf Stress mit Aggression zu reagieren (er hätte ja auch andere Möglichkeiten), noch testet er das, aber wenn wir nichts machen, dann kommt es ziemlich sicher dazu, dass er irgendwann auch Menschen beißen wird. In der Analyse auch nochmal der Hinweis, Ari nicht am Kopf zu streicheln! Er empfindet das als stressig. Ich hab das intuitiv IMMER getan. Ich kannte das bisher nicht, dass das für einen Hund tatsächlich ein Problem sein könnte.
Wir haben dann eine Menge Input bekommen und kleine Stellrädchen, die wir umstellen sollen. Thomas sagte, dass, wenn wir uns strikt daran halten, wir in 2 - 3 Monaten eine deutliche Verbesserung sehen werden, und zwar in allem.
1. Seine Box muss aus dem Flur weg. Er soll nicht im Flur liegen. Da er dort keine absolute Ruhe finden kann (er muss ja immer auf alle Türen aufpassen).
2. Ruhezeiten beachten. 2 Blöcke in der Box á ca. 3 Stunden (Vormittags / Nachmittags) und Nachts im Schlafzimmer schlafen, aber ohne, dass er die Räume wechseln kann.
3. Futter umstellen: wir füttern ja noch immer sein Junghundefutter, da auf der Packung steht, dass er das bis zum 12. Monat fressen darf. Thomas sagte, viel zu viel Protein! Und kein Rind füttern! Das enthält irgendwelche Aminosäuren oder so, die teilweise bei Dopingtests negativ auffallen würden.
4. Wir verhalten uns immer und absolut immer total ruhig im Umgang mit ihm. Je doller er aufdreht, desto ruhiger werden wir.
Ari ist führerlos. Wir führen gerade eine Beziehung auf Augenhöhe, er kann sich nicht an uns orientieren. Wir haben ihm falsch verstandene Freiheiten gegeben. Wäre bei einem normal tickenden Hund, der gutmütig und ausgeglichen ist, sicherlich kein Problem, aber bei dem Paket Ari schon.
Er sagte, ich habe ihn zu sehr bemuttert. Er macht pieps, ich springe. Er dreht, ich sorge mich. Er macht irgendwas und ich gucke nach ihm, ich interagiere ständig mit ihm und deshalb hält er auch Abstand zu mir. Ich nerve und stresse ihn. Hier ist dann die Devise "Distanz schafft Nähe".
Wir sollen ihn in 60-70% der Fälle, wenn er ankommt und was will, wegschicken. Ihn dafür einladen, zu uns zu kommen, wenn wir das wollen. Dann mit Leberwursttube vor der Nase ruhig über den Rücken streicheln und "Tuuuuuuuuuuuuuuuuuube" sagen. Max. 30 Sekunden, dann Ende.
Zudem müssen wir ein Ruhesignal etablieren. Wenn er also absolut entspannt ist, mal hingehen und unser Ruhesignal etablieren, damit er das mit Entspannung verknüpft.
KEIN Ballspielen, kein Stock werfen, kein positiver Stress. Nichtmal Mantrailing, weil das ihn auch hochpushen könnte. Ruhige Such- oder Schnüffelspiele sind ok. Zudem braucht er einen "Schnuller". Ich kann z.B. im Moment nur mit ihm spazieren gehen, wenn er sein Holz trägt. Das sollen wir auf ein Bringsel ummünzen. Das Bringsel ist aber kein Spielzeug, sondern wirklich nur zum Tragen, Schütteln, abreagieren. Max. 1- 2 Stunden pro Tag insgesamt spazieren gehen und das möglichst unspektakulär und ruhig. Wir müssen Ruhe in den Hund bringen. Ich gewöhne mir meine "Babystimme" ab und rede mit ihm nur noch ruhig und "tief". Abends sollen wir ihn mit ins Wohnzimmer nehmen, da das Rudel zusammen liegen sollte. Da das mit den Katzen ja noch nicht so hundertprozentig klappt, haben wir den Petcorrector empfohlen bekommen (das ist eine Dose Druckluft, die extrem laut Zischt, wenn man draufdrückt) und wir sollen ein neues Abbruchsignal etablieren.
Was wir bisher gemacht haben:
Die riesige Box ist vom Flur ins Badezimmer gewandert (im Schlafzimmer ist einfach kein Platz dafür). Ari findet das richtig doof und winselt und randaliert. Die Box soll aber geschlossen bleiben, wenn er Ruheblöcke hat.
Das Futter stellen wir um auf weniger Protein. Noch verfüttern wir den Rest, haben aber das Trofu reduziert (da zu viel Protein) und das Dosenfutter erhöht.
Ich lasse ihn fast den ganzen Tag links liegen, was ihn nicht stört, da er meine Nähe mittlerweile auch so gut wie gar nicht sucht, lade ihn aber ab und an freundlich ein mit der Tube. Er darf nicht mehr nachts durch alle Räume wandern, sondern bleibt im Schlafzimmer. Abends kommt er erstmal noch angeleint mit ins Wohnzimmer, was er meist aber nach kurzer Zeit schon nicht mehr möchte. Er möchte dann immer wieder in den Flur.
Ich bewege mich ruhig und schicke ihn bestimmt und ruhig weg, wenn er was will (z.B. Leckerchen oder Gassi), und ICH entscheide jetzt, wann es was gibt und wann wir gehen oder was als nächstes passiert. Meist erstmal gar nichts.
Außerdem sollen wir ihm einen Maulkorb auf trainieren (das hat jetzt nichts mit ihm selbst zu tun, er empfiehlt es einfach bei jedem Hund, weil es einfach praktisch ist, wenn der Hund das kennt und in bestimmten Situationen dann tragen muss). Beim Tierarzt z.B. brauchen wir auf jeden Fall einen aber auch für Hundetrainer, weil er da möglicherweise auch zuschnappen könnte.
Erstmal hab ich natürlich geheult. Mein Eindruck, dass Ari mich meidet bzw. dass er bei mir mehr in Stress gerät als bei meinem Mann, war also richtig. Das hat mich natürlich echt zerschmettert. Ich hatte das noch nie, dass der eigene Hund einen selbst als Stressfaktor sieht. Er ist übersättigt, hat immer alles bekommen, was er wollte, hatte Narrenfreiheit. Dabei hatte ich den Eindruck, dass sein Gehorsam gar nicht so schlecht ist. Aber das wäre / wird noch kommen, wenn wir nicht am Ball bleiben.
Erstmal sehr erdrückend, aber seine Prognose ist sehr gut, da er noch jung ist und wir jetzt doch recht zeitnah einen Termin bekommen haben. Eigentlich hätte er erst im November wieder Termine gehabt, hat sich aber entschlossen den Samstag einen Termin dafür einzuschieben, weil er eben noch jung ist und man jetzt viel erreichen kann.
Soviel dazu. Ari mag mich wohl, findet mich aber nicht mehr interessant und übergriffig. Puh.....