Hm, mein erster (eigener) Hund ist definitiv kein typischer Anfänger-Hund. Das liegt vor allem daran, dass er - genau wie die meisten Schäferhunde, die du ja so gut findest - unglaublich intelligent ist, noch dazu ne ordentliche Portion Territorialverhalten mitbringt, fremde Menschen und Hunde prinzipiell eher nicht so toll findet und dann auch gern nach vorn geht.
Ich bereue die Entscheidung, dass er hier eingezogen ist, absolut nicht - weil ich ihn einfach liebe und nie mehr missen möchte. Aber: Dieser Hund hat mich unfassbar viele Nerven gekostet. Wie oft ich in gerade in der Anfangszeit komplett verzweifelt bin, kann ich gar nicht mehr zählen. Und ich bin mit Gebrauchshunden und nem verhaltenskreativen Aussie aufgewachsen, war also eigentlich schon einiges gewohnt und hatte auch gute Unterstützung.
Das Ding ist einfach, dass du als Anfänger Fehler machen wirst. Du wirst Dinge nicht sehen, falsch interpretieren und auch erstmal deinen "Stil" finden müssen. Das ist ganz normal, dass man sich da erstmal in seine neue Rolle als Hundehalter reinfinden muss. Nur, solche Hunde verzeihen ein Zögern, Hinterfragen, Unsicherheiten des Halters etc. nicht gut.
Da ich mir damals relativ wenig unter diesen Worten vorstellen konnte, hier mal drei Beispiele, was die "Gefahren" in der Erziehung so eines Hundes als Anfänger sind:
- gebildete Verhaltensketten: Die erste Begegnung mit einer Kuh lief bei uns z.B. folgendermaßen ab: Hund guckte Kuh an, Hund ging bellend in die Leine. Ich habe seine Aufmerksamkeit damals auf mich gelenkt und das dann belohnt, sodass wir entspannt vorbeilaufen konnten. Soweit so gut. Die darauffolgenden Male habe ich, wie man das halt so macht, versucht, seine Aufmerksamkeit bei mir zu behalten, bevor er loslegt. Funktionierte aber nur so lala. Das Pöbeln hat sich dann recht schnell auch auf Pferde, Katzen, Schafe, Ziegen, Vögel usw. übertragen. Kurz, der Hund reagierte innerhalb kürzester Zeit auf quasi alles. Monatelang (!) haben wir da dran rumgedoktort, mit viel Abstand, mit wenig Abstand, mit Anzeigen, ruhiges Loben, schnelles Vorbeigehen - bis ich irgendwann mal darauf kam, dass der einfach nur pöbelt, um danach fürs Abwenden ein Leckerlie zu kassieren. Muss man als Anfänger halt auch erstmal drauf kommen.
- nicht erkanntes Verhalten: Mein Hund ist ein Meister darin, Dinge, die er offiziell nicht tun soll, so zu tarnen, dass kaum jemandem auffällt, was er da eigentlich gerade tut. Da wird dann mal besonders lange an einem Grashalm geschnüffelt, um noch kurz die vorbeilaufenden Passanten zu kontrollieren. Oder es wird sich gereckt und gestreckt, um dann beim Weiterlaufen noch schnell unauffällig an ne Hauswand zu markieren. Da wird an der Tür gebellt, um sich dann heimlich das Essen von der Anrichte zu stibitzen, während Frauchen nachschauen geht. Oder es wird ganz zufällig spielerisch im Bett rumgerollt, um dann das Kopfkissen in Beschlag zu nehmen. Alles erstmal keine dramatischen Dinge, aber man muss sie erkennen, sonst merkt so ein intelligenter Hund ganz schnell, dass er machen kann, was er will. Und gerade das Erkennen ist super schwierig. Ich bin da bis heute dran und mir ziemlich sicher, dass mein Hund mich immer noch oft genug verarscht, ohne dass ich es merke.
- falsch beantwortetes Verhalten: Als Hund in die Pubertät kam, hatten wir mal eine doofe Begegnung mit Hunds Erzfeind, der freilaufend auf uns zu kam. Als ich versucht habe, den abzublocken, hatte ich von meinem eigenen pöbelnden Hund ne Schramme im Bein. Ja nun, kann mal passieren. Ist aber danach wieder und wieder passiert. Weil ich zu lange nicht gemerkt habe, dass das eben kein "ups, passiert mal" oder "war im Übersprung" ist, sondern der einfach ohne Konsequenzen seinen Frust an mir auslebt. Inzwischen ist das bei mir kein Thema mehr, aber dieser Fehler verfolgt uns bei Fremdbetreuung bis heute. Einfach nur, weil ich es mangels Erfahrung nicht früher gecheckt habe. Hätte ich gleich adäquat reagiert, bin ich mir sicher, dass das nie so ein Thema geworden wäre.
Also ja, wir haben uns zwar durchgebissen, aber es war definitiv nicht einfach, sondern hat unglaublich viel Zeit, Geduld und Nerven gekostet. Ich musste viel lernen, habe die ein oder andere unschöne Erfahrung gesammelt und muss mir letztendlich auch zuschreiben, dass ich manche Dinge einfach unwiederbringlich vermurkst habe, weil ich es nicht besser wusste. Deshalb, auch wenn ich die Entscheidung nicht bereue: Empfehlen würde ich das wirklich niemandem.
Die Schäferhundzüchter sehen ihre Hunde nicht bei Anfängern... was soll das bedeuten? Was bringt es mir, wenn ich mir jetzt einen Papillon hole und dann einen Schäferhund? Was lerne ich vom Papillon für den Schäferhund?
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass auch erfahreneren Haltern ein paar meiner Fehler passiert wären. Insbesondere, wenn sie davor einen ganz anderen Hundetyp mit anderen Baustellen gehalten haben. Und ich halte dementsprechend auch nichts davon, aus Prinzip als ersten Hund einen aus FCI Gruppe 9 zu nehmen, wenn man eigentlich nen Schäferhund will. Aber es gibt ja nicht nur Schwarz und Weiß, sondern ganz viel dazwischen: Rassen, von denen du sehr viel Sinnvolles für einen (zukünftigen) Schäferhund lernen könntest, die dieselben Verhaltenstendenzen haben, aber deutlich gemäßigter und dadurch weniger schwierig zu händeln sind und kleine Anfänger-Fehler sehr viel eher verzeihen. Es muss ja kein ganz anderer Hundetyp sein, vielleicht wäre ja was Ähnliches, aber deutlich Gemäßigteres eine Option?
Davon abgesehen ist ein Hund mit ordentlich Wach- und Schutztrieb in der Innenstadt halt schon echt Königsklasse. Die Tendenz, andere Menschen und Hunde doof zu finden, kriegst du aus solchen Hunden auch mit der besten Erziehung nicht raus. Unterschätze da bitte nicht die Genetik, die ein Hund mitbringt.